Die
Islamische Republik Iran wirbt - anders als ihre sunnitische
Entsprechung: „Islamischer Staat“ aka Daʿesh - nicht in Fanzines
mit Köpfungen, die Ayatollahs posieren nicht mit abgeschnittenen
Köpfen als Trophäen, sie beeindrucken viel mehr Außenstehende mit
interkulturellem Dialog, theologischer Expertise, Städteaustausch
und natürlich Exportaufträgen. „Apostaten“ und „Ungläubige“
mordet die khomeinistische Despotie mit mehr Diskretion – das vor
allem ist der Unterschied zu Daʿesh. Inhaftierte Regimekritiker im
Iran skizzieren ihre Arrestzellen als Särge und exakt das sind sie
nicht allein aufgrund ihrer Größe (im Trakt 209 des in der
nördlichsten Peripherie Teherans gelegenen Zendān Evin haben diese
Särge die Größe 1 x 2 Meter). In ihnen soll jede Dissidenz, jede
Kritik verstummen. Selbst von dem Dahinsterben soll nicht erzählt
werden. Zahra Kazemi wurde zu Tode gefoltert, allein weil sie von
außen Evin, diese Fabrik sadistischer Qualen, fotografiert hat. Doch
keiner kann sagen, er wüsste nicht, was dort passiert, die
Biografien der Überlebenden, etwa von Monireh Baradaran und Reza
Ghaffari, oder die herausgeschmuggelten Briefe der Toten schildern
dieses System der Vernichtung bis ins Detail. Und keiner kann sagen,
er wüsste nicht, was in Mahabad und anderswo passiert.
Denn nicht,
dass die Grabesruhe nicht andauernd durchbrochen wird. Die Islamische
Republik Iran kann sich seit der ausgebluteten Revolte von 2009
allein noch auf ihren Repressionsapparat verlassen - und auf die
pathische Indolenz der Menschheit. In Mahabad (Iranisch-Kurdistan)
stürzte sich am 4. Mai eine junge Frau namens Farinaz Khosravani aus
der vierte Etage eines Hotels, um der Vergewaltigung durch einen
Regimeagenten der Islamischen Republik zu entkommen. Seitdem wird in
Mahabad und anderswo in Iranisch-Kurdistan gegen die systematische
Aggression der khomeinistischen Despotie gegenüber Frauen
protestiert – und seitdem ist jene Despotie gezwungen, die Stadt
militärisch abzuriegeln und als erstes die Sprachkommunikation der
Revoltierenden in Mahabad nach außerhalb zu kappen, um den Aufstand
im wahrsten Sinne des Wortes totzuschweigen. Das Hotel, vor dem auch
die deutsche Flagge gehisst war (irgendwo müssen auch die
Handelsvertreter deutscher Repressionstechnologien nächtigen),
brannte nieder. Circa 700 Protestierende sind allein am 7. und 8. Mai
in Mahabad inhaftiert worden. Viele unter ihnen wurden aufgegriffen
als sie mit schwersten Verletzungen die Spitäler der Stadt
aufgesucht haben.
Doch
die Solidarität mit den Aufständischen von Mahabad begrenzt sich
weitgehend auf andere Teile Kurdistans. In Sardasht, südlich von
Mahabad, riefen Protestierende „Mahabad
ist nicht allein, wir sind Farinaz“und
in Sanandaj „Frau
- Leben - Freiheit“ -
bevor die Regimeschergen auch sie attackierten. Im türkischen
Yüksekova, direkt an der Grenze zum Iran liegend, trug das Banner
der Protestierenden die Aufschrift: „Tod
dem Regime im Iran, es lebe die Freiheit der Frau“.
Die Frauenorganisation der Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK
(„Partei für ein freies Leben in
Kurdistan“) erklärte unzweideutig,
dass dies „nicht der Angriff eines einzelnen Mannes“ war, viel
mehr „ein systematischer staatlicher Angriff“. „Bis dieses
Denksystem nicht bekämpft wird, wir uns nicht organisieren, bilden
und die kollektiven Verteidigungskräfte entwickeln, ist unser aller
Leben bedroht und jeden Tag wird es eine andere Frau treffen.“ Mit
ihrem militanten Flügel, Hêzên Parastina Jinê – HPJ
(„Selbstverteidigungseinheiten der Frauen“), ruft sie folglich
zur Selbstverteidigung gegen den „Frauenfeind“ Islamische
Republik Iran auf und erinnert auch an die Morde an Reyhaneh Jabbari
(im Iran hingerichtet, weil sie ihren Vergewaltiger getötet hat) und
Farkhunda Malikzada (in Folge des Gerüchtes, sie hätte einen Koran
verbrannt, von einem Kabuler Mob gesteinigt) sowie an die
Säureattacken in Isfahan.
Während
in Berlin die politische
und ökonomische Kollaboration mit
der khomeinistischen Despotie wieder mit aller Unverfrorenheit
aufgenommen wird, droht in Mahabad dasselbe wie den Revoltierenden
aus dem Jahr 2009. Sie und die Wenigen, die mit ihnen sind, werden
allein gelassen und somit den Bestialitäten der khomeinistischen
Schlächter überlassen. Erinnern wir uns also daran, dass das Regime
den Tod eines jeden verfolgt, der sich entschlossen hat, sich
militant gegen diese klerikale Despotie zu organisieren. Erinnern wir
uns, dass unseren Freundinnen und Freunden im Iran in jeder Sekunde,
die wir hier passiv bleiben, der Atem abgeschnürt wird. Doch
erinnern wir uns nicht länger daran. Beginnen wir von nun an - Seite
an Seite - mit ihnen zu kämpfen. Lasst unsere Solidarität eine
kosmopolitische sein.
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