Der
deutsche Blick auf die Katastrophen, die jenseits des europäischen
Toten Meeres Trümmer auf Trümmer häufen, ist der des
Friedhofsverwalters. Er wacht pflichtbewusst über die Grabesruhe,
von der gemeinhin als ‚regionale Stabilität‘ gesprochen wird.
Nicht das Stöhnen der Gefolterten stört diese, die mechanisierte
Empathie des Friedhofsverwalters gilt den Folterern. Sein
Pflichtbewusstsein ist das des Komplizen der Totengräber. Als Frevel
empfindet das deutsche Auswärtige Amt es dann auch, als kürzlich
Donald Trump den khomeinistischen Iran (wenn auch zunächst
folgenlos) das nannte, was er wahrlich ist: ein Aggressor. Der
pausbäckigen Charakterfratze Sigmar Gabriel steht auch noch die
Maske zu Gesicht, wenn er ganz ungeniert ausspricht,
was der Kern der europäischen Beschwichtigungspolitik gegenüber dem
klerikalfaschistischen Iran ist: die khomeinistischen Schlächter
damit zu besänftigen, die bankrotte Ökonomie im Iran zu
modernisieren. Was die deutsche Charaktermaske ganz unverfänglich
und schamlos „Investitionen“ in den Frieden nennt, ist dem
faschistischen Souverän die Prävention von Brotrevolten und vor
allem die Finanzierungsgarantie für den aggressiven Vormarsch an der
Levante, im Irak und Jemen.
Ähnlich
sakrosankt wie die Wiener Verträge mit dem Iran, die mitnichten
garantieren, dass dieser sich doch noch zur nuklearen Bedrohung
potenziert, ist dem deutschen Auswärtigen Amt die „territoriale
Integrität“ einer Staatsruine, die in Wirklichkeit längst zum
iranischen Satellitenregime verkommen ist. Folglich ließ das
Auswärtige Amt in einer Solidaritätsadresse an den irakischen
Ministerpräsidenten Haider al-Abadi keinen Zweifel daran, dass man
den Einmarsch von Panzergefährten, die mit dem Antlitz des
historischen Imam Ali sowie des gegenwärtigen Revolutionsführers
Ali Khamenei geschmückt waren, nach Kirkuk toleriere. Der irakische
Ministerpräsident von der iranaffilierten Daʿwa Partei bedankte
sich höchstpersönlich auf
Twitter für die Zusicherung Gabriels, auf die territoriale
Integrität Iraks zu beharren. Des Weiteren rühmt sich al-Abadi auf
Twitter, dass die britischen und US-amerikanischen Amtskollegen
Gabriels sowie der saudische Absolutist Salman ihm gegenüber ihren
Beistand erklärt hätten. Einer der engsten Vertrauten von Ali
Khamenei und dessen Chief of Staff, Mohammad Mohammadi
Golpayegani, spricht ganz
offen aus, dass es die „Anordnungen des obersten Führers
(Khamenei) und die Opfer des Generals Soleimani“ waren, die den
„zionistischen Plot“ von einem „zweiten Israel in Kurdistan“
verhindert hätten.
In der
Konsequenz ist die Beschwörung der Spaltung Iraks als Eskalation der
Instabilität die Akzeptanz des iranischen Vorstoßes. Die reguläre
irakische Staatsarmee ist längst nicht mehr als die
überkonfessionelle Fassade des Unwesens hochideologisierter
sektiererischer Milizen, deren Loyalität dem Iran der Ayatollahs
gilt. Die schiitischen Milizen sind infolge des noch von Saddam
Hussein gesäten konfessionellen Hasses einerseits und der
desaströsen ökonomischen Krise andererseits zum zentralen
politischen wie ökonomischen Faktor im Irak geworden. Im
südirakischen al-Basrah, wo kaum noch Sunniten leben, werden die
Straßenränder beherrscht von militaristischen Anwerbebannern und
den Porträts der mit ihnen geworbenen Warlords und Klerikern wie
Muqtada al-Sadr oder Ali Khamenei himself. Die Region um al-Basrah,
gelegen am irakisch-iranischen Grenzfluss Shatt al-Arab, ist eine der
ressourcenreichsten, weit über den Irak hinaus. Doch nirgendwo
anders leben die Menschen im Irak elendiger als im dunklen Schatten
der Tiefpumpen, die aus der Erde ranken. Für das Funktionieren der
Erdölförderung sind die Massen an jungen Männern längst
überschüssiger Menschenmüll. Die Milizen dagegen versprechen eine
Besoldung und den Zutritt zu einem männerbündischen
Patronatssystem. Dank der Rehabilitierung des Irans auf den globalen
Waren- und Kapitalmärkten durch die Wiener Verträge, also der von
Gabriel und anderen verfolgten Besänftigungspolitik, drohen den
iranloyalen Milizen keine finanziellen Engpässe.
Als
Schattenkommandeur der Einnahme von Kirkuk wirkte der iranische
Generalmajor Qasem Soleimani, der die Qods-Pasdaran befehligt, also
jene staatseigene Guerilla der „Armee der Wächter der Islamischen
Revolution“, die dem Expansionsauftrag der ‚Islamischen
Revolution‘ weit über die geografischen Grenzen des Irans hinaus
verpflichtet ist. Die Qods-Pasdaran sind direkt dem iranischen
Revolutionsführer Imam Ali Khamenei unterstellt. Befehlsempfänger
von Qasem Soleimani sind auch die berüchtigtsten Milizen innerhalb
der schiitischen „Volksmobilisierung“: Badr Korps, Asa'ib Ahl
al-Haq sowie die Kata'ib Hezbollah, die in diesen Tagen im eroberten
Gouverneursamt von Kirkuk das Porträt ihres wirklichen Führers, Ali
Khamenei, aufgestellt haben. Sie tragen für den Iran noch andere
Schlachten aus. In Aleppo und anderswo in Syrien töten sie für den
Erhalt des Regimes von Bashar al-Assad, dem westlichsten Teil des vom
Iran fokussierten schiitischen Halbmondes.
Fazel
Hawramy zufolge trafen
sich am Vortag der Einnahme von Kirkuk ein ranghoher iranischer
Revolutionsgardist namens Haj Ali Eqbalpour sowie die Kommandeure des
Badr Korps und der irakischen Hezbollah mit den dortigen
militärischen Befehlshabern der Patriotischen Union Kurdistans
(PUK). Ein enger Vertrauter von Soleimani drohte, dass die Peshmerga
bei Widerstand gegen den Einmarsch nach Kirkuk zermalmt werden wird.
Die unmissverständlichen Äußerungen aus Berlin und Washington D.C.
in den Vortagen im Gedanken, auf konkrete militärische Solidarität
nicht hoffen zu dürfen, machten die Drohung des Iraners zur
Ausweglosigkeit: bleiben und sterben oder geordneter Abzug nach Erbil
und Sulaymaniyah. Qasem Soleimani soll selbst zuvor nach Sulaymaniyah
und Erbil gereist sein, um persönlich das iranische Ultimatum zu
überbringen. Was unter dem Eindruck innerkurdischer Rivalität als
Verrat erscheinen muss, war vor allem eines: von gegnerischer
Übermacht erzwungen.
Was nicht
heißen soll, dass die beiden großen rivalisierenden Parteien in
Irakisch-Kurdistan nicht vor allem eines sind:
klientelistisch-repressive Apparate unter familiärer Führung, denen
die Kumpelei mit dem Aggressor alles andere als fremd ist. Was man
weiß: Als Präsident der Autonomieregion ist Mesud Barzani seit über
zwei Jahren nicht mehr von dem kurdischen Regionalparlament in Erbil
legitimiert, welches in Folge dessen von ihm entmachtet worden ist.
Vor dem Referendum hat er alle US-amerikanischen Kompromissvorschläge
in den Wind geschlagen. Ganz offensichtlich galt ihm das Referendum
als Kalkül, um sich vor dem endgültigen Ende des „Islamischen
Staates“ im Irak als Staatsgründer zu verewigen. Beide der
rivalisierenden Parteien kollaborierten wiederholt mit dem Feind des
anderen.
Doch die
Drohungen aus Ankara und Teheran galten nie den Manövern der
kurdischen Clanparteien. Hossein Amir-Abdollahian, unter den
iranischen Staatspräsidenten Mahmoud Ahmadinejad und Hassan Rouhani
im Auswärtigen Amt tätigt, beschwor im Juli 2014, dass der Iran den
„israelischen Traum“ von einer „Unabhängigkeit Kurdistans“
nie zulassen werde. Noch unter Saddam Hussein war die
Vernichtungsdrohung gegen die Abtrünnigen an dem Staat der
arabischen Erweckung geschmückt mit der Dämonisierung Kurdistans
als eine Erweiterung eines projizierten „Großisraels“. Der
nationalistische Boulevard der Türkei übernahm dieses zentrale
Element der Propaganda nach dem militärisch erzwungenen Ende des
Schlächters Saddam Hussein. Die traditionslaizistische, aber
überzeugt nationalistische Hürriyet enttarnte den Barzani-Clan als
„jüdisch“. Der phantasierte Plot einer jüdisch-kurdischen
Intrige machte nun an Karriere in der prosperierenden türkischen
Verschwörungsindustrie, etwa im Blockbuster Kurtlar Vadisi - Irak,
„Tal der Wölfe“ - Irak“. Kürzlich erkannte Staatspräsident
Erdoğan in vereinzelten Davidstern-Bannern während der Jubelfeiern
nach dem Referendum in Erbil den Corpus Delicti dafür, dass der
israelische Mossad die Drähte an diesem Verrat an der Türkei
gezogen haben muss.
Die
antisemitische Aufladung der Propaganda verrät: die Regime fürchten
und hassen die Kurden als Abtrünnige an ihren regressiven
Heilsversprechen. Eine kurdische Eigenstaatlichkeit im Nordirak, die
Israel nicht als Feind identifiziert, wäre für den Iran ein
konkretes Risiko für seinen Korridor zur Levante, der seinem Wesen
nach einer mit antisemitischer, also eliminatorischer Stoßrichtung
ist. Doch mehr noch fürchten sie die Kurden innerhalb des eigenen
Staatsterritoriums. Noch im selben Jahr der islamistischen Umwälzung
im Iran 1979 bedauerte Ayatollah Ruhollah Khomeini, dass sein Gefolge
die Revolution noch nicht konsequent zu Ende geführt hätte, also
noch davon entfernt sei, dass einzig noch eine Partei existiere: die
Hezbollah, die „Partei Gottes“. Die kurdischen Oppositionellen
denunzierte Khomeini in der selben Ansprache zum antizionistischen
„Tag zur Befreiung al-Quds (Jerusalems)“ als „Verschwörer“
und „Ungläubige“, gleich folgend auf die Juden. In den folgenden
Jahren wütete das khomeinistische Hinrichtungsregime in
Iranisch-Kurdistan noch exzessiver als in der „Islamischen
Republik“. Es verfolgte die kurdischen Oppositionellen bis ins
europäische Exil. Am 13. Juli 1989 ermordete eine iranische
Todesschwadrone Abdul Rahman Ghassemlou, Vorsitzender der Partiya
Demokratîk a Kurdistana Îranê (PDK-I), in Wien. Die Mörder
verschwanden in der Wiener Repräsentanz der Islamischen Republik
Iran. Österreich gewährte ihnen die Ausreise. Der Anführer der
Wiener Todesschwadrone Mohammad Sahrarudi bewegte sich als Vertrauter
von Parlamentspräsident Ali Larijani zumindest noch kürzlich im
engeren Umkreis von Staatspräsident Hassan Rouhani. Am 17. September
1992 ermordete ein weiteres iranisches Todeskommando in Berlin den
Generalsekretär der PDK-I Sadegh Sharafkandi sowie die
Oppositionellen Fattah Abdoli, Homayoun Ardalan und Nouri Dehkordi.
Einige der Initiatoren dieses Massakers gelten bis heute den
Deutschen als Gesprächspartner eines moderaten Irans wie Ali Akbar
Velayati und (bis zu seinem Tod) Akbar Hashemi Rafsanjani.
Auch nach der
allein gelassenen Massenrevolte im Jahr 2009 kommt es im Iran wieder
und wieder zu Protesten. Doch nirgendwo anders drohen zunächst
kleinere Proteste zu einem Funkenflug zu werden wie in
Iranisch-Kurdistan. Im Mai 2015 sprang eine junge Frau namens Farinaz
in Mahabad in den Tod, um der Vergewaltigung durch einen Schergen des
Regimes zu entkommen. Kurz nachdem dies unter den Menschen in Mahabad
bekannt wurde, brannte das Hotel, aus dem Farinaz gesprungen und vor
dem auch die deutsche Flagge gehisst war (irgendwo müssen auch die
Krämer deutscher Technologien nächtigen). Hunderte Protestierende
sind daraufhin allein in Mahabad inhaftiert worden. Als die Proteste
anderswo in Iranisch-Kurdistan andauerten, riefen junge Frauen einen
Slogan, den sie aus Syrisch-Kurdistan kannten: Jin – Jiyan - Azadî
(„Frau - Leben – Freiheit“). Die militante Frauenorganisation
der Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê („Partei für ein freies
Leben in Kurdistan“ – PJAK), die den Ideen Abdullah Öcalans
folgt, erklärte, es sei „nicht die Aggression eines einzelnen
Mannes“, viel mehr „eine systematische staatliche Aggression“.
„Bis dieses Denksystem nicht bekämpft wird, wir uns nicht
organisieren, bilden und die kollektiven Verteidigungskräfte
entwickeln, ist unser aller Leben bedroht und jeden Tag wird eine
andere Frau betroffen sein.“ Folglich rief sie zur militanten
Selbstorganisierung gegen den „Feind der Frauen“, die Islamische
Republik Iran, auf und erinnerte auch an die Morde an Reyhaneh
Jabbari (die im Iran hingerichtet wurde, weil sie ihren Vergewaltiger
in den ewigen Schlaf beförderte) und Farkhunda Malikzada (die in
Folge des Gerüchtes, einen Koran verbrannt zu haben, von einem
Kabuler Mob gesteinigt wurde) sowie an die Säureattacken auf Frauen
in Isfahan.
In
der sehenswerten Reportage des BBC Inside
Kobane traf
der Dokumentarfilmer in den umkämpften Straßenzügen auf
erstaunlich viele Kurdinnen und Kurden aus dem Iran. Eine der Frauen,
die sich dem Widerstand gegen das Kalifat angeschlossen hatte,
versprach: „Wenn wir Kobane befreit haben, werden wir uns in den
Iran aufmachen. Er wird als Nächstes kommen.“ Sie konnte ihr
Versprechen leider nicht wahrmachen. Auf Kobane folgten viele weitere
tödliche Abwehrschlachten mit den mordenden Freunden des Kalifats:
entlang der türkisch-syrischen Grenze wie in Tell Abyad, dem
Nadelöhr islamistischer Blutsäufer; um Sheikh Maqsood in Aleppo,
das von den türkischen Freunden der Fatah Halab terrorisiert worden
ist; oder um den Kanton Afrin, der von der Türkei, rivalisierenden
islamistischen und panturkistischen Banden sowie dem al-Qaida-Derivat
Tahrir al-Sham weitflächig isoliert ist. Zuletzt war es Rakka, das
befreit worden ist – mit dem Leben von über sechshundert jungen
Menschen. Den Oberbefehl bei der Militäroperation zur Befreiung von
Rakka hatte übrigens eine Frau, die davon sprach, dass diese auch in
der Befreiung von der traditionellen Unterjochung der Frau bestehen
muss. Das Symbol ihrer Organisation, der Yekîneyên Parastina Jin
(YPJ): den „Selbstverteidigungseinheiten der Frauen“, ist seit
einem Bann durch De Maizière verboten. Aus dieser weichen Repression
spricht das deutsche Friedhofswesen. Wie es zur türkischen
Aggression gegenüber den Säkularen in Syrisch-Kurdistan schweigt –
der Grabesruhe verpflichtet –, toleriert es geduldig die Repression
gegen die Opposition im kurdischen Südosten der Türkei. Denn auch
bei aller Kritik etwa an dem demokratischen Irrsinn, seine
Parteigänger als Volk, halk, anzusprechen, bricht in der Türkei die
im Südosten favorisierte Halkların Demokratik Partisi (HDP) in
Vielem mit den nationalen Mechanismen, in denen die falsche Einheit
reproduziert wird. Wider eine Staatsfront aus Leugnern gedenkt sie
der Ermordeten von 1915 und nennt die genozidale Annihilation der
anatolischen Armenier bei Namen. Und sie versteht sich ausdrücklich
auch als Partei der von tugendterroristischer Verfolgung Betroffenen
wie Homo- und Transsexueller – auch gegen die alten Herren in der
Partei, die sich eine konservative Volkspartei der Kurden wünschen.
Der Rudelführer der Grauen Wölfe und völkische Verbündete
Erdoğans, Devlet Bahçeli, verkündet unterdessen,
dass keine Macht es verhindern könne, dass Kirkuk und Mosul türkisch
werden. Das völkische Geheul gilt nicht dem Vorstoß des Irans auf
Kirkuk, diesen begrüßte die Türkei. Was diese fürchtet, ist eine
kurdische Eigenstaatlichkeit. Um keinen Zweifel daran zu lassen, wo
hier Europa steht, erklärte Federica
Mogherini, die hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen-
und Sicherheitspolitik, in den Stunden nach dem Einmarsch in Kirkuk,
dass Europa und die Türkei ihre Koordination im „Bezug auf
regionale Dynamiken“ verbessern werden.
Als Angela
Merkel kürzlich vor ihren europäischen Amtskollegen in Brüssel
lobte, die Türkei erbringe „Herausragendes“ als Prellbock gegen
wilde Migration, muss sie dies gemeint haben: Entlang eines
Grenzabschnittes von 450 Kilometern verunmöglichen Betonwände,
Stacheldraht, Drohnen, Wärmebildkameras und gegossenes Blei die
Flucht aus Syrien. Der westlichste Kanton Syrisch-Kurdistans Afrin
ist weitflächig isoliert von einem Joint Venture aus türkischer
Armee und al-Qaida-Derivat, welches weiter nicht mehr interessiert.
Die irakischen Proxys des Irans haben nach Kirkuk längst ihre
Stoßrichtung entblößt. Sie drängen nach Faysh Khabur; ganz nah
davon liegt mit Semalka die einzige Möglichkeit nördlich von Rabia
über eine Schwimmbrücke nach Syrisch-Kurdistan zu gelangen; 25
Kilometer nordöstlich befindet sich der einzige irakische
Grenzübergang zur Türkei. In den vergangenen Tagen, an dem der
irakische Ministerpräsident Abadi zunächst in die Türkei und dann
in den Iran reiste, attackierten die Milizionäre von Qasem Soleimani
das nordwestlich von Mosul gelegene Zumar sowie die irakisch-syrische
Grenzstadt Rabia. Die Absicht ist kaum zu übersehen: Die –
zumindest ökonomische – Unterwerfung der kurdischen
Autonomieregion im Nordirak sowie eine Totalisolation der östlichen
Kantone Syrisch-Kurdistans.
Mesud Barzani
und dem herrschenden Klüngel in Erbil sowie Sulaymaniyah kann keine
Solidarität gelten. Wie im Jahr 1996 als er Saddam Husseins Schergen
zur Einnahme von Erbil einlud, die hunderte rivalisierende Peshmerga
ermordeten, ist Barzani selbst wieder und wieder Komplize der
blutigsten Feinde eines freien Lebens. Ein halbes Jahr zuvor hatten
Barzani und die US-Amerikaner eine koordinierte Tötung Saddam
Husseins durch die PUK und irakische Dissidenten verraten. Die
Solidarität hat viel mehr allen zu gelten, denen der Einmarsch
iranischer Proxys eine Todesdrohung ist. Im südirakischen al-Basrah
und vielerorts in Baghdad, wo die in Banden zerfallene „Partei des
Imams Ali“ herrscht, sind unkeusche Frauen und Homosexuelle (oder
auch nur weiblich wirkende Männer) Freiwild; ganz zu schweigen von
den systematischen Morden an Verkäufern alkoholischer Getränke. Der
khomeinistische Iran, der Syrien als seine „35ste Provinz“
(Mullah Mehdi Taeb) abgesteckt hat und nun weitflächig den Irak
infiltriert, bleibt dem deutschen Friedhofsverwalter der Sargnagel,
an dem er sich mit seinem Fetisch von der „regionalen Stabilität“
klammert. Mag auch die US-amerikanische Rüstungspolitik in der
Konsequenz nicht weniger fatal wirken – wie zuvor der „Islamische
Staat“ übernehmen die Milizen der Ayatollahs einen Teil des
Fuhrparks der regulären irakischen Armee aus US-amerikanischen M1
Abrams und Humvees –, beschwört die deutsche Politik wie ein irrer
Selbstläufer die geteilten Interessen mit dem Iran und der Türkei.
Die
Befreiung von Rakka interessierte die Deutschen merklich wenig. Es
mangelte nahezu gänzlich an empathischer Teilhabe an der Freude
jener, die am zentralen al-Naʿim-Platz in Rakka tanzten und
sangen, worüber im „Islamischen Staat“ noch ein eiserner Bann
lag. Es war unter den Europäern auch kaum ein Gefühl von genommener
Rache zu spüren angesichts dessen, dass in diesem Moment die
Kapitale des Kalifats gefallen war, also jene Kommandohöhe, von der
aus die Massaker in Paris, Istanbul und anderswo orchestriert wurden.
Und auch eine Ideologiekritik in Aktion hat verpasst, was am 17.
Oktober 2017 fällig gewesen wäre: eine – wenn auch einzig
symbolische – Solidarität mit den Kämpferinnen und Kämpfern
gegen das Kalifat und für die Befreiung der Frauen und religiösen
Minoritäten von dem islamistischen Joch. Man hätte sich etwa mit
den Flaggen der kriminalisierten Befreier vor salafistischen Moscheen
oder den Repräsentanzen der Islamischen Republik Iran, der Türkei
oder Saudi-Arabien treffen können. Das wäre das Mindeste gewesen.
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