Dienstag, 12. Mai 2015

Mahabad darf nicht allein bleiben – Flugschrift in Solidarität mit den Aufständischen in Iranisch-Kurdistan


Die Islamische Republik Iran wirbt - anders als ihre sunnitische Entsprechung: „Islamischer Staat“ aka Daʿesh - nicht in Fanzines mit Köpfungen, die Ayatollahs posieren nicht mit abgeschnittenen Köpfen als Trophäen, sie beeindrucken viel mehr Außenstehende mit interkulturellem Dialog, theologischer Expertise, Städteaustausch und natürlich Exportaufträgen. „Apostaten“ und „Ungläubige“ mordet die khomeinistische Despotie mit mehr Diskretion – das vor allem ist der Unterschied zu Daʿesh. Inhaftierte Regimekritiker im Iran skizzieren ihre Arrestzellen als Särge und exakt das sind sie nicht allein aufgrund ihrer Größe (im Trakt 209 des in der nördlichsten Peripherie Teherans gelegenen Zendān Evin haben diese Särge die Größe 1 x 2 Meter). In ihnen soll jede Dissidenz, jede Kritik verstummen. Selbst von dem Dahinsterben soll nicht erzählt werden. Zahra Kazemi wurde zu Tode gefoltert, allein weil sie von außen Evin, diese Fabrik sadistischer Qualen, fotografiert hat. Doch keiner kann sagen, er wüsste nicht, was dort passiert, die Biografien der Überlebenden, etwa von Monireh Baradaran und Reza Ghaffari, oder die herausgeschmuggelten Briefe der Toten schildern dieses System der Vernichtung bis ins Detail. Und keiner kann sagen, er wüsste nicht, was in Mahabad und anderswo passiert.

Denn nicht, dass die Grabesruhe nicht andauernd durchbrochen wird. Die Islamische Republik Iran kann sich seit der ausgebluteten Revolte von 2009 allein noch auf ihren Repressionsapparat verlassen - und auf die pathische Indolenz der Menschheit. In Mahabad (Iranisch-Kurdistan) stürzte sich am 4. Mai eine junge Frau namens Farinaz Khosravani aus der vierte Etage eines Hotels, um der Vergewaltigung durch einen Regimeagenten der Islamischen Republik zu entkommen. Seitdem wird in Mahabad und anderswo in Iranisch-Kurdistan gegen die systematische Aggression der khomeinistischen Despotie gegenüber Frauen protestiert – und seitdem ist jene Despotie gezwungen, die Stadt militärisch abzuriegeln und als erstes die Sprachkommunikation der Revoltierenden in Mahabad nach außerhalb zu kappen, um den Aufstand im wahrsten Sinne des Wortes totzuschweigen. Das Hotel, vor dem auch die deutsche Flagge gehisst war (irgendwo müssen auch die Handelsvertreter deutscher Repressionstechnologien nächtigen), brannte nieder. Circa 700 Protestierende sind allein am 7. und 8. Mai in Mahabad inhaftiert worden. Viele unter ihnen wurden aufgegriffen als sie mit schwersten Verletzungen die Spitäler der Stadt aufgesucht haben.

Doch die Solidarität mit den Aufständischen von Mahabad begrenzt sich weitgehend auf andere Teile Kurdistans. In Sardasht, südlich von Mahabad, riefen Protestierende „Mahabad ist nicht allein, wir sind Farinaz“und in Sanandaj „Frau - Leben - Freiheit“ - bevor die Regimeschergen auch sie attackierten. Im türkischen Yüksekova, direkt an der Grenze zum Iran liegend, trug das Banner der Protestierenden die Aufschrift: „Tod dem Regime im Iran, es lebe die Freiheit der Frau“. Die Frauenorganisation der Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK („Partei für ein freies Leben in Kurdistan“) erklärte unzweideutig, dass dies „nicht der Angriff eines einzelnen Mannes“ war, viel mehr „ein systematischer staatlicher Angriff“. „Bis dieses Denksystem nicht bekämpft wird, wir uns nicht organisieren, bilden und die kollektiven Verteidigungskräfte entwickeln, ist unser aller Leben bedroht und jeden Tag wird es eine andere Frau treffen.“ Mit ihrem militanten Flügel, Hêzên Parastina Jinê – HPJ („Selbstverteidigungseinheiten der Frauen“), ruft sie folglich zur Selbstverteidigung gegen den „Frauenfeind“ Islamische Republik Iran auf und erinnert auch an die Morde an Reyhaneh Jabbari (im Iran hingerichtet, weil sie ihren Vergewaltiger getötet hat) und Farkhunda Malikzada (in Folge des Gerüchtes, sie hätte einen Koran verbrannt, von einem Kabuler Mob gesteinigt) sowie an die Säureattacken in Isfahan.


Während in Berlin die politische und ökonomische Kollaboration mit der khomeinistischen Despotie wieder mit aller Unverfrorenheit aufgenommen wird, droht in Mahabad dasselbe wie den Revoltierenden aus dem Jahr 2009. Sie und die Wenigen, die mit ihnen sind, werden allein gelassen und somit den Bestialitäten der khomeinistischen Schlächter überlassen. Erinnern wir uns also daran, dass das Regime den Tod eines jeden verfolgt, der sich entschlossen hat, sich militant gegen diese klerikale Despotie zu organisieren. Erinnern wir uns, dass unseren Freundinnen und Freunden im Iran in jeder Sekunde, die wir hier passiv bleiben, der Atem abgeschnürt wird. Doch erinnern wir uns nicht länger daran. Beginnen wir von nun an - Seite an Seite - mit ihnen zu kämpfen. Lasst unsere Solidarität eine kosmopolitische sein.

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