Eine
schlankere Variante erschien zuerst in der Jungle World 04/2016.
Einen Tag
nach dem jüngsten suizidalen Massaker in Istanbul wendete sich
Erdoğan dem eigentlichen Staatsfeind zu und drohte jenen Professoren
und Doktoranden türkischer Universitäten, die in einem
antimilitaristischen Aufruf ein Ende der staatlichen Aggression im
Südosten verlangen: „Ihr seid keine Intellektuellen, ihr seid
ignorant und dunkel, ihr wisst nichts über den Osten oder den
Südosten. Wir kennen diese Region so gut wie eure Wohnadressen.“
Unlängst begannen in der Provinz Kocaeli Verhaftungen von
Mitunterzeichnern, sie hätten sich der „Propaganda für eine
terroristische Organisation“ sowie der „Beleidigung der
türkischen Nation, des Staates, seiner Institutionen und Organe“
schuldig gemacht.
Aus Erdoğan
spricht nicht nur der Hass auf den Intellekt, der sich nicht als
Brüllvieh hingibt – abtrünnig, die Einheit untergrabend und als
gefühlter Dolchstoß juristisch denunziabel -, es spricht aus ihm
auch die narzisstische Kränkung, dass er sich von Geistesmenschen
aus dem Überbau einer anachronistischen Republik über den Südosten
belehrt fühlt. War es doch Erdoğan selbst, der Türken und Kurden
als Brüder bei territorialer Integrität des einen Vaterlandes
einigen wollte, der dem Südosten den Qur'an auf Kurmancî schenkte
und dem morgendlichen Treueschwur aller Schüler auf die zu
verinnerlichende Türkisierung, "Wie glücklich derjenige, der
sagt: Ich bin Türke" (Andımız), ein Ende machte. Als die
Erweckungsbewegung des politischen Islam Millî Görüş in den
1970ern ihre ersten Parteien hervorbrachte, etablierten diese sich
zunächst vor allem im feudalen Südosten. Das tausendjährige Millet
der Muslimbrüder, die Nation geboren aus einem Glauben, versprach
den dem Türkisierungsregime Unterworfenen eine Versöhnung mit dem
Staat.
Unter Erdoğan
deckte das vorgetäuschte Aufknacken nationalistischer Dogmen die
Entmachtung der laizistischen Traditionalisten in Militär und den
Apparaten. Und während die Repression gegen die organisierte
Opposition anhielt – die Barış ve Demokrasi Partisi gibt 7.748
Verhaftungen zwischen April 2009 und Oktober 2011 an -, vertrauten
einige dem Friedensversprechen Erdoğans, mit dem er gegen die
Traditionalisten polemisierte. Abdullah Öcalan näherte sich der
Rhetorik der Muslimbrüder an, als er bei seiner Newroz Ansprache im
März 2013 vor einem tausendjährigen Leben „unter der Flagge des
Islam“ und nach dem „Gesetz von Brüderlichkeit und Solidarität“
sprach. Das Anschmiegen Öcalans an die neo-osmanische Propaganda
traf zugleich auf entschiedene Kritik. Vor allem Aleviten
protestierten vehement angesichts der tausendjährigen Verfolgung
religiöser Minoritäten: ... die Deportationen der Kızılbaş unter
Sultan Bayezid II.; die Massaker an den Êzidî unter Süleyman I.;
die vom selben Sultan angefragte Fatwa des Großmufti Ebu Suud, nach
der es religiöse Pflicht sei, Aleviten zu töten; die
antiarmenischen Massaker unter Abdülhamid II., einem Idol Erdoğans.
Während der Revolte der säkularen Jugend im selben Jahr blieb es im
Südosten weitgehend still, viele fürchteten, dass auf das Regime
der Muslimbrüder wieder ein Regime von Gnaden des Militärs folgen
könnte. Bei Sırrı Sakık von der Barış ve Demokrasi Partisi
schlug die nicht unbegründete Skepsis in die Identifikation mit dem
Aggressor um, er forderte die Zerschlagung der Proteste als Keim
einer Verschwörung nationalistischer Kontras, während viele seiner
Istanbuler Genossen an diesen teilnahmen. Doch so wenig wie
Nationalisten die Revolte vereinnahmen konnten, so wenig war der
Südosten durch neo-osmanische Nostalgie zu befriedigen. Als in Lice
in der Provinz Diyarbakır ein junger Mann bei antimilitaristischen
Protesten sein Leben verlor, solidarisierten sich die Revoltierenden
in Istanbul unter dem Banner „Taksim, Lice, Schulter an Schulter“
(Taksim Lice omuz omuza). Im selben Jahr etablierte sich die
Halkların Demokratik Partisi als Dachorganisation beider Bewegungen;
sie versteht sich ausdrücklich auch als Organisationskern für
Betroffene tugendterroristischer Verfolgung wie Homo- und
Transsexuelle.
Blieb vom
Glücksversprechen der von Mustafa Kemal etablierten
Modernisierungsdiktatur, "Wie glücklich derjenige, der sagt:
Ich bin Türke", vor allem der Zwang zur Türkisierung, während
die feudale Blutsurenge weiterhin über den Einzelnen herrscht und
das ökonomische Elend anhält, verspricht die Despotie der
Muslimbrüder Gleichheit im Millet der Gläubigen. Doch die
Gleichheit kann nicht anders als negativ realisiert werden. Die
Muslimbrüder denken den Staat als Familie und ihren Atatürk, Tayyip
Recep Erdoğan, als strengen Vater, wo doch die patriarchalische
Familie nur als Staat gedacht werden kann und die Muslimbrüder die
Zwänge der Blutsurenge zur Tugend erheben. Die Gleichheit im Millet
wird schließlich konkret in der Ungleichheit der Anderen: der
Ungläubigen und Abtrünnigen. Während der feierlichen Einweihung
des Selahaddin Eyyubi Havalimanı in Yüksekova begründete Ahmet
Davutoğlu die Entscheidung, den Flughafen in der südöstlichsten
Provinz Hakkari nach dem kurdischstämmigen Sultan, der im Jahr 1187
Jerusalem einnahm, zu benennen: „Ja, das ist unser Führer. Ja, das
ist das Symbol unserer Einigkeit. Alle, die behaupten, Jerusalem ist
die heilige Stadt der Juden, sollen sich dafür schämen.“ Der
Judenhass, kombiniert mit antiarmenischer Paranoia, ist der
ideologische Kitt auch der Muslimbrüder und verhält sich
komplementär zum eigenen imperialen Wahn.
Doch allein
durch den Begriff des Wahns erschließt sich die Ideologie der
Muslimbrüder nicht. Sie gewinnen ihr Brüllvieh nicht oder
wenigstens nicht allein aus der Prekarisierung ihres Klientels; viel
mehr verschränken sie moralische Erbauung und islamistische
Verhetzung mit der Aussicht auf ökonomische Karriere. Sie haben ein
Ideal von der Ökonomie als Ameisenkollektiv und von der Gewalt des
Souveräns als väterliche Erziehung zu Disziplin und Frömmigkeit im
Gebet wie in der Fabrik. Erdoğan befindet sich dabei in Tradition
des Begründers der Erweckungsbewegung Milli Görüş, Necmettin
Erbakan, der sich in einem gleichnamigen Traktat aus dem Jahr 1975
fragte, wie denn das türkische Vaterland, als Nabel des gewaltigen
Osmanlı İmparatorluğu, so verkümmern konnte. Erbakan fand die
Antwort einerseits in der Entfremdung vom Islam und andererseits in
der perfiden Nachahmung arabischer Techniken der Naturbeherrschung
durch das Millet der Ungläubigen. Seine zentrale Forderung war
folglich „Wieder eine große Türkei“: Industrialisierung und
moralische Überformung der Ökonomie durch einen türkisierten
Islam. Die Identifikation mit der Despotie der Muslimbrüder erfolgt
nicht allein über die Zugehörigkeit zu dem Millet der Gläubigen,
sie ist verschränkt mit dem Versprechen, das zugleich eine
Erpressung ist, in absoluter Loyalität und im Gottesdienst am
Kapital doch noch zu Prestige und zu mehr als Brotkrümel zu kommen.
Sie hätten
Yüksekova hunderte Kilometer Asphalt geschenkt, so Erdoğan bei der
Einweihung des Selahaddin Eyyubi Havalimanı. Gebracht hat es ihnen
dort nichts. Davutoğlu und Erdogan sprachen vor einem Jubelvieh aus
tausenden Staatsbediensteten, während unweit der Inszenierung
Kanister an Reizgas geleert wurden. Nahezu 94 Prozent vereint die
Halkların Demokratik Partisi in Yüksekova auf sich. Was die
Despotie der Muslimbrüder in diesen Tagen in den abgeriegelten
Distrikten des Südostens verfolgt, ist nicht der staatsloyale Kurde,
der buckelt und sich über das Urnengrab beugt. Sie verfolgt jene,
die Misstrauen provozieren, anderes mit ihrem Leben vorzuhaben, als
„die Generation von 1071“ (Erdoğan im Bezug auf das
mystifizierte Jahr, in dem die muslimischen Selçuklular den
Byzantinern ein erstes militärisches Debakel beibrachten) zu sein,
oder als Nachkommen von Selahaddin Eyyubi Jerusalem und Damaskus
einzunehmen. Die Muslimbrüder kommen über die Religion zu denselben
Konsequenzen für die Abgefallenen des Vaterlandes. Wie nur der eine
Gott existiert, so haben auch nur ein Staat, eine Flagge, eine Partei
zu existieren. Das Gerücht, das die Muslimbrüder zur Propaganda
machen, fingiert Oppositionelle zu Ungläubigen, „Fremden unter
uns“ oder, wie Erdoğan jüngst über die abgefallenen
Intellektuellen sagte, zu „Relikten der Mandatsmächte“.
Star,
ein boulevardeskes Organ des Regimes, denunziert die
militante Jugend im Südosten als „Kreuzfahrer“ und beruft sich
auf die Kollaborateure der Konterguerilla unter den Autochthonen.
Während in Sur, dem historischen Diyarbakır, die Konterguerilla
eine Straße nach der anderen schlachtet, ruft im Star die politische
Vertretung der Dorfschützer, die Assoziation anatolischer
Dorfschützer und Familien der Märtyrer (Anadolu Köy Korucuları ve
Şehit Aileleri Konfederasyon), zur Einheit und Solidarität gegen
„die Gottlosen“ der PKK mit „ihrer Mentalität von
Kreuzfahrern“ auf. Die Dorfschützer sind eine quasi-staatliche
Institution der Konterguerilla, gegründet im Jahr 1985 unter Turgut
Özal nach einem historischen Vorbild im Südosten: den Hamidiye
Regimentern. Mit diesen sicherte sich der Blutsultan Abdülhamid II.
ab 1891 die Loyalität der Aşirets, der kurdischen Stammesverbände,
indem er ihre Raubökonomie und Bandenkonkurrenz in den Staatsauftrag
der Niederhaltung armenischer Aufstände integrierte. Bei der Serie
an Massakern an Armeniern unter Abdülhamid II. (1894–1896) wüteten
die Hamidiye Regimenter vor allem in den heutigen Provinzen Erzurum,
Bitlis, Diyarbakır und Şanlıurfa.
Die heutigen
Hamidiye, die Institution der Dorfschützer, funktionieren nach
ähnlichen Mechanismen. Unter Absolution des Souveräns, das
Staats-Racket, konnten sie eine Ökonomie aus Zwangsenteignung von
Landflächen, räuberischer Erpressung und Schmuggel von Opiaten
installieren. Mit vom Staat ausgehändigten Knarren werden Morde an
einigen der verbliebenen assyrischen Christen und Êzidî zur
Abschreckung aller begangen, Stammesfehden ausgetragen und Abtrünnige
hingerichtet. Auch aus Dorfschützern rekrutieren sich die
subunternehmerischen Todesschwadronen des Staates wie die
berüchtigten Hançer Timleri, benannt nach einem osmanischen
Krummdolch. In der Dorfschützerprovinz Bingöl vereint die AK Parti
Erdoğans nahezu 65 Prozent auf sich; ganze Distrikte hängen am
finanziellen Tropf des Dorfschützersystems.
Während
in den militärisch abgeriegelten Distrikten Cizre, Silopi und Sur
die Leichen Getöteter tagelang gehortet werden, weil die ständige
Drohung durchs Schrapnell Beerdigungen verunmöglicht, trugen Erdoğan
und Davutoğlu jüngst einen der Ihrigen zu Grab. Der an einem
Herzinfarkt verstorbene Hasan Karakaya gehörte zur Kortege Erdoğans
bei dessen Staatsbesuch in Saudi-Arabien. Ohne zu zögern brach
Erdoğan den Besuch ab und eskortierte den Toten nach Istanbul.
Während der Beerdigung am 31. Dezember hob Erdoğan Erde aus, las
aus dem Qurʼan und trug mit Davutoğlu und anderen den Sarg. Einiges
an Prominenz verneigte sich vor dem Toten: die AK Parti und Minister
aller Ressorts kondolierten, der Staatsfunk TRT und Redakteure
regimeloyaler Gazetten wie Takvim, Yeni Şafak oder Star, die
Albayrak Holding verwandt und verschwägert mit der Familie Erdoğan,
aber auch Mahmut Ustaosmanoğlu von dem İsmail Ağa Cemaat, das aus
dem Istanbuler Mahalle Çarşamba ein gefühltes Talibanistan gemacht
hat, Bülent Yıldırım von der İHH, einer Fundraising-Organisation
der syrischen al-Qaida, sowie Salih Mirzabeyoğlu, Gründervater der
zerschlagenen İBDA-C, die in Berufung auf Necip Fazıl Kısakürek,
einem Idol Erdoğans, einen „Islamischen Großen Osten“
terroristisch erzwingen wollte. Hasan Karakaya war augenscheinlich
einer der Intellektuellen, die sich um das Vaterland verdient gemacht
haben. Als jemand, dem die Shoah als „zionistisches Geschwätz“
galt, war er bis zu seinem Tod verantwortlicher Redakteur der Yeni
Akit und ihrer Vorgängerin Anadolu’da Vakit. Dieses Organ der
Milli Görüş, das Adolf Hitler und Osama Bin Laden als Männer mit
„Weitblick“ preist, kennt wie Erdoğan die Namen und Adressen
seiner Feinde: Mit einer neun-kalibrigen Glock und unter dem Gebrüll
„Allahu Ekber“ wurde am 17. Mai 2006 der traditionslaizistische
Richter Mustafa Yücel Özbilgin kaltblütig ermordet. Im Konflikt um
den Bann des Türbans an türkischen Universitäten hatte die Gazette
zuvor Namen und Fotografien laizistischer Richter veröffentlicht;
der Mörder rief bei seiner Überwältigung „Wir sind Enkel der
Osmanen, Soldaten Allahs“ (Osmanlı’nın torunlarıyız, Allah’ın
askerleriyiz).
In Silopi,
das bis zum 19. Januar vollständig abgeriegelt war, beschallte die
militarisierte Polizei die Eingeschlossenen mit dem Mehter Marşı,
den Marsch der osmanischen Yeñiçeri Ocaġı, der einstigen
Leibgarde der Sultane. Nach Explosionen erfolgte ein drohendes
„Allahu Ekber“. Die Despotie der Muslimbrüder absorbiert mit
ihrer Eskalationsstrategie im Südosten die ideologischen Milieus
aller, die sich eins sind im Hass auf die Abtrünnigen des
Vaterlandes. Die Nation konstituiert sich als Millet der Verfolger.
Jüngst erklärte Doğu Perinçek, türkisches Idol Jürgen
Elsässers, Genozidleugner und ein Relikt laizistischer Nationalisten
(Ulusalcılık) mit den starren Prinzipien: Schuldumkehr - pathische
Projektion - Paranoia, die Einheit mit den „religiös
Konservativen“ Erdoğans zur „patriotischen Front“. Die
zerschossenen Fassaden in den abgeriegelten Distrikten tragen die
Schlachtrufe dieser Staatsfront: Ermeni Piçleri, „Armenische
Bastarde“, ist jene Reviermarkierung, die alle Rackets der
Konterguerilla, Graue wie Grüne Wölfe, vereint.
„Leben
nicht der Tod“ (Ölüm Değil Yaşam), „Frau - Leben - Freiheit“
(Jin Jiyan Azadî), Proteste in Diyarbakır ©Tolga Sezgin/NarPhotos
Im Südosten
herrscht kein Kampf der Völker, es ist ein Kampf gegen eine
Despotie, die, wo sie zu sich kommt, keine Abtrünnigen, keine
Dissidenz mehr duldet. Während Protestierende in Diyarbakır und
anderswo - „Leben nicht der Tod“ , „Frau - Leben – Freiheit“
- rufen, dauert die Serie politischer Morde an. In der Nacht vom 04.
auf den 05. Januar wurden in Silopi die Kommunalpolitikerinnen Sevê
Demir, Pakize Nayır und Fatma Uyar hingerichtet. Selma Irmak,
Abgeordnete der Halkların Demokratik Partisi, weiß um die
internationale Konstellation der Morde: „Wir werden nicht vor der
Ideologie von Daʿish kapitulieren … weder vor dem Staat noch vor
Daʿish ... Das Massaker von Paris wiederholte sich in Silopi.“
Während es noch nahezu hundert Kilometer entlang der
türkisch-syrischen Grenze sind, einschließlich ihrer logistischen
Ader Cerablus, die Daʿish, so das arabische Akronym des „Islamischen
Staates“, weiterhin ungehindert kontrolliert, wird das östlich vom
Euphrat liegende und von der De-Facto Armee Syrisch-Kurdistans
gehaltene Tel Abyad von türkischer Artillerie terrorisiert und der
westlichste Kanton Syrisch-Kurdistans, Efrîn, von Jabhat al-Nusra
und Ahrar al-Sham bedrängt. Der Säkularist Can Dündar ist
inhaftiert, weil er in der republikanischen Gazette Cumhuriyet der
türkischen Flanke dieser syrischen al-Qaida nachging.
Aus
der demokratischen Legitimierung der Despotie der Muslimbrüder ist
nicht zu folgern, es gebe in der Türkei keine entschiedene
Opposition, keinen Widerstand mehr. An türkischen Universitäten
häufen sich die Konfrontationen,
wenn Fundraising-Organisationen für die syrische al-Qaida und ihre
Offshoots Werbestände aufmachen. Vor allem die staatsnahe, aus dem
Milieu der Muslimbrüder kommende İHH, die dem deutschen Professor
Dr. Norman Paech vor einigen Jahren noch das unvergessliche Gefühl
auf einem Basar zu sein beschert hat, gerät in die Kritik im
Handgemenge. Wie am Jahrestag der Ermordung von Hrant Dink: die
Kritiker der Despotie sind nie verstummt, aller höchstens (und das
aus naheliegenden Gründen) desillusioniert, doch sie werden (und das
ist gesichert) gänzlich alleingelassen. Gälte es doch einzig das
Geringste und Banalste auf sich zu nehmen: Solidarität zu üben.
„Dem
Faschismus zum Trotz, du bist mein Bruder Hrant“ (Faşizme inat
kardeşimsin Hrant), Gedenken an den am 19. Januar 2007 ermordeten
armenischen Publizisten Hrant Dink in Istanbul ©Tolga
Sezgin/NarPhotos
Wo
die türkische Kollaboration mit der syrischen al-Qaida zur
Repatriierung Geflüchteter noch zu wenige davon abhält, nach Europa
zu gelangen, wollen einige Europäer die Despotie der Muslimbrüder
als das verabsolutieren,
wonach der europäische Abschiebeapparat und die türkische
Propaganda zugleich verlangen: zu einem Souverän, dessen väterliche
Liebe keiner zu fürchten habe, außer diejenigen, die den Vater
nicht ehren. Zugleich kriminalisiert der griechische Staat im
Interesse aller noch jene, die den unterkühlten, dehydrierten,
beinahe ertrunkenen Geflüchteten beikommen. Die vorgebrachte
Empörung über die Forderung nach dem Schießbefehl ist die
pseudohumanistische Camouflage einer ganz konkret mörderischen
Dezimierungspolitik, die von allen vorangetrieben wird, während im
Südosten der Türkei die nächste Katastrophe Trümmer auf Trümmer
häuft.
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