Freitag, 24. Mai 2019

„Prinzipalisten, Reformisten, eure Intrige ist gescheitert“ - Flugschrift zum Iran



Wir sind keine amerikanische Kolonie. Machen Sie uns auch nicht dazu“, wähnt sich Klaus Ernst, ein Weggefährte von Oskar Lafontaine, in der parlamentarischen „Aktuellen Stunde“ zum Iran als Teil der Achse des Widerstandes. Ganz objektiv ist seine Partei, die am weitesten links im Plenarsaal sitzt, die der deutschen Todeskrämerei mit dem Iran. Hätte sie zu entscheiden und wäre es überhaupt möglich, würden deutsche Sparkassen nicht nur als Finanzserviceinstitute des khomeinistischen Regimes fungieren. Klaus Ernst fordert darüber hinaus, dass deutsche Unternehmen, die sich den „exterritorialen, völkerrechtswidrigen Sanktionen“ beugen und den Iran aufgeben, nicht weiterhin straffrei bleiben.

Als einen „Akt europäischer Souveränität“ charakterisierte auch das Auswärtige Amt im Handschlag mit den französischen und britischen Amtskollegen jenes europäische Clearingsystem Instex, das das weitere Business mit dem Iran garantieren soll. Amtsherr Heiko Maas gesteht in der von Klaus Ernst angestoßenen Debatte durchaus ein, dass der als schicksalhaft verteidigte Vertrag eine iranische Erpressung – Reduzierung der Urananreicherung gegen Business – ist. Doch gerade im „kritischen Dialog“ mit der khomeinistischen Bestie wähnen sich die Europäer als moralisch integer, als „ehrlicher Makler“, der kultursensibel die Grabesruhe achte, während die US-amerikanische Konkurrenz die nächste Eskalation herauf provoziere.

Es ist ein historischer Tag“, umschrieb Frank-Walter Steinmeier mit dem 14. Juli 2015 jenen Tag, an dem die iranische Erpressung auf Vertragspapier zur Geltung gebracht wurde. Als „historisch“ würdigten auch Funktionäre deutscher Industrieverbände den Tag. Von Ungeduld getrieben – die Ratifizierung dieser „historischen Einigung“ stand noch aus – reiste weniger als eine Woche später eine deutsche Delegation aus Politik und Industrie unter ministerialer Führung in den Iran. Die deutschen Gäste spekulierten auf ein rasant zu steigerndes Auftragsvolumen für die eigene Industrie, der Islamischen Republik dagegen trugen sie einen speziellen Auftrag zu: „Stabilisierungsfaktor in der Region“ zu werden. Im folgenden Jahr beehrte eine 120-köpfige Delegation der deutschen Industrie den Iran. Was die deutschen Charaktermasken aus Politik und Industrie schamlos „Investitionen“ in die regionale Stabilität nennen, ist dem faschistischen Souverän zuallererst die Finanzierungsgarantie für seine mörderische Aggressionsstrategie. Shiah-Milizen unter Oberbefehl der iranischen Revolutionsgarden haben Syrien und den Irak weitflächig infiltriert. Ende 2016 marschierten sie in Ost-Aleppo ein. Im Herbst 2017 waren die Panzergefährten, die in das nordirakische Kirkuk einrollten, mit dem Antlitz des „Obersten Führers“ Ali Khamenei geschmückt. Jüngst terrorisierte der palästinensische „Islamische Jihad“ im Auftrag der khomeinistischen Despotie Israel und erzwang die nächste tödliche Eskalation in Gaza. Wo man hinschaut, die Islamische Republik ist ein Agent des Todes.

Die dem Regime feindlichen Iraner, die seit Ende Dezember 2017 wieder und wieder die Grabesruhe durchbrechen, täuschen sich nicht darüber, dass mit Business einzig die terroristische Aggression nach außen forciert wird. Die iranische Ökonomie wird bis zu 75 Prozent von den militaristischen Revolutionsgarden, den Sepah Pasdaran, kontrolliert. Jedes Business mit dem Iran ist nahezu unumgänglich eines mit diesem islamomafiotischen Akkumulationsregime, dessen Dividende unzählige Tote und Massakrierte in Syrien, dem Irak und Kurdistan sind.

Auf den Straßenprotesten wird folglich der militärische Abzug aus Syrien und ein Ende der Finanzierung der libanesischen Hezbollah und der palästinensischen Militanten gefordert. Während der wochenlangen Proteste der Stahlarbeiter in Ahvaz in der Provinz Khuzestan riefen sie vor den Filialen der Nationalbank Melli sowie der Saderat – die in die Finanzierung der Hezbollah, Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihads involviert sind – Slogans wie „Mutter der Korruption, hier bist du, hier bist du“, „Im Namen des Islams habt ihr die Menschen zum Verzweifeln gebracht“, „Sie zahlen die Löhne nicht und rufen Tod für Amerika, aber wir wissen, unser Feind ist hier“, „Rouhani, du Lügner, wohin sind deine ganzen (Krisen-)Antworten“ sowie „Tod der Mafia“.

Vor wenigen Tagen protestierten Studierende an der Teheraner Universität gegen eine Repressionskampagne des Regimes namens „Hijab und Keuschheit“, mit der im Fastenmonat Ramadan eine strengere Einhaltung der Verschleierungspflicht erzwungen werden soll. Und auch hier war ein Slogan wieder zu hören, der direkt an das Berliner Auswärtige Amt gerichtet sein könnte: „Prinzipalisten, Reformisten – eure Intrige ist gescheitert“. Nicht nur an den Universitäten – tagtäglich kommt es auf der Straße zu Konfrontationen zwischen den Regimeschergen und Frauen, die gegen den Hijabzwang verstoßen. Das erfreuliche ist, dass die frömmelnden Tugendterroristen mehr und mehr verlassen wirken; das höchst unerfreuliche ist, dass sie den Staatsapparat und die Verfassung der Islamischen Republik hinter sich wissen und nach wie vor das Einfühlungsvermögen europäischer Politikerinnen, die ihr Haar auf Iran-Reisen devot verschleiern. Jüngst sprach einer der Minister von Hassan Rouhani über einen „feindlichen Plot“ angesichts junger Schülerinnen, die zu den angesagtesten Songs aus der iranischen Diaspora tanzen. „Ihr seid keine amerikanische Kolonie. Macht euch auch nicht dazu“, müsste Klaus Ernst die jungen Iranerinnen ermahnen.

In die iranischen Krisenprovinzen Khuzestan und Lorestan, beide im vergangenen Jahr Zentren der Straßenproteste, sind inzwischen Teile der Shiah-Milizen aus Syrien und den Irak – unter ihnen etwa die afghanische Hezbollah namens Liwa Fatemiyoun – eingedrungen. Der Vorsitzende des Teheraner Revolutionsgerichts, Musa Ghazanfarabadi, sprach unlängst offen aus, dass jene Shiah-Milizen der „Achse des Widerstandes“ die Verteidigung der „Islamischen Revolution“ übernehmen, sobald die „inneren Kräfte“ darin zu scheitern drohen. Dem Regime die Finanzierung dieser Konterarmee zu erschweren, ist im Interesse aller freiheitsliebenden Menschen im Iran. Es ist ein antimilitaristisches Gebot – und nicht der Ruf nach der Grabesruhe, hinter dem die Kollaborateure der Mörder sich moralisch aufplustern. Während die Europäer den „ehrlichen Makler“ mimen und die US-Amerikaner die Allianz mit der saudischen Shariah-Konkurrenz des Irans verstärken, kann unsere Parteinahme nur eine für jene Frauen im Iran sein, die den Hijab abwerfen und wie Yasaman Aryani von den Revolutionswächtern entführt werden; für jene streikenden Arbeiter, die wie Esmail Bakhshi gefoltert und als Figuren einer feindlichen Verschwörung denunziert werden; für Nasrin Sotoudeh, der 38 Jahre Haft und 148 Peitschenhiebe drohen aufgrund von „Aufwiegelung zur Korruption und moralischer Ausschweifung“, Verstoß gegen den Hijabzwang und Zugehörigkeit zu einer „illegalen Gruppierung“ (gemeint ist der Verein der Menschenrechtsverteidiger, der gegen die Todesstrafe eintritt). Diese Despotie muss fallen.