Keine
andere Firma ändert so häufig ihren Markennamen: ... al-Qaeda in
Iraq, Mujahideen Shura Council, Islamic State of Iraq, Islamic State
of Iraq and the Levant und nun, wo das Kalifat als finale
Unternehmung ausgeschrieben worden ist, Islamic State (1). Für
europäische Antiimperialisten dagegen hieß sie noch an anderen
Tagen, vereint mit jenen Koalitionären aus Nationaljihadisten (2)
und Baʿthisten, mit denen der IS jüngst Mosul eingenommen hat,
„Irakischer Widerstand“. Ihm widmeten die Antiimperialisten ihre
Solidarität. Das Gespräch,
das Wilhelm Langthaler vom „Campo Antiimperialista“ im Juli 2007
für das antizionistische Fanzine „Intifada“ mit dem Iraker
Abduljabar al-Kubaysi führte, ist nur eine unter vielen Apologien
des Jihads im Irak. Kubaysis Erzählung aber, wie al-Qaida,
rekrutiert aus jihadistischen Internationalisten, in weitgehend
geschlossene Stammes- und Clanstrukturen einsickern konnte, könnte
auch von kritischem Interesse sein.
Als
im Jahr 2003 ein drohender regime change ihr Interesse am Irak
provozierte wurde der Exil-Iraker Kubaysi so manchen europäischen
Antiimperialisten zu etwas wie ein Saddam Hussein zum Anfassen. Seit
1958 ein militanter Baʿthist drohte Kubaysi noch vor dem totalen
Zugriff Saddam Husseins auf die Partei der nationalen Wiedergeburt,
in Baʿth-internen Fehden aufgerieben zu werden, so dass er 1976 den
Irak zu verlassen gezwungen war und nunmehr im Damaszener Exil den
panarabistischen Parteiflügel repräsentierte. Nachdem er 1997 auch
Syrien verließ, zog es ihn 2002 aus dem europäischen Exil wieder in
den Irak, um dort in „einer Atmosphäre der Versöhnung mit den
irakischen Patrioten“ um Saddam Hussein die irakische Reaktion auf
einen drohenden regime change anzurichten. Von exilierten Genossen
wurde Kubaysi vorgeworfen, als Baʿth-Milizionär mitverantwortlich
zu sein für Morde an mehreren tausend Kadern und Sympathisanten der
Irakischen Kommunistischen Partei im Jahr 1963.
Kubaysi aktualisierte alsdann
die Todesdrohung an die Überlebenden von „al-Anfal“, jener
Militärkampagne, mit der die Baʿth-Despotie in den Jahren 1988 und
1989 das irakische Kurdistan überzog (3). Entweder würden sie der
Kollaboration mit den US-Amerikanern abschwören und sich dem
arabisch-islamischen Vaterland fügen oder sie werden für den Verrat
büßen. Auch Kommunisten, die den Islam als Identitätskitt der
Iraker bedrohen, markierte Kubaysi als Verräter und kitzelte damit
den völkischen Instinktiv seiner europäischen Kameraden.
Langthaler, einer der Initiatoren des Mordaufrufs „10 Euro für den
irakischen Widerstand“, enttarnte die
kommunistischen Dissidenten als Kulturzersetzer: Diese seien „was
ihre politische Tradition und Kultur betrifft, durch und durch
persisch“, an ihnen hafte der „Säkularismus der persischen
Intelligenz“.
Waren es
zunächst noch einstige Generäle und Offiziere Saddam Husseins, die
die irakische Straße mit Blut tauften, sprach Kubaysi im Gespräch
mit der „Intifada“ ohne jedes Bedauern aus, dass es nun womöglich
al-Qaida sei, die nunmehr „die stärkste Organisation des
Widerstands“ geworden ist. “Sie marschieren getrennt von allen
anderen“, so Kubaysi, doch gebe es „lokale militärische
Kooperation“ mit den Jihadisten. Es war als erstes Saddam Hussein,
so Kubaysi, der sich durch den Irak schlich, um Stammesälteste und
versprengte Offiziere zu kontaktieren, und den Loyalisten anbefahl,
Nation und Islam, nicht aber sein eigenes Konterfei zu Symbolen des
Widerstandes zu machen. Kubaysi würdigt die Askese der Jihadisten,
ihr „spartanisches Leben"“ in dem alles dem Jihad „geopfert
und untergeordnet“ werde. Durch einen nicht schwindenden Geldfluss
- dazu, wo dieser entspringe, sagte Kubaysi nichts - hätte
sich al-Qaida bei den sunnitischen Stämmen eingekauft, aus denen
sich noch zuvor – auch dazu sagt Kubaysi nichts - die Funktionäre
und Profiteure des Baʿth-Apparates rekrutiert hatten.
Der Baʿthist
Kubaysi nimmt al-Qaida von jeder Schuld an dem konfessionellen
Abschlachten aus. Die systematischen Morde an Schiiten seien keine
Strategie, viel mehr nur „einige wenige Reaktionen“ auf Morde
durch Schiiten, eine militante Defensive, die aber allen
„Vernünftigen unter den Schiiten“ wissen lässt: beendet die
Verdrängung der Sunniten aus Baghdad sowie die Kollaboration mit
US-Amerikanern und Iranern oder aber ihr werdet „die Verantwortung
dafür tragen müssen“. Heute bedarf der IS keiner Legitimation
mehr. Wo sie herrscht, werden religiöse Minoritäten identifiziert,
zur Konversion, Jizya oder Flucht gezwungen oder aber, bei
Nichtbefolgung, mit dem Tod bedroht.
Neben
dem USA und Israel sowieso markierte Kubaysi den khomeinistischen
Iran, die Hizbollah sowie ihre irakischen Satelliten als Todfeinde
des Iraks. Sie hätten Muqtada al-Sadr, dem klerikalen Ganglord aus
den schiitischen Slums im Nordosten Baghdads, zur Kollaboration mit
dem Kompradorenregime und zur Terrorisierung der Sunniten gedrängt.
Seine Mahdi-Armee, so Kubaysi, sei weitgehend von Iranern
infiltriert. Die Satelliten Irans würden nicht nur jeden töten
wollen, den sie verdächtigen, Baʿthist zu sein, sie würden auch
durch die Einschleppung von Prostitution und Rausch die kulturelle
Integrität der irakischen Stämme untergraben. Nicht, dass den
europäischen Antiimperialisten irgendetwas daran irritiert hätte,
was Kubaysi zu al-Qaida im Irak äußerte. Sie bewarben die virtuelle
al-Qaida wie „Jihad Unspun“ und horchten ehrfürchtig der
Erzählung eines Halsabschneiders, wie die baʿthistische
Todesschwadrone Saddam-Fedajin, die Opferbereiten Saddam Husseins,
die abgetrennten Köpfe getöteter US-Amerikaner als Trophäe
präsentierten. Viel mehr noch drohten im
deutschen Zentralorgan der „Irakischen Résistance“ jene für
Halabja und andere Bestialitäten verantwortliche „ehemalige
Generäle Saddam Husseins“ jedem mit dem Tod, der auch nur ein
Laken für einen US-Amerikaner falze: „Iraker oder nicht, es sind
Verräter.“ Am effizientesten, so die Apologeten des Todes, schlüge
die „Kamikaze“ zu, eine Todesschwadrone von etwa 5.000 Märtyrern,
die nur „einen mündlichen Befehl“ bräuchten, um den Irak nichts
als geschmolzenes Metall und dem beißenden Geruch nach verbranntem
Fleisch zu vermachen. Eine Rivalität der Baʿthisten zu den
Jihadisten hätte es allein darin gegeben, wer mehr US-Amerikaner und
ihre Kollaborateure tötete.
Der
Irak wurde wie in den 1980ern Afghanistan ein Laboratorium
jihadistischer Höllenhunde. Die Rache der sunnitischen Stämme
zwischen Haditha und Tikrit, Ramadi und Fallujah für die Verdrängung
aus den Funktionen des Apparates traf sich mit der
Generalmobilmachung salafistischer Jihadisten, die in den Ruinen der
Baʿth-Despotie das geeignete Terrain – ein extensives System von
Expresstraßen, das den ausschweifendem Gebrauch von IEDs (Improvised
Explosive Devices) und Kamikaze-Kommandos heraufbeschwörte -
vorfanden als auch die unter Saddam Hussein ausgereizte
konfessionelle Entzweiung von Shiah (schīʿat ʿAlī: „Partei
Alis“) und ahl as-sunna („Volk der Tradition“). Jihadistische
Internationalisten kamen zu Tausenden zur Bluttaufe des
post-baʿthistischen Iraks und gruben sich unter vielsagenden Namen
wie Brigades of Monotheism and Religious Conservatism, Conquering
Army, Assembly of the Helpers of Sunnah, Wakefulness and Holy War
oder Secret Islamic Army im Irak ein, während die geschlagenen
Baʿthisten und Loyalisten Saddam Husseins Mimikry betrieben und sich
in Rackets reorganisierten, die in ihrer Rhetorik kaum von den
Jihadisten zu unterscheiden sind. Izzat Ibrahim al-Duri,
baʿthistischer General und Saddams engster Vertrauter, etwa
organisierte mit den Sheikhs des berüchtigten Tarikats der
Naqshbandi eine gleichnamige Armee und die Armee Mohammeds fungierte
als militanter Flügel der versprengten irakischen Baʿth-Partei.
Unterdessen schnürte sich, toleriert von den US-Amerikanern, der
Zugriff der Khomeinisten auf die irakische Shiah weiter zu.
Schiitische Todesschwadronen von der Asa'ib Ahl al-Haq bis zur Mahdi
Army infiltrierten Polizei und Paramilitärs, jagen seither
Homosexuelle, Prostituierte, unverschleierte Gebärmaschinen sowie
unverheiratete Pärchen und markieren die verbliebenen Sunniten in
den schiitischen Viertels Baghdads als Sühneopfer dafür, dass
andauernd Schiiten durch die jihadistische Kamikaze in den Tod
gerissen werden. Während die Ruinen des Staatsapparates nur noch
mehr von Rackets der Shiah und folglich durch die Interessen der
khomeinistischen Despotie Iran ausgehöhlt werden, perfektioniert
al-Qaida und der IS die Technologien des Todes – allein
im vergangenen
Jahr kam
es im Irak zu 537 car bombings und 238 suicide attacks.
Im
syrischen Schlachten fanden sie sich alle wieder ein: die
schiitischen Apokalyptiker aus dem Irak, die Asa'ib Ahl al-Haq und
Kata'ib Hezbollah etwa, die der khomeinistische Iran zur Flankierung
der syrischen Ba'th-Despotie nach Syrien abkommandiert hat sowie ihr
verhasster Zwilling, die salafistischen
Jihadisten (4).
Es ist dabei ein antiimperialistischer Mythos, dass das Assad-Regime
für ein modernes, säkulares Syrien gegen die sunnitischen
Jihadisten einsteht. Phillip Smyth dokumentiert auf
Jihadology.net: Hizballah
Cavalcade ausführlich
wie in Syrien schiitische Jihadisten aus dem Libanon, dem Irak und
Iran aufmarschieren und für ein Überleben des Regimes ihr Leben
geben. Sowieso ist es ein Mythos, dass das Assad-Regime ein Garant
gegen die Islamisierung Syriens ist. Die Alawitisierung des
Ba'th-Regimes, das heißt: die Einnahme der zentralen
Funktionsstellen durch Angehörige der religiösen Minorität, ging
einher mit der Islamisierung der Alawiten, die flankiert vom
Küstengebirge vor allem im westlichen Gouvernement Latakia leben.
Das Misstrauen der sunnitischen Autoritäten und das aggressive
Agitieren der Muslimbrüder unter den vom Staatsapparat ausgesperrten
Sunniten zwang Hafiz al-Assad zur Selbstverleugnung. Die alawitische
Praxis wurde nunmehr diskriminiert und die religiöse Minorität der
Alawiten selbst einer Missionierungskampagne unterworfen.
Demonstrativ betete al-Assad von nun an in der Moschee. Sein Sohn
Bashar dagegen protegiert die Schiitisierung der Alawiten. Mit
Kapital aus dem khomeinistischen Iran entstanden in Syrien
Reliquienschreine schiitischer Heiligenfiguren, die jährlich von
tausenden regimetreuen Iranern aufgesucht wurden. Während die
Unterdrückung alawitischer Praxis andauerte bei simultaner
Inszenierung Assads als Protektor der Minoritäten, lockte die
Konversion zur Shiah mit Importbräuten aus dem Iran (siehe IZ3W,
#332/2012).
Auffallend
ist, dass sich der IS weniger an den Loyalisten Assads aufreibt, er
sich viel mehr darauf konzentriert, einerseits die islamistische
Konkurrenz in Grabenkämpfe zu zwingen und andererseits eines der
letzten Refugien Syriens einzunehmen, in dem der Irrsinn noch nicht
triumphiert hat: Syrisch-Kurdistan (Rojava). Sein Sozialwesen –
Körperamputationen plus Elektrizität – finanziert der Pseudostaat
über die kommenden Industrien des 21. Jahrhunderts: Okkupation von
Bohranlagen und Staudämmen mit anschließendem Verkauf der knappen
Ressourcen an die feindliche Zentralgewalt, Plünderung von
Bankreserven, Geiselnahmen (wobei die Wertigkeit etwa eines
nepalesischen Malochers bei nahezu null liegt, dieser also direkt dem
Scharfrichter zugestellt wird, ein Franzose oder Brite aber
Humankapital im wahrsten Sinne ist), Erpressung von religiösen
Minoritäten (islamisch legitimiert: Jizya) sowie natürlich
Fundraising und social Networking (siehe des
Weiteren: Tomasz Konicz). Die widersprüchlichen Interessen des
türkischen Regimes der Muslimbrüder, des syrischen Assad-Regimes
sowie des khomeinistischen Irans provozieren nur einen weiteren
Wildwuchs des Kalifats:
Erdoğan
toleriert den Zustrom von Jihadisten verschiedener
Bandenzugehörigkeit über türkisches Staatsterritorium nach Syrien.
Während in den vergangenen Monaten Geflüchtete und andere
Grenzgänger von türkischem Militär ermordet und
verstümmelt wurden, bewegen sich Jihadisten ungezwungen von einer
Seite zur anderen als wäre ihr postnationales Kalifat noch dieser
Tage Realität. Dem türkischen Regime sind die Jihadisten eine
nunmehr etablierte Methode, ein säkulares Kurdistan unter Druck zu
halten (5). Nahezu alle Organisationen des politischen Islams in der
Türkei mobilisieren unter dem Label „humanitarian aid“ für den
Jihad in Syrien: etwa Özgür-Der, Kalem-Der, İmkan-Der, Vahdet
Vakfı oder HÜDA-PAR. Allein die Yardım Vakfım alias İHH
(Foundation for Human Rights and Freedoms and Humanitarian Relief),
die regime-nahe Benefiz-Sparte von Milli Görüş, habe mehr als
hundert britische Jihadisten an die syrische Front geschleust sowie
hunderte junge Türken rekrutiert.
Währenddessen schraubt das Erdoğan-Regime die Blockade des
syrischen Kantons Kobanî, in dem über 200.000 Geflüchtete sich
aufstauen, weiter an (siehe etwa
die letzte UN-Resolution).
Das
Assad-Regime amnestierte noch zu Beginn der Revolte hunderte
Jihadisten mit dem Kalkül, diese würden die Opposition mehr
schädigen als es selbst bedrohen und natürlich um das Alibi
geliefert zu bekommen für das gnadenloses Vorgehen gegen jede
Opposition. Die berüchtigten barrel bombs, mit denen das
Assad-Regime anderswo kaum mehr hinterlässt als Ruinen und
Leichengestank, sparten die Frontverläufe des IS zunächst
systematisch aus. Es dauerte bis zur Einnahme Mosuls, also bis zur
Tangierung iranischer Interessen im Irak, dass Assad die befristete
Bombardierung der Kommandozentrale des IS im syrischen Raqqa
anbefahl. Der sich in die Länge ziehende Korso, auf dem die
Jihadisten ihre Beute aus dem Irak vorführten, war nicht
betroffen. In einem Gespräch mit
Mutlu Çiviroğlu charakterisiert Sipan Hemo, „commander-in-chief
of the People's Protection Units (YPG)“, die Interessen des
khomeinistischen Irans als Strategie einer weiteren Eskalation des
konfessionellen Konflikts. Die khomeinistische Despotie verfolge mit
ihr, sich als Souverän des schiitischen Halbmondes, der sich vom
Iran über den Irak bis zum Südlibanon erstreckt, zu installieren.
Der IS fungiert der khomeinistischen Despotie hierbei als
Komplementär. Es scheint in ihrem Interesse zu sein, dass es der IS
ist, die nun den Hass der irakischen Sunniten auf das schiitischen
Maliki-Regime in Baghdad orchestriert. Exemplifiziert die syrische
Katastrophe doch wie der IS noch die ideologisch engsten Verwandten,
etwa das al-Qaida-Geschwisterchen Jabhat al-Nusra, in Fehden aufreibt
und jede Opposition sprengt. Nach der Einnahme Mosuls und Bedrohung
Baghdads durch die Jihadisten drohte Teheran noch mit militärischen
Konsequenzen – und als Regionalpolizist wird der Iran inzwischen
auch in Washington D.C. und Berlin favorisiert. Doch bei großmäuligen
Drohungen blieb es dann auch. Iranische Drohnen kreisen über das der
irakischen Zentralgewalt entrissene Territorium, doch von
Bombardements der Karawanen aus Jihadisten und erbeutetem
Mordmaterial – M198-Haubitzen, Humvee's und andere US-amerikanische
Hochtechnologien – wurde bislang abgesehen.
Ohne diese
Zwieschlächtigkeit in den Interessen des türkischen
Muslimbrüder-Regimes, der Assad-Despotie sowie des khomeinistischen
Irans wäre es kaum zu dem Landgewinn des „Islamischen Staates“
gekommen. Die Pseudofront zwischen diesen Mimen wäre wahrlich als
Verschwörung zu charakterisieren, würde dadurch nicht verdunkelt
werden, dass der „Islamische Staat“ weniger das Produkt anderer
Interessen ist als das eines Racketisierungsprozess, dem viel mehr
mit den Kategorien Krise und Ideologie nachzugehen wäre. Die
Jihadisten sind die authentischen Liquidatoren einer absolut ruinösen
Modernisierung in den arabischen Staaten (und nicht nur dort), viel
mehr: einer Modernisierungsattrappe, dessen Einknicken auch nur durch
die Repression des al-Mukhabarat, der politischen Polizei, so lange
hinausgezögert werden konnte. Was sich an dem „Islamischen Staat“
exemplifiziert ist die Entgrenzung eines konfessionellen
Bandenwesens, welches zuvor noch national integriert war. Die
„Alawitisierung“ des syrischen Regimes oder die Sunnitisierung
des irakischen Baʿth—Regimes unter Saddam Hussein gehorchte dem
objektiven Zwang, sich eine absolut loyale Basis als Staatsmaterial
zu halten. Wurde der Staatsapparat auch konfessionalisiert, war die
herrschende Clique doch gezwungen, darüber den Schleier eines
überkonfessionellen syrischen oder irakischen Nationalismus zu
legen.
Die
Khomeinisten waren die ersten, die die beschädigte Modernisierung
liquidierten und sie verscharrten,wie die Kritiker ihrer Despotie,
auf den Totenäckern eines islamisierten Irans. Die khomeinistische
Despotie gehorcht - wie denn auch anders - den Imperativen
kapitalistischer Reproduktion und vereinnahmt die moderne Technologie
zum Zweck der Repression, doch ihr primärer Drang ist nicht mehr der
nach Anschluss an die Konkurrenz: sie verfolgt eine regressiv
versöhnte Ummah, die im Tod für den Imam das Unglück in der
kapitalistischen Konkurrenz austreibt. Die „Islamische Revolution“
im Iran 1979 brach nicht nur mit jedem Modernisierungsversprechen,
anders als etwa die auf Rhetorik begrenzte panarabische Ideologie der
Baʿth-Regime verfolgten die Khomeinisten von Beginn an die
Entgrenzung ihrer Despotie (6). In Folge des ersten al-Quds Tages
selbigen Jahres unterzog Imam Khomeini sich und der „Islamischen
Revolution“ einer radikalen Selbstkritik. Weder die
Revolutionsgarden noch er selbst hätten die Revolution konsequent zu
ihrem Ende geführt. Wenn doch, sie hätten jedes widersprechende
Wort zum Verstummen gebracht, über jeden Dissidenten gerichtet und
jede andere Partei als die ihrige zerschlagen. Wären sie konsequent
revolutionär, so Khomeini, existiere es nur noch eine Partei: die
Hezbollah, die Partei Gottes. Der von Khomeini ausgerufene al-Quds
Tag – und hier spricht sich der Antisemitismus wieder als die zum
Furor eskalierende Denkform der Konterrevolution aus – sollte das
Ende aller Inkonsequenz markieren. Von nun an, so Khomeini weiter,
folgen sie Imam Ali: „Er zog sein Schwert gegen die Verschwörer.
Es ist überliefert, dass er siebenhundert Juden an einem Tag tötete.
Die Verschwörer sind Ungläubige. Auch die Verschwörer in Kurdistan
sind Ungläubige.“ Was folgte war die Menschenschlacht mit dem
irakischen Ba‘th-Regime, eine durchs Exekutionskommando erpresste
Grabesruhe im Inneren, die Liquidierung der „Verschwörer“ in
Iranisch-Kurdistan wie im erzwungenen Exil – und jedes Jahr ein
Aufmarsch in Teheran und Beirut, London und Berlin, auf dem das Ende
des „Krebsgeschwürs“ Israel simuliert wird. Die Hezbollah
dagegen wurde nie „die einzige“ Partei der Muslime, wucherte aber
durch iranisches Geld, syrische Logistik und russische Artillerie zu
einem eigenen khomeinistischen Staat im Libanon. Der von ihr zu
verantwortende Body Count im Judenmord – etwa das AMIA bombing am
18. Juli 1994 im argentinischen Buenos Aires - brachte ihr
vorübergehend auch unter sunnitischen Antisemiten Prestige ein (6),
konnte aber über die konfessionellen Gräben (und den geopolitischen
sowieso) nicht täuschen. Seit dem Einmarsch der Hezbollah in Syrien
auf der Seite des “gottlosen” Assad-Regimes wird Hasan Nasrallah,
Generalsekretär der “Partei Gottes” und Ikone der „Achse des
Widerstandes“, nunmehr in salafistischen Predigten zwischen Kairo
und Karachi „Satan“ und nahezu sinngleich: „Sohn der Juden“
gerufen. Einzig im schmalen Gazastreifen verfügt der Iran noch über
sunnitische Satelliten: die Hamas sowie der Islamische Jihad, beide
dem Schoss der ägyptischen Muslimbrüder entkrochen, denen auch kaum
jemand anderes bleibt als der Iran. Zunächst verkalkulierte sich die
Hamas und verriet das Assad-Regime, um sich in die Abhängigkeit des
ägyptischen Muslimbrüder-Regimes zu begeben, das inzwischen von der
eigenen Repression eingeholt worden ist. Das heutige ägyptische
Militärregime führt die Hamas nunmehr als “terroristische
Organisation”, während das syrische Assad-Regime und die Hezbollah
die Hamas beschuldigen, die “wahre Achse des Widerstandes”
verraten zu haben und den syrischen Muslimbrüdern beizustehen. Und
dann war auch noch Katar, wo das Parteibüro der Hamas residiert,
gezwungen, nachdem Milliarden Dollar, mit denen das Emirat die
ägyptischen und tunesischen Muslimbrüder sponserte, versandet sind
und die syrische Hölle unersättlich in sich hineinfrisst, ihre
Generosität gegenüber der Hamas zu korrigieren. Das türkische
Regime der Muslimbrüder orchestriert einerseits die Hetze gegen
Israel. Mit Ritualmordlegenden bedient Erdoğan das antisemitische
Brüllvieh und beschuldigt Israel eines “systematischen Genozids”
an den Palästinensern – als wäre es nicht die Türkei, die als
Staat in der Ausrottung der anatolischen Christen gründet. Wie in
Syrien ergänzen sich hier türkische Staatspolitik und die
Graswurzel-Organisationen des Politischen Islam: Fehmi Bülent
Yıldırım, Präsident der notorischen İHH,visiert die
noch verbliebenen türkischen Juden an und droht ihnen, soweit sie
sich nicht von Israel distanzieren, mit Pogromen. Es war auch die
İHH, die die Attacken auf die israelischen Repräsentanzen in
Istanbul und Ankara koordinierte. Jüngst rief die
Organisation zu einer neuen Märtyrer Flottille nach Gaza auf.
Andererseits ist die Türkei als NATO-Staat daran gehindert (oder
auch nicht daran interessiert), jenes Mordmaterial zu liefern, mit
dem die Hamas ihren Jihad führt. Hierzu bedarf es nach wie vor dem
khomeinistischen Iran. Und so ist es iranische Technologie &
Logistik (BM-21 Grad, M302 rockets etc.), mit denen Hamas und PIJ
allen anderen einen Jihad aufoktroyieren, der nichts anders verheißt
als den Tod der Mikroben und Bakterien, welche ihnen die Juden sind,
und die tugendsterroristische Verwahrung der Eigenen.
Und so hat
endlich auch der Tod von 170.000 Menschen – begraben unter den
Fassbomben Assads oder hingerichtet durchs jihadistische
Kopfschusskommando – noch seinen Sinn, wenn auch einen
unmenschlichen, zynischen Sinn. Fotomaterial aus der syrischen oder
irakischen Hölle findet im Moment exzessiv Verwertung, um mit ihm
dem Objekt anzukreiden, wonach der zwanghaft Projizierende selbst
verlangt: den Tod des Anderen. Und so brüllen in diesen Tagen
„Israelkritiker“ durch die Straßen: „Chaibar, Chaibar, ya
yahud, dschaisch Mohammed saya'ud“ („Chaibar, Chaibar, oh ihr
Juden, die Armee Mohammeds wird wiederkommen“*) und „Hamas,
Hamas, Juden ins Gas“ und so marschieren potenzielle NSU-Opfer und
deutsche Nazis vereint gegen die „jüdische Bestie“. Und während
im hessischen Frankfurt die Polizei den Antisemiten das technische
Equipment überlässt und durch das Chassis „Kindermörder Israel“
und „Allahu Akbar“ dröhnt, werden Polizisten in Essen von
verhinderten Pogromisten als Zionisten beschimpft, weil diese eine
Synagoge abschirmen. Ohne dass an der syrischen Front der Tod durchs
Schrapnell und das konfessionelle Abschlachten im Irak auch nur für
einen Moment ruhen, finden sich im Hass auf die Emanzipationsgewalt
der Juden, den Staat Israel, alle wieder vereint. Solidarität mit
den Menschen, die in der Hölle Gaza zu leben gezwungen sind, würde
darüber trauern, dass das perfide Kalkül der Hamas wieder
aufgegangen ist, darüber, tote Kinder als Lebenselixier ihrer
Despotie zu produzieren. Solidarität mit den Palästinensern würde
nach dem Aufstand gegen die Hamas, den Islamischen Jihad und alle
anderen Rackets rufen, auf dass diese nie wieder ihre Artillerie
zwischen den Behausungen jener eingraben, deren Tode sie
propagandistisch verwerten.
Was
die Antizionisten in allen ihren Variationen – seien es nun die
veritablen Pogromisten des Alois-Brunner-Gedenkkorps oder die
Internationalisten aus der Kasseler Germaniastraße - den
Menschen androhen, die in Syrien zwischen Ba'ath-Despotie und ihrer
jihadistischen Konkurrenz aufgerieben werden, ist bei allen dasselbe:
nationale Souveränität. „Entscheidungen nur durch das syrische
Volk“, beharren etwa deutsche Nazis, bei denen unstrittig
ist, wer in Syrien dieses Abstraktum Volk konkretisiert: Bashar Hafez
al-Assad. Und das internationalistische „Solidaritätskomitee
für Syrien“ aus
Frankfurt macht seine Solidarität "mit dem syrischen Volk"
davon abhängig, inwieweit dieses "hinter seiner Führung“
stramm stehe. Assad widerstünde, so die Führerphantasie, sich der
Verantwortung durch den Gang in "ein 'goldenes' Exil" zu
entziehen, viel mehr personifiziere er "Einheit und Einigkeit
des syrischen Volkes". Der antiimperialistische
Souveränitätsfetischismus entspringt nicht etwa dem Gedanken, der
entgrenzenden Racketisierung irgendwie noch Herr zu werden – und
sei es mit polizeilichen, also staatsterroristischen Methoden. Dieser
entspricht viel mehr der Akzeptanz eines Irrsinns, in der sich etwa
die khomeinistische Despotie unter der Totalität des Kapitals als
das absolut Andere suggeriert, aber nichts mehr fürchtet als den
Ausschluss von den Märkten oder, wie der IS, aggressiver als jede
Konkurrenz Kapital akkumuliert. Es ist eine der fatalsten Neigungen
des kriselnden Subjekts, sich und das Kollektiv, in das es national,
völkisch oder religiös versackt ist, abseits der Totalität des
Kapitals zu halluzinieren und Kapital und Krise im Objekt zu
personifizieren. So akkumuliert das Subjekt das Moralin, womit es
verschleiert, dass sein eigener bornierter Zweck nur die Akkumulation
von Kapital ist – wenn es denn nur eine Funktion einzunehmen
vermag. Dass die Krise ein Fremdkörper sei und dieser „jüdisch“,
ist der Kern des Antisemitismus als präventive Konterrevolution.
Diese pathisch indolente Gattung Mensch hungert nach der Figur “des
Juden” als Alibi für das Unglück, das sie selbst Tag für Tag
reproduziert.
Es scheint
als wäre dieses Deutsch-Europa verdammt, die archaische Hölle
anderswo in seinen eigenen perfiden Varianten zu reproduzieren - ohne
mit ihr in eins zu fallen. Bedroht von 'zigeunerischen
Untermenschen', deren als kollektiv unproduktiv identifizierte
Population rasant zunehme, und terrorisiert von
'jüdisch-bolschewistischen, schwulen und geldheckenden
Übermenschen', dem ewigen Béla Kun, der die Magyaren um die
nationale Identität von Krone, Pfeil und Kreuz bringe, formieren
sich etwa in Ungarn völkische Rackets, von denen eines nicht von
ungefähr HAMASZ heißt. Die pogrom-faschistische Goldene
Morgendämmerung dagegen verfolgt nach Selbstaussage, eine
griechische Variante der libanesischen Hezbollah zu werden. Im Hass
auf die Juden und Israel sowieso inspirieren sich Nazis und
Islamisten, Panarabisten und antiimperialistische Internationalisten
gegenseitig. Und so propagierte der norwegische Egoshooter-Jihadist
Breivik noch in seinem Hass auf muslimische Immigranten eine
“al-Qaida für Christen”.
Die
europäischen Souveräne tragen das ihrige dazu, dass die nach Europa
Geflüchteten keine Freude haben an dem Entkommen vor dem
unmittelbaren Zwang und sie in der erdrückenden Enge resignieren. Er
rationiert ihr tägliches Brot, um an ihnen vorzuführen, dass
Subjektivität ein Privileg ist und ohne völkische Zertifizierung
keine Garantie hat. Er hämmert ihnen ihre Überflüssigkeit vor dem
Kapital wieder ein, um über die konstitutive Fungibilität der mit
ihm identifizierten Subjekte zu täuschen. In der Schweiz etwa,
diesem Idyll wider die Krise, werden Geflüchteten zunehmend in
unterirdischen Militäranlagen kaserniert. Es ist als würde mit dem
Entzug von Tageslicht das Entkommen aus der afghanischen, syrischen
oder somalischen Hölle sanktioniert werden. In der oberirdischen
Anlage Bremgarten haben die Asylsuchenden nur zwischen neun und
siebzehn Uhr Ausgang. Als würde der schweizerische Souverän jede
Regung im Blick haben wie anderswo die tugendterroristische Agenturen
aus Familie und Racket kontrolliert ein eigener Sicherheitsdienst das
Stadtgebiet im Kanton Aargau, durchstreift es nach Abtrünnigen und
horcht über einer Hotline jeder rassistischen Denunziation seitens
der Autochthonen. Den Geflüchteten sei keine einzige Minute gegönnt,
den Moralterror der Taliban, al-Shabaab und anderer aus den Gedanken
zu bekommen, und so ist ihnen noch der Besuch des städtischen
Schwimmbades untersagt. Der einzige Antirassismus, der im Europa der
nächtlichen Abschiebekommandos und grenzkontrollierenden Roboter
noch zu haben ist, heißt nicht Garantie auf ein menschenfreundliches
Exil für die vor der islamischen Despotie Geflüchteten, er heißt
immer nur Einfühlung in die Ideologien und Apparate derer, die am
hysterischsten brüllen, das heißt: Kollaboration mit oder
mindestens Beschwichtigung gegenüber dem politischen Islam.
Die
Hoffnung harrt im Moment im syrischen und irakischen Kurdistan aus.
Nicht, dass dort die Zentralisation von Souveränität sehr viel
unblutigere Formen als anderswo angenommen hat (8), so wird hier doch
der obskurantistische und völkische Irrsinn dahingehend
durchbrochen, dass die Menschen in Absehung ihrer Blutsenge sich
gegen die islamistische Aggression militant und solidarisch
organisieren. Mag es unter dem Antlitz Abdullah Öcaclans auch
etwas zwieschlächtiges und ideologisches anhaften, das Versprechen,
das sich die Rekrutinnen der Selbstverteidigungsbrigaden geben,„Jin
Jiyan Azadî” (Frau
– Leben - Freiheit), ist angesichts der Frauenverachtung und
Todesbeschwörung der Islamisten, “Wir lieben den Tod wie ihr
das Leben”, jener militante Konter auf die islamistische
Aggression, der keinen Zweifel daran lässt, was es vorrangig zu
verteidigen gilt: nicht die Scholle, nicht die inzestiöse Blutsenge,
allem anderen voran die Hoffnung auf ein besseres Leben. Gäbe es
also mit Blick auf die syrische Schlächterei noch Adressaten für
zivilisatorische Forderungen und wäre zudem das Banner der
„internationalen Solidarität“ nicht längst von islamistischen
Apokalyptikern und antiimperialistischen Faschisten okkupiert, die
Forderung müsste diese jene sein: Gebt den Menschen in Kafiristan,
dem Land der Ungläubigen, wie die Islamisten Kurdistan rufen, alles
nötige, um ihr Leben zu verteidigen.
(1) Ich werde
im Folgendem bei der Abkürzung IS bleiben.
(2) Als da wären etwa die salafistischen und nationalislamistischen Organisationen Islamic Army, Mujahideen Army, Ansar al-Sunna,1920 Revolution Brigade und Hamas of Iraq.
(3) Vor dem Mordauftrag „Al-Anfal“, inspiriert von der Koransure: „Die Beute“ , sprach das Baʿth-Regime ein letztes Ultimatum aus: Entweder würden sich die Abtrünnigen der irakischen Nation fügen, mit der Konsequenz einer Zwangskasernierung unter dem strengen Regiment des baʿthistischen Militärs, oder sie würden aus der irakischen Nation herausfallen und als Deserteure gelten. Desertion aber wurde im Irak Saddams, wie auch woanders, mit dem Tod geahndet. Der Tod durchs Gas war integriert in die „al-Anfal-Kampagne“, in der das Baʿth-Regime Arabisierung und Pazifizierung des abtrünnigen Hinterlandes im nördlichen Irak, das abwechselnd als „israelische Enklave“ oder „5. Kolonne der Perser“ denunziert wurde, kombinierte. Allein in Halabja wurden am 16. März 1988 bis zu 5.000 Menschen ermordet als das Baʿth-Militär Sarin und andere toxischen Chemikalien regnen ließ. Die deutsche Flanke der Baʿth-Killer trug hier staatsmännische Züge. Karl Kolb aus der hessischen Provinz etwa diente mit einer Gaskammer, in der die tödlichen Konsequenzen von Chemikalien an Vieh bewertet werden konnten. Südlich von Samarra hatte das Baʿth-Regime noch zu Beginn der 1980er in einer 160 Quadratkilometer großen Sperrzone Pestizide zur „Absicherung der Dattelernte“ zu produzieren begonnen. Involviert war etwa der bayrische Industrielle Anton Eyerle, der in Saddam Hussein einen würdigen Nachkommen Adolf Hitlers ersah. Für den Einkauf der brisanten Waren wurde noch am 17. April 1984 die Tarnfirma W.E.T. in Hamburg initiiert, in der mindestens ein Mann des BND involviert war. Die europäischen Antiimperialisten folgten in ihrer Solidarität mit dem „Irakischen Widerstand“ – ohne auch nur im kleinsten deren ökonomische und politische Potenz zu haben – auf die deutschen Todeskrämer, die in den 1980 dem Baʿth-Regime das technische Detail lieferten für dessen Schlacht gegen „Juden, Perser und andere Insekten“.
(4) Doch nicht nur der Touristikzweig des Jihads prosperiert in der syrischen Hölle, auch einige der Militantesten unter den europäischen Neofaschisten finden sich dort ein, wo sich noch im hemmungslosen Blutbesäufnis von einer 'antiimperialistischen Front gegen Israel' phantasieren lässt: Falangisten aus Polen, die berüchtigte italienische Casa Pound, die griechische Gregor Strasser-Jugend von Makros Krinos und andere verbrüdern sich - etwa als „European Solidarity Front for Syria“ - mit dem Baʿth-Regime und beschwören eine eurasische Front mit al-Assad, Hizbollah und dem khomeinistischen Regime Irans. Einige griechische Nazis hätten nach Selbstaussage sich der Hizbollah in al-Qasr angeschlossen und mindestens elf Kameraden der antiziganistischen Pogromistenpartei Jobbik wären in Syrien als Märtyrer gestorben.
(5) In den 1990er Jahre nahm die Hizbullahî Kurdî eine ähnliche Funktion ein wie heute die Jihadisten der al-Nusra Front und des IS in Syrisch-Kurdistan: die Terrorisierung der säkularen Konkurrenz. Bis zu 2.000 Menschen ermordete diese „Partei Gottes“ in jenen Jahren. Die Getreuen Öcalan, deren Reihen am schwersten von den Fememorden betroffen waren, reagierten staatsmännisch, das heißt: mit Militanz und Beschwichtigung. Sie überfielen, um die Morde an ihren Kadern zu rächen, Dörfer in denen die Hizbullahî Kurdî sich eingegraben hatte, und präsentierten sich selbst als Volkspartei, die die „religiösen Gefühle“ der Muslime achten würde. So war es das Gefolge Öcalans, das nicht nur die Parteikader zur sexuellen Askese und Entbehrung zwang, viel mehr in den Provinzen des Südostens jeden Verkauf von Alkohol zu untersagen drohte. Ihre Konkurrenz hieß Refah, die Milli Görüş-Partei von Erdoğans Ziehvater Necmettin Erbakan, die in der ersten Hälfe der 1990er viele Provinzen der südöstlichen Türkei einnahm und die atheistische PKK zwang, sich selbst als den Islam achtend zu präsentieren.
(6) Wie Saddam Hussein, das Assad-Regime und die palästinensischen Rackets wussten auch die Khomeinisten noch in den ersten Tagen ihrer „Islamischen Revolution“ ein Gros der antiimperialitischen Internationalisten hinter sich. Brian Grogan, Generalsekretär der britischen Sektion der „Vierten Internationalen“ etwa brüstete sich damit, dass er in Teheran auf Protestmärsche gegen das Shah-Regime „Allahu akbar“ rief und auf seinem Gepäck das Antlitz Khomeinis trug. „Gott ist groß“, so Grogan, hieße, das Volk ist stärker als die Armee des Shah. Nach Workers Power, ein Derivat der „Fünften Internationalen“, hat der Anschluss an die Khomeini-Aufmärsche „de facto eine antimilitaristische Einheitsfront“ zur Folge gehabt. Wahrhaft antimilitaristische Sabotageaktionen oppositioneller Iraner dagegen denunzierte die Socialist Worker Party als Dolchstoß. Sie alle geiferten dort gegen den “kulturellen Imperialismus” und für die “kulturelle Identität”, wo Kultur als erstes religiöser Obskurantismus und Zwang unter die Blutsenge heißt. Cindy Jaquith, Parteifunktionärin der US-amerikanischen Socialist Workers Party, etwa erhob den Chador zum Symbol des Widerstandes. Khomeini, so Jaquith, drücke die „nationalistischen und antiimperialistischen Gefühle” der Muslime aus – es war ihr ein Kompliment. Dem Campo Antiimperialista ist bis heute der Hijab kein aufgezwungenes Grabtuch der Sinnlichkeit: viel mehr „ein Symbol der sich befreienden Frau“ gegen „imperialistische Assimilierung“, worin sich auch die Denunziation jener Dissidentinnen ausspricht, die es riskieren, wider der islamischen Sexualmoral über sich und ihr Leben selbst zu entscheiden.
(7) Aus Kadern der Muslimbrüder rekrutierte sich die Bewegung des Islamischen Jihads in Palästina, die von nun an die Schriften Khomeinis denen der ägyptischen Väter vorzogen. Und in der Türkei provozierte die Islamische Revolution die eine oder andere Spaltung innerhalb der sich formierenden anti-laizistischen Reaktion. Cemalettin „Hocaoğlu“ Kaplan, der noch 1977 für die Partei Necmettin Erbakans antrat und dem von diesem dann die Erbauung der Türken in der Diaspora überantwortet worden ist, verließ im deutschen Exil Milli Görüs und entzog ihr als „Khomeini von Köln“ den Zugriff auf eine beachtliche Anzahl von Moscheen und Gläubigen. Hocaoğlu verachtete den von Erbakan betriebenen Marsch durch die Institutionen. Im Islam, so der Hocaoğlu, habe nur eine Partei zu existieren, die Partei Gottes. Inspiriert von der khomeinistischen Revolution propagierte er die Erhebung der hoca, der Gelehrten in Schrift und Gebet, mit Blick auf ein nahendes Kalifat.
(8) Infolge der Fehde zwischen PDK/DPK Barzanis und der YNK/PUK Talabanis starben in den 1990ern mehrere tausend Menschen. Die PDK ließ sich abwechselnd vom khomeinistischen Iran, dem irakischen Baʿth-Regime und der Türkei instrumentalisieren. 1996 etwa verhalf die PDK Saddam Husseins Republikanischer Garde zur Einnahme Erbils; hunderte PUK-Peshmerga wurden in der Folge hingerichtet. Ein halbes Jahr zuvor hatten Barzani und die US-Amerikaner eine koordinierte Tötung Saddam Husseins durch die PUK und einige irakische Dissidenten verraten. 1997 kollaborierte Barzani dann mit dem türkischen Regime gegen die PKK.
(2) Als da wären etwa die salafistischen und nationalislamistischen Organisationen Islamic Army, Mujahideen Army, Ansar al-Sunna,1920 Revolution Brigade und Hamas of Iraq.
(3) Vor dem Mordauftrag „Al-Anfal“, inspiriert von der Koransure: „Die Beute“ , sprach das Baʿth-Regime ein letztes Ultimatum aus: Entweder würden sich die Abtrünnigen der irakischen Nation fügen, mit der Konsequenz einer Zwangskasernierung unter dem strengen Regiment des baʿthistischen Militärs, oder sie würden aus der irakischen Nation herausfallen und als Deserteure gelten. Desertion aber wurde im Irak Saddams, wie auch woanders, mit dem Tod geahndet. Der Tod durchs Gas war integriert in die „al-Anfal-Kampagne“, in der das Baʿth-Regime Arabisierung und Pazifizierung des abtrünnigen Hinterlandes im nördlichen Irak, das abwechselnd als „israelische Enklave“ oder „5. Kolonne der Perser“ denunziert wurde, kombinierte. Allein in Halabja wurden am 16. März 1988 bis zu 5.000 Menschen ermordet als das Baʿth-Militär Sarin und andere toxischen Chemikalien regnen ließ. Die deutsche Flanke der Baʿth-Killer trug hier staatsmännische Züge. Karl Kolb aus der hessischen Provinz etwa diente mit einer Gaskammer, in der die tödlichen Konsequenzen von Chemikalien an Vieh bewertet werden konnten. Südlich von Samarra hatte das Baʿth-Regime noch zu Beginn der 1980er in einer 160 Quadratkilometer großen Sperrzone Pestizide zur „Absicherung der Dattelernte“ zu produzieren begonnen. Involviert war etwa der bayrische Industrielle Anton Eyerle, der in Saddam Hussein einen würdigen Nachkommen Adolf Hitlers ersah. Für den Einkauf der brisanten Waren wurde noch am 17. April 1984 die Tarnfirma W.E.T. in Hamburg initiiert, in der mindestens ein Mann des BND involviert war. Die europäischen Antiimperialisten folgten in ihrer Solidarität mit dem „Irakischen Widerstand“ – ohne auch nur im kleinsten deren ökonomische und politische Potenz zu haben – auf die deutschen Todeskrämer, die in den 1980 dem Baʿth-Regime das technische Detail lieferten für dessen Schlacht gegen „Juden, Perser und andere Insekten“.
(4) Doch nicht nur der Touristikzweig des Jihads prosperiert in der syrischen Hölle, auch einige der Militantesten unter den europäischen Neofaschisten finden sich dort ein, wo sich noch im hemmungslosen Blutbesäufnis von einer 'antiimperialistischen Front gegen Israel' phantasieren lässt: Falangisten aus Polen, die berüchtigte italienische Casa Pound, die griechische Gregor Strasser-Jugend von Makros Krinos und andere verbrüdern sich - etwa als „European Solidarity Front for Syria“ - mit dem Baʿth-Regime und beschwören eine eurasische Front mit al-Assad, Hizbollah und dem khomeinistischen Regime Irans. Einige griechische Nazis hätten nach Selbstaussage sich der Hizbollah in al-Qasr angeschlossen und mindestens elf Kameraden der antiziganistischen Pogromistenpartei Jobbik wären in Syrien als Märtyrer gestorben.
(5) In den 1990er Jahre nahm die Hizbullahî Kurdî eine ähnliche Funktion ein wie heute die Jihadisten der al-Nusra Front und des IS in Syrisch-Kurdistan: die Terrorisierung der säkularen Konkurrenz. Bis zu 2.000 Menschen ermordete diese „Partei Gottes“ in jenen Jahren. Die Getreuen Öcalan, deren Reihen am schwersten von den Fememorden betroffen waren, reagierten staatsmännisch, das heißt: mit Militanz und Beschwichtigung. Sie überfielen, um die Morde an ihren Kadern zu rächen, Dörfer in denen die Hizbullahî Kurdî sich eingegraben hatte, und präsentierten sich selbst als Volkspartei, die die „religiösen Gefühle“ der Muslime achten würde. So war es das Gefolge Öcalans, das nicht nur die Parteikader zur sexuellen Askese und Entbehrung zwang, viel mehr in den Provinzen des Südostens jeden Verkauf von Alkohol zu untersagen drohte. Ihre Konkurrenz hieß Refah, die Milli Görüş-Partei von Erdoğans Ziehvater Necmettin Erbakan, die in der ersten Hälfe der 1990er viele Provinzen der südöstlichen Türkei einnahm und die atheistische PKK zwang, sich selbst als den Islam achtend zu präsentieren.
(6) Wie Saddam Hussein, das Assad-Regime und die palästinensischen Rackets wussten auch die Khomeinisten noch in den ersten Tagen ihrer „Islamischen Revolution“ ein Gros der antiimperialitischen Internationalisten hinter sich. Brian Grogan, Generalsekretär der britischen Sektion der „Vierten Internationalen“ etwa brüstete sich damit, dass er in Teheran auf Protestmärsche gegen das Shah-Regime „Allahu akbar“ rief und auf seinem Gepäck das Antlitz Khomeinis trug. „Gott ist groß“, so Grogan, hieße, das Volk ist stärker als die Armee des Shah. Nach Workers Power, ein Derivat der „Fünften Internationalen“, hat der Anschluss an die Khomeini-Aufmärsche „de facto eine antimilitaristische Einheitsfront“ zur Folge gehabt. Wahrhaft antimilitaristische Sabotageaktionen oppositioneller Iraner dagegen denunzierte die Socialist Worker Party als Dolchstoß. Sie alle geiferten dort gegen den “kulturellen Imperialismus” und für die “kulturelle Identität”, wo Kultur als erstes religiöser Obskurantismus und Zwang unter die Blutsenge heißt. Cindy Jaquith, Parteifunktionärin der US-amerikanischen Socialist Workers Party, etwa erhob den Chador zum Symbol des Widerstandes. Khomeini, so Jaquith, drücke die „nationalistischen und antiimperialistischen Gefühle” der Muslime aus – es war ihr ein Kompliment. Dem Campo Antiimperialista ist bis heute der Hijab kein aufgezwungenes Grabtuch der Sinnlichkeit: viel mehr „ein Symbol der sich befreienden Frau“ gegen „imperialistische Assimilierung“, worin sich auch die Denunziation jener Dissidentinnen ausspricht, die es riskieren, wider der islamischen Sexualmoral über sich und ihr Leben selbst zu entscheiden.
(7) Aus Kadern der Muslimbrüder rekrutierte sich die Bewegung des Islamischen Jihads in Palästina, die von nun an die Schriften Khomeinis denen der ägyptischen Väter vorzogen. Und in der Türkei provozierte die Islamische Revolution die eine oder andere Spaltung innerhalb der sich formierenden anti-laizistischen Reaktion. Cemalettin „Hocaoğlu“ Kaplan, der noch 1977 für die Partei Necmettin Erbakans antrat und dem von diesem dann die Erbauung der Türken in der Diaspora überantwortet worden ist, verließ im deutschen Exil Milli Görüs und entzog ihr als „Khomeini von Köln“ den Zugriff auf eine beachtliche Anzahl von Moscheen und Gläubigen. Hocaoğlu verachtete den von Erbakan betriebenen Marsch durch die Institutionen. Im Islam, so der Hocaoğlu, habe nur eine Partei zu existieren, die Partei Gottes. Inspiriert von der khomeinistischen Revolution propagierte er die Erhebung der hoca, der Gelehrten in Schrift und Gebet, mit Blick auf ein nahendes Kalifat.
(8) Infolge der Fehde zwischen PDK/DPK Barzanis und der YNK/PUK Talabanis starben in den 1990ern mehrere tausend Menschen. Die PDK ließ sich abwechselnd vom khomeinistischen Iran, dem irakischen Baʿth-Regime und der Türkei instrumentalisieren. 1996 etwa verhalf die PDK Saddam Husseins Republikanischer Garde zur Einnahme Erbils; hunderte PUK-Peshmerga wurden in der Folge hingerichtet. Ein halbes Jahr zuvor hatten Barzani und die US-Amerikaner eine koordinierte Tötung Saddam Husseins durch die PUK und einige irakische Dissidenten verraten. 1997 kollaborierte Barzani dann mit dem türkischen Regime gegen die PKK.
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