Es
schien als hätte sich die pathische Indolenz der Gattung Mensch den
Iranern eingebrannt wie die Stigmen der Torturen aus Evin und
anderswo, da nahm die repressiv erzwungene Todesstille im Iran am 3.
Oktober abrupt ein Ende. „Nein
zu Syrien (zum Assad-Regime), nein zum Libanon (zur Hezbollah), unser
Leben für den Iran“,
riefen die Menschen, die zu tausenden auf die Straßen Teherans
zogen. Es blieb bei diesem einen Tag, dann nahm die Repression die
Straße wieder an sich. Zwei Wochen später marschierten die Sepah-e
Pasdaran-e Enghelab-e Eslami, die khomeinistischen Blutsäufer, zu
einem dreitägigen Manöver in Teheran auf. Mohsen Kazemeini,
Kommandeur des Mohammad Rasool-Allah Korps, glaubend demonstrierten
abschließend 180 Divisionen der Pasdaran auf dem Teheraner Palestine
Square. Sie schnauben von Israel – und drohen darin jedem
Dissidenten im Iran.
Der
Ruf „Nein zum Assad-Regime, nein zur Hezbollah, unser Leben für
den Iran“ ist eine ungeduldige Reminiszenz an den 18. September
2009, jenem Tag, an dem die Iraner zu hunderttausenden ihre
Vermassung zum antiisraelischen Brüllvieh konterten: Aus den Chassis
dröhnte, auf allen größeren Straßen Teherans, ein penetrantes
„Tod Israel“. Das Ende des Monats Ramazan näherte sich und wie
jedes Jahr wurden die khomeinistischen Klientel, die invaliden
Märtyrer und die von Prämien Korrumpierten, herangefahren zum „Tag
der Mobilisierung der Muslime“ (Khomeini im Jahr 1979). In seiner
Ansprache beschwor Mahmud Ahmadinejad, es sei nicht nur der Tag, an
dem die iranische Nation sich vereine, viel mehr sei es der Tag, an
dem alle Nationen sich vereinen, auch die nicht-muslimischen, gegen
die eine Anti-Nation
Israel. „Tod Israel“ dröhnte es – und dem khomeinistischen
Brüllvieh schlug es entgegen: „Tod
den russischen und chinesischen Kollaborateuren
des Regimes“. Hatte noch Khomeini infolge des ersten
al-Quds-Marsches im Jahr 1979 die Hezbollah als jene islamische
Assoziation der Mostaz'afin, der muslimischen Unterdrückten,
ausgerufen, schallte nun ein „Weder Ghazzah noch der
Libanon, unser Leben für den Iran“ durch die
Straßen Teherans, Isfahans und
anderswo. Das hatten sich die Reformkhomeinisten Mehdi Karroubi,
Mir-Hossein Mousavi und Mohammad Khatami anders gedacht. Ihr Kalkül
war es, dass Ali Khamenei alsbald einsehe, dass eine „Mobilisierung
der Muslime“ ohne sie nicht zu haben sei und so riefen sie auf,
im oppositionellen grün
für ein Ende Israels mitzumarschieren. Doch die Erhebenden entzogen
sich ihrem repressiven Zugriff. Es hat sich ihnen eingebrannt, dass
die terroristisch erzwungene Homogenität nach innen und der
antiisraelische Furor nach außen sich komplementieren, dass das eine
im anderen eskaliert. Es scheint, als dass sie die Malignität der
pathischen Projektion auf Israel ahnen.
Nur zu
kärglich war dagegen der frühherbstliche regimeinszenierte Furor um
die Schmähung Mohammads. Es sah nie aus als hätten sich noch viele
andere Menschen als die Kleriker aus der nächstgelegenen
theologischen Fakultät eingefunden. An den Universitäten huschten
zwischen klerikalem Agitator und ausgedünntem stipendiatischem
Brüllvieh jene vorbei, die noch wenige Jahre zuvor gegen den
religiösen Furor angeschrieen haben - und die es wieder tun würden,
wäre es ihnen nicht eingebrannt, wie die Stigmen der Torturen aus
der Universität Evin und anderswo, alleingelassen
zu werden. Das khomeinistische Brüllvieh reduziert sich auf die
schwindenden Klientel und Profiteure der Apparate und so ist es nur
noch eine ungesühnte Verhöhnung jener, die erpresst sind zu
schweigen, dass Fars und Mehr News Agency Fotografien über die
Mohammad-Rage präsentieren, die nur noch Porträts der wenigen
Loyalisten ähneln aber mit „Millionen von Iranern“ beschriftet
sind.
Die Reaktion
deutscher Antiimperialisten auf die säkularistische Erhebung gegen
die khomeinistische Despotie ist konträr zu der auf den religiösen
Furor. Waren sie im Jahr 2009 bedacht, die bis zu drei Millionen
Menschen allein in Teheran zu einem korrumpierten Racket „sponsored
by CIA, George Soros and friends“ (1) zu erniedrigen, ist es ihnen
nun nichts als Demagogie, auszusprechen, dass wider den logistischen
Apparat des Regimes nicht mehr als einige wenige tausend Iraner sich
zu einer der inszenierten Empörungen einfanden. Solche
Herabwürdigung des khomeinistischen Mobilisierungspotenzials ist
ihnen eine Schmähung des Souveräns (2). War ihnen noch der
religiöse Furor um verbranntes Papier im afghanischen Bagrám ein
demokratisches Erwachen (3), so ist ihnen das Moment, wo es hätte
anders kommen können, eine „asoziale Revolution“: „die
konterrevolutionäre Revanche an der Islamischen Revolution als
Emanzipationsprozeß der Volksklassen“ (4). Es ist der zynische
Kommentar auf die kapitalisierte Sozietät als Bestialität und ihrer
postmodernen Verdunkelung.
Beschädigte
Modernisierung und Islamisches Erwachen
Anders als
etwa die ägyptische oder tunesische Despotie des al-Mukhabarat,
die die Rekrutierung der Depravierten an die islamische Konkurrenz
abtrat, akkumulierte die khomeinistische Despotie ihr
Selbstbewusstsein aus der katastrophalen Mobilisierung der
Mostaz'afin. Der khomeinistische Erweckungsislam transformierte das
Unglück, sich als vereinzelt Einzelner in einer Masse
von Entwurzelten vorzufinden, in die grobe Gewalt
der Masse.
Mit dem
Beginn der 1960er lancierte das Pahlavi-Regime eine Agrarreform. Sie
versprach, die unter dem Diktat der Fronherren dahinlebenden
kleinbäuerlichen Produzenten zu Herren ihrer eigenen Parzelle
zu erheben. Das allein empörte einen jeden Kleriker.
Garantierte doch der feudale Zwang die klerikale Autorität. Seyyed
Ahmad Khansari etwa verlas, dass die Konfiskation von Boden eine
Sünde sei. Jedes Gebet sowie jede rituelle Waschung, die auf einem
solchen Boden vorgenommen werden, seien wider Gott.
Die
Pahlavische Agrarreform zerschlug das feudale im Interesse eines
agroindustriellen Produktionsverhältnisses, sie fungierte als
Integrationsform der iranischen Ackerscholle in den universalen wie
totalitären Markt des Kapitals. Das Diktat der Fronherren war
liquidiert – die kleinbäuerliche Existenz aber darbte weiter. Die
eigene Parzelle schrumpfte auf wenige Hektar Boden während die
Kompensationen in Geldform an den Staat - ihrem Befreier – sie
erdrückten. Hatten noch die Feudalherren, so despotisch sie auch
waren, die Saatfrucht, das Zugvieh und ähnliches den ihnen Hörigen
überlassen (manche von ihnen auch Investitionskredite gewährt und
die Vermarktung des Mehrproduktes übernommen), so war nun die vom
Fronzwang befreite parzellenbäuerliche Existenz beherrscht vom
Zwang, dem selbst nachzukommen um in der Konkurrenz zu überleben. An
eine Mechanisierung der Produktion war dabei nicht zu denken, ihre
beschämende Kreditmoral war ihnen eingebrannt wie ein Stigma. Allein
die Parzelle garantierte also keine Reproduktion und so wurden aus
den Minifundisten Flüchtige nach einer kapitalproduktiven Funktion
irgendwo anders. Sie stoßen zu jener Masse an bodenlosen bäuerlichen
Existenzen hinzu, die weder Halb- noch Unterpächter und von der
Agrarreform sowieso ausgeschlossen waren. Sie allein potenzierten
sich zu Beginn der 1960er, noch vor der Agrarreform, auf 40 bis 60
Prozent der ländlichen Population. Alles in allem äußerte sich die
Befreiung der kleinbäuerlichen Existenz als ihre Liquidation im
Interesse einer Industrialisierung der Agrarproduktion.
Die
Binnenmigration eskalierte in jenen Jahren, etwa aus den südöstlichen
Provinzen Sistan und Baluchestan in die nördlichen wie Gilan und
Gorgan. Die noch zwischen Dorf und Stadt lavierenden Flüchtigen
hofften von der industrialisierten Agrarproduktion absorbiert zu
werden, doch die Modernisierung, von der sie selbst ausgesperrt
waren, potenzierte nur ihre Fungibilität. So staute sich das
flüchtige Leben auf. Vor allem Teheran schwoll Jahr zu Jahr auf
weitere Slums an, so dass noch zwischen Gräbern die Davongezogenen
hausten. Die khomeinistische Karitas las jene Flüchtigen auf,
die in die Städte drängten und dort noch fataler mit ihrer
Funktionslosigkeit vor dem Kapital konfrontiert waren. Nicht, dass
diese Karitas ihren Hunger stillte, warb sie mit heiligen Versen und
einem Vertragsverhältnis, zu dem ein jeder kam, der absolute
Loyalität versprach: das des klerikalen Agitators mit seinem
Brüllvieh. Es war eine regressive Reminiszenz ans feudale
Klientelverhältnis; der Zwang, sich der Autorität zu fügen, wurde
nun zur Inbrunst, sich für Khomeini und den Imam zu opfern. Sie, die
Mostaz'afin, waren als Subjekte in die Konkurrenz entlassen, ohne
dass jemand an das ihnen überantwortete variable Kapital, die Ware
Arbeitskraft, ein redliches Interesse nahm. Sie waren nichts als
weitere hungrige Behälter fungibler Arbeitskraft, denen die
Integration in den universalen wie totalitären Markt des Kapitals
als Objekte angetan worden ist. Ohne darin eine Funktion einzunehmen
waren sie unter dem Zwang der Verwertung des Wertes subsumiert. Ihr
Totengesang „Weder westlich noch östlich – islamisch“ (5)
wurde nunmehr zum regressiven Konter auf die beschädigte
Modernisierung des Pahlavi-Regimes.
In dem
Gebrüll „Tod Amerika“ wie „Tod Israel“ eigneten sich jene,
die zuvor nichts hatten, die Stärke der Masse an. In der Masse
erfuhren sie Funktionalität für die Masse, außerhalb blieben sie
hungrige Existenzen. Die Identifizierung mit allen anderen in der
Masse, mit den nächsten Konkurrenten, funktionierte noch in den
frühsten Momenten der konformistischen Revolte nie anders als durch
die Entzweiung der Gattung: in Gläubige und Ungläubige, durch
die Projektion auf etwas der Masse Äußerliches. Bereits am 3. Juni
1963, während Ashura in Qom, assoziierte Khomeini den Despoten
Reza Pahlavi mit Yazid, dem Mörder des Imams Hussein, um dann auf
den wahren Konspirator gegen die islamische Souveränität zu
sprechen kommen: „Israel ist dagegen, dass im Iran die Gesetze des
Korans gelten.“ Doch die Exorzierung der Krise war nur simuliert,
anders als die nazifizierten Deutschen konnte der khomeinistische
Iran nicht die Fungibilität der Subjekte stunden, indem er sie als
Vehikel höherer Produktivität rassifizierte und verstaatlichte und
alsdann die eigene Krise den anderen Nationen aufhalste. Dem
khomeinistischen Iran vermisst es dazu an der industriellen Potenz.
Nicht im Kahlfraß der anderen, wie bei den Deutschen, viel mehr im
provozierten Tod der mit ihm total Identifizierten hob der
khomeinistische Souverän die Wertlosigkeit der Mostaz'afin vor dem
Kapital auf: im achtjährigen Menschengemetzel mit dem Irak.
Hierin nahm
der Iran wieder eine Funktion im Universalsystem des Kapitals ein.
Beide, der khomeinistische Iran wie der ba’athistische Irak,
verschlungen Massen an tödlichem Material, das von den Märkten,
ohne Engpässe, in die Frontgräben nachgestopft worden ist; beide,
der Iran wie der Irak, fungierten als Subjekte eines „grandiosen
Petro-Dollar-Recyclings“ (6). Sie kauften die tödlichen Waren
gegen Dollars, um diese zu realisieren, überschwemmten sie mit ihrem
Rohöl die Märkte. Das Geld blieb also im bayrischen Ottobrunn, im
steirischen Liezen und wo noch für das Morden produziert worden ist,
während an der Front das Eingekaufte in schwarzem Qualm und dem
Gestank verbrannten Fleisches aufging. Die khomeinistische
Akkumulation des Todes korrespondierte mit der dem Kapital
einhausenden Krise: Nicht nur, dass die strukturelle Überakkumulation
des Kapitals auch in seiner Peripherie, irgendwo
zwischen Khorramshahr und Mandali, als Produktion des Todes, als
Liquidation von nicht zu verwertendem Wert, auftrat. Die
khomeinistische Märtyrerproduktion radikalisierte die Konfrontation
der Mostaz'afin mit ihrer Funktionslosigkeit vor dem Kapital,
indem sie diese mit dem Nichts konfrontierte: der Tod als
Märtyrer wurde ihnen zur edelsten Geste an einen ihnen äußerlichen
Zweck, zum finalen Abschied aus einem Leben, das keines war. Noch
darin scheint die Totalität des Kapitals auf, in der die autistische
Selbstverwertung des Wertes sich selbst Zweck ist. Die
khomeinistische Despotie steigerte diese dem Kapital inhärente
Irrationalität bis an die Schwelle einer diesseitigen Hölle. Sie
eskalierte das subjektlose Subjekt zum Märtyrer, zum „Staubkorn
des Vaterlandes“, das Funktionalität nur noch im suizidalen Tod
für Khomeini und den Imam realisiert.
Der
„Emanzipationsprozeß der Volksklassen“, den deutsche Ideologen
in der Islamischen Republik sehen,
war die Korrumpierung durch Prämien bei absoluter Loyalität, das
Verschwindenlassen der Jugend in Milizklüften und der Tod als
Märtyrer für jene, die zuvor nichts hatten. Emanzipiert wurde sich
vom Leben. Die khomeinistische Karitas eskalierte in ihrer Variante
der Ein-Kind-Politik, bei der das Regime tausende von Kindern als
Kamikazekommandos rekrutierte. Sie wurden ihren Familien abgepresst
und gezwungen, eingegrabene explosive Metallkörper zu
neutralisieren. Versprochen war ihnen das Paradies, für viele von
ihnen war es ein Versprechen, der Hölle zu entfliehen. Der Spiegel
(02.08.1982) erzählte vom Unglück eines Halbwaisen namens Hossein.
Wo er herkam wurde jede Familie gedrängt, ein Kind abzutreten.
Hossein, der unter einer Lähmung litt, war am leichtesten zu
vermissen. Er überlebte die Kamikaze auf die irakische Artillerie,
kam also nicht ins Paradies und wurde so ein Tribut an den Irak.
Heute darben in den iranischen Invalidendörfern die Menschen dahin,
nur gelegentlich funktionalisiert für die Aufmärsche des Regimes.
„Wollt ihr etwa dem Islam und der Nation nur dienen, damit ihr euch
die Bäuche füllen könnt?“, bedachte im Jahr 1981 Khomeini die
ihm Hörigen. „Ich preise jenen zwölfjährigen Helden“, so
Khomeini weiter, „der sich Granaten um den Körper schnürte und
sich unter ein Panzergefährt des Teufels Saddam schmiss.“ Er
sprach von Hossein Fahmideh, der sich am 30. Oktober 1980 bei
Chorramshahr selbst grenadierte. Nach ihm sind heute
Kinderbibliotheken und ähnliches benannt. In seinem Namen drohte im
Jahr 2007 ein Kommandeur der Pasdaran, Ali Fadavi, mit weiteren
Kindermärtyrern: „He declined to provide any further details on
the specific role of the Basiji troops in possible engagement with
enemy forces in the Persian Gulf, but said that each of them can play
the role of martyr Fahmideh. Hossein Fahmideh was a 13-year-old
volunteer who blew up an enemy tank during a martyrdom-seeking
operation in the midst of the Iraqi imposed war on Iran (1980-1988).
Due to a lack of RPG rockets and the sensitive formation of enemy
tanks, Fahmideh wrapped himself in a grenade belt and lied under the
tank to blow it up.” (7)
Die
toten Märtyrer wurden nach dem iranisch-irakischen Menschengemetzel
zur Drohung an die Lebenden. „Mitleid mit den Feinden des Islam ist
Naivität“, so Khomeini in seinem Todesdekret des Jahres 1988, mit
dem er die Hinrichtungen tausender Dissidenten anbefahl. „Zögern“
hieße, „das reine, unbefleckte Blut der Märtyrer zu ignorieren.“
Alsdann scannten die Todestribunale die politische Identität der
Inhaftierten: Antwortete jemand, er sei bei den Volks-Mujahedin,
wurde die Befragung abrupt beendet und das Exekutionskommando
übernahm. Die Volks-Mujahedin wurden in der Fatwa Khomeinis
namentlich als Heuchler, die nur vorgeben, Muslime zu sein,
denunziert. Wer angab, er sei mit keiner oder einer anderen
oppositionellen Partei assoziiert, wurde nach seinem Glauben gefragt:
Bist du ein Muslim? Fastest du? Betest du und liest im Koran? ... Wer
verneinte oder auch nur eine Antwort hinauszögerte, wurde in die
Gefängnishöfe abkommandiert. Allein in der elektronischen
Datenbank Omid:
a Memorial in Defense of Human Rights finden
sich die Namen - sowie Ergänzungen zur politischen Identität -
von 3.803 Menschen, die im Jahr 1988 hingerichtet worden sind.
Andere sprechen von bis zu 12.000 Ermordeten.
Keine
imperiale Konspiration im Iran, von der mir so einige einfielen:
russische und britische, US-amerikanische und deutsche, legitimiert
die Einfühlung in diese klerikalfaschistische Despotie. Darin, dass
diese zum Objekt imperialer Konspirativität banalisiert wird,
spricht sich die antiimperialistische Ideologie als nichts als Kälte
aus, die sich nur noch einfühlen kann in den Apparat, welchen die
Antiimperialisten als Volk fetischisieren. Sie
viktimisiert die nationale Souveränität, die nie anderes hieß als
die zweckrationale wie abstrakte und darin so irrationale
Funktionalisierung der konkreten Individuen zu Material von Staat und
Racket: vom Mensch zum Ding, das nur in der Identifikation mit der
souveränen Gewalt autorisiert ist zu leben. Das Geraune von der
imperialen Konspiration wird zum Mythos im Interesse der Despotie,
zur Manipulation der Blutspuren des Souveräns. So erscheinen
jene Khomeinisten, die am 4. November 1979 in die US-amerikanische
Repräsentanz in Teheran eindrangen, als Rächer des von
US-Amerikanern mitinitiierten Coups gegen Mohammad Mosaddegh im Jahr
1953 (8). Verschwiegen, dass es der Kleriker Seyyed Abol-Ghasem
Mostafavi Kashani war, ein Märtyrer der Islamischen Republik, der
sich mit den Militärs gegen Mosaddegh - namentlich mit Mohammad
Fazlollah Zahedi, einem antikommunistischen Agrarpatriarchen -
verschwor. Mosaddegh hatte zunächst so einiges getan, um einen
Kleriker wie Kashani für sein Regime der Nationalfront zu gewinnen.
Er ernannte die gottesfürchtigen Politiker Bagher Kazemi und Mehdi
Bazargan zu seinen Ministern, amnestierte 28 Fedajin-e Islam, die
Bluthunde Kashanis (9), und bedrängte antiklerikale Kritiker wie
auch die iranischen Freunde des Klassenkampfes. Unter anderem weil
Mosaddegh erwog, die Frau zum politischen Subjekt zu autorisieren,
sowie sich dann doch der moskauhörigen Tudeh annäherte,
distanzierte sich Kashani von ihm und konspirierte mit den Militärs
um Zahedi während Kleriker wie Seyyed Ali Behbahani, einer der
Vordenker der Islamischen Revolution, die
promonarchistischen Demonstrationen am 18. und 19. August 1953
initiierten (10).
Nur die
wenigsten imperialen Konspirationen im Iran waren nicht im Interesse
der khomeinistischen Despotie. Etwa händigten die US-Amerikaner
den Khomeinisten in den frühen 1980ern jene Dokumente aus Namen und
Kontakten aus, die die Liquidierung von tausenden Kadern und
Sympathisanten marxistisch-leninistischer Parteien in jener tödlichen
Präzision zuließ, die alsdann auch durch deutsche
Repressionstechnologie garantiert worden ist. Nicht zu
verschweigen wäre zudem die US-amerikanische Iran-Contra-Affäre, in
der ein regierungsamtliches Racket HAWK-Systeme und weiteres
Tödliches dem Iran überbracht hat - mit dem Fremdzweck der
Finanzierung von antikommunistischen Todesschwadronen in
Nicaragua. Darin ist der Dialog, den die
Souveränitätsfetischisten propagieren, absolut authentisch: in der
Kumpanei mit den Mördern.
Staatlichkeitswahn
und Anti-Nation – die Ideologie der Antiimperialisten als
präventive Kontrarevolution
Die Logik des
Kapitals (11) heißt nirgendwo anderes als die zweckrationale wie
abstrakte Funktionalisierung des empirisch Konkreten zu einem ganz
anderen Zweck als dem der Stillung des Hungers und weder in Riyadh
noch in Teheran treten die Menschen anders in Kontakt als durch den
beidseitigen Ausschluss vom opferlosen Genuß sinnlicher Dinge. Den
Menschen ist es zur zweiten Natur geworden, dass die konkreten Dinge
des Lebens einen Wert haben, dass sie unter den totalitären
Charakter der Ware gezwungen sind. Und so penetranter dieses sich den
Menschen konfrontiert, rekurrieren sie auf Authentizität und Kultur,
auf einen von der Moderne unbeirrten, naturwüchsigen Souverän. Sich
abseits des Kapitals zu halluzinieren und Kapital und Krise im
Anderen zu personifizieren, ist die Selbsterhaltung der kriselnden
Subjekte als Ideologen. Nicht wenige säkulare Antiimperialisten in
Iran und in Europa sowieso faszinierte die khomeinistische
Mobilisierung der Mostaz'afin und für einen tödlichen
Augenblick ersahen sie darin, dass die vor dem Kapital Funktionslosen
in die Moscheen flüchteten, ein authentisches Moment nationaler
Selbstfindung. Sie, die säkularen Antiimperialisten, haben es
gewusst oder hätten es wissen müssen. Und noch die Gräuel in dem
Evin des Pahlavi-Regimes hätte die böse Vorahnung nicht
verdrängen dürfen, dass sie nur die Vorhölle sind zu den Gräueln
in einer Islamischen Republik. Die Khomeinisten liquidierten die
beschädigte Modernisierung des Pahlavi-Regimes und verscharrten sie
wie die Kritiker ihrer Despotie auf den Totenäckern eines
islamisierten Irans. Die khomeinistische Despotie gehorcht - wie denn
auch anders - den Imperativen kapitalistischer Reproduktion und
vereinnahmt die moderne Technologie zum Zweck der Repression, doch
ihr primärer Drang ist nicht mehr der nach Anschluss an die
Konkurrenz: sie verfolgt eine regressiv versöhnte Umma,
die im Tod für den Imam das Unglück in der Konkurrenz austreibt.
Riefen die
historischen Antiimperialisten wie die des Viet Minh noch auf, die
ungleichzeitige Existenz der kapitalisierten Gattung, das heißt: die
Konzentration der Produktion auf die imperialen Zentren und die
Rearchaisierung der Peripherie, zu korrigieren, paraphieren die
Antiimperialisten von heute in ihrem Denken die Liquidation der
Modernisierung wie die religiösfaschistische Verwahrung der dem
Kapital Überdrüssigen. Ja, die Modernisierungsdiktatur wendete die
koloniale Gewalt nach innen: sie zerschlug die Subsistenzproduktion,
so dass ein jeder sich nur noch erhalte durch die Formen durch die
hindurch das Kapital sich realisiert, sie erzwang die Anwandlung des
Menschen an die Maschinerie und dressierte ihn als Rädchen. Ja, auch
hier traten die konkreten Individuen nur als fleischliche
Inkarnationen einer abstrakten Arbeit auf, die - als akkumulierte
Quanten ausgenutzter Arbeitskraft - nichts anderes sein kann als die
Substanz von Wert, Geld, Kapital. Die staatkapitalistische
Modernisierung, bei den Russen wie Chinesen, potenzierte also nicht
die Erhebung gegen den Zwang, sich zu sich selbst als
Arbeitskraftcontainer zu verhalten, sie intensivierte viel mehr diese
sinnentleerte Form des Produzierens. Dennoch hieß die Modernisierung
zum Besseren hin auch die revolutionäre Liquidierung archaischer
Formen der Reproduktion: als da wäre die Kriminalisierung der
Klitorisverstümmelung in dem Burkina Faso eines Thomas Isidore Noël
Sankara oder die Alphabetisierung der fast zu hundert Prozent
analphabetischen Frauen in Afghanistan. Auch im Interesse
anderer fungierten die USA als militanter Souverän und trieben in
Korea und Vietnam, in Nicaragua und El Salvador mit Napalm und
Konterguerilla dieses kommunistische Gespenst der Modernisierung aus.
Modernisierung
– sie ist den Antiimperialisten von heute nur noch eine
Sentimentalität. Ausgetrieben ist ihnen der Gedanke, die
Ungleichzeitigkeit der kapitalisierten Gattung zu korrigieren.
Zusammengeschrumpft ist ihre Ideologie auf den Souveränitätsfetisch,
den Staatlichkeitswahn, der im antizionistischen Furor zu eskalieren
droht. Nicht, dass es dazu die Agitation eines Khomeinis oder
Ahmadinejads bedürfe: In der UDSSR wurden Kosmopoliten und Zionisten
als ein mit sich identisches Gegenprinzip zur eigenen Staatlichkeit
verfolgt. Die Paranoia, der jüdische Kosmopolit sei der Prophet der
eigenen Krise, entsprach dem Zwang zur nationalen Homogenität in
Ansehung des drohenden Bankrotts. Mit der im Januar 1949 lancierten
Denunziationskampagne gegen den „Wurzellosen Kosmopolit“, die
exklusiv jüdische Genossen aufsuchte, wurden alle anderen
eingeschworen, die Internationale nicht anders zu denken als die
bloße Summe souverän gehüteter Menschenherden. Die europäischen
Antiimperialisten, diese Antiquare von Staatsideologien, sind nur das
eine, das andere sind jene arabischen Militärregime, deren
Modernisierung den antiisraelischen Furor nur noch mehr ausreizte.
Die Existenz Israels wurde in der arabischen Ideologie
funktionalisiert, das falsche Alibi dafür zu sein, die
Modernisierung nicht zu bewältigen. Solange Israel, dieses
„Geschwür“ im arabischen Volkskörper, existiere, drohe auch das
nationale Unglück in der Konkurrenz.
Die
europäischen Antiimperialisten taten das ihrige: sie schnaubten noch
mit jedem Despoten und Kommunistenmörder, mit Hafez al-Assad und
Gamal Abdel Nasser sowieso, gegen Israel – und drohten darin auch
jedem Dissidenten der nationalen Formierung. An Israel verfolgen sie
bis heute, wovon sich das Subjekt zu erlösen sehnt: von der „Raserei
der Abstraktion“, wie es etwa in der jungen Welt in
Berufung auf einen obskuren Antijudaisten heißt (12). Sie müssen
die Ahnung austreiben, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker
doch nur das stählerne Kommando zur Anwandlung der konkreten
Menschen an die Funktionen von Kapital und Staat ist, dass dieses
sich wie jedes andere abstrakte Recht nur durch die Gewalt eines
Souveräns konkretisieren kann. Wie in der Personalisierung
des real Abstrakten in den Juden das Subjekt
wieder abstrahieren kann von den phänomenalen Dingen als Waren als
wäre ihm nichts natürlicher im Leben, wird im antiisraelischen
Furor verdunkelt, dass jeder Staat künstlich ist, das Produkt eines
Grande Terreur. Die notorische Charakterisierung Israels
als Retorten-Staat oder ähnliches kritisiert nicht
den Charakter eines jeden Staates als repressiv, so auch Israel, und
die nationale Formation der Menschen als strukturell nationalistische
und rassistische Staatssubjekte, so auch die Israelis (13), sie
ächtet den Staat der Juden als mit der Natur nicht-identisches
Unding, als Anti-Staat und Anti-Nation: „Der Staat Israel, die
Palästinenser können das aus leidvoller Erfahrung bestätigen, ist
ein reales Gebilde. Und dennoch ist die Künstlichkeit seiner
Existenz evident. Er ist ein Staat aus der Retorte.“ (14) Wo nicht
auf Autochthonität, also auf Blut und Boden rekurriert werden könne,
rast die zionistische Ideologie, so die verschrobene Staatskritik der
Antizionisten, die den Mangel an Naturhaftigkeit denunziert. Dass
Israel „weniger aus sich selbst“ entkeimte, als sich viel mehr
kraft eines militanten Überlebenswillens von zuvor kosmopolitisch
vereinzelt lebenden Juden behaupten konnte, provoziert jene, denen
der Staat ein naturwüchsiges Gehäuse der Autochthonen ist. Indem
der Antizionist definiert, was Israel ist – „ein Nationalstaat
ohne Nation“, denn die Juden hätten keine „spezifisch jüdische
Identität“, um eine Nation zu sein –, definiert er
den wahren Staat: als souveräne Inkarnation
nationaler Identitäten. Hierin spricht sich die antizionistische
Ideologie aus als Naturalisierung des Gewaltverhältnisses Staat.
Denn es ist nicht eine nationale Identität, die die Nation
konstituiert. Es ist die Identifizierung der Menschen als Objekte
durch eine sich zentralisierende und zum Staat konspirierende Gewalt,
die ihnen Identität einprügelt. Nationale Identität ist nicht
positiv zu definieren: nur als Zwang, der den Menschen angetan wird
und als Ideologie, die sich angetan wird. Es sind dieselben
Kategorien antiimperialistischer Ideologie, in denen sich auch der
rassistische und antisemitische Furor deutscher Nationalsozialisten
reproduziert: Autochthonität, Volk, Nation, Souveränität, Staat,
Anti-Nation (15).
Dass das
Verhältnis zu den unter der Gewalt der Rackets stöhnenden Menschen
ein instrumentelles ist, äußert sich am perfidesten in Ghazzah. Die
Hamas sowie der Islamische Djihad graben ihre Artillerie zwischen den
Behausungen jener ein, deren Tode sie propagandistisch zu verwerten
wissen. Sie oktroyieren allen anderen einen Djihad auf, der
nichts anders verheißt als den Tod der Mikroben und Bakterien,
welche ihnen die Juden sind, und die religiösterroristische
Verwahrung der Eigenen. Dass sie die Leichen jener
hingerichteten Kollaborateure Israels triumphierend
durch die staubigen Straßen schleifen, ist eine Drohung an alle
anderen, nicht aus der Geiselhaft auszureißen. Den Antiimperialisten
ist es keine menschliche Katastrophe, dass in Ghazzah die Revolution
gegen die Rackets ausbleibt und den Menschen der irrationale Djihad
im Interesse der khomeinistischen Despotie (16) und somit auch die
blutigen Konsequenzen überantwortet werden. Die Hamas ist den
Antiimperialisten demokratisch legitimiert, die Hezbollah nicht
weniger als die neue sozialdemokratische Internationale, die
Geiselhaft aller anderen ein „heroischer Widerstand“ (17).
Viele
Worte über den Iran vernimmt man von deutschen Antiimperialisten
nicht. Wenn doch, raunt es,
wie aus der Kasseler Germaniastraße, von „dem völkerrechtlichen
Prinzip der Selbstbestimmung und der Souveränität der Staaten“
und verrät so, dass die antiimperialistischen Denkformen von der
Kollektivbestie Staat überwältigt sind. Woanders liest man:
souverän seien das „iranische und syrische Volk“. Der
antiimperialistische Jargon von den Völkern impliziert, dass die in
Völkern annullierten Individuen eines bis in den Tod gemein haben,
das im Souverän authentisch zu sich findet: die Autochthonität, die
kapitalproduktive Funktion oder beides wie bei den Deutschen. Das
Geraune von der nationalen Souveränität und dem Volk mit kaltem
Blick auf den Iran ist so perfide, weil beides unter der Gewalt des
khomeinistischen Souveräns heißt, jede Differenz zu verfolgen.
Die
antiimperialistische Ideologie reproduziert die fetischistische
Entzweiung der kapitalen Totalität in konkret und abstrakt, in
naturwüchsige Produktion und parasitäre Zirkulation. Die
Gewalt des Souveräns wird geschieden in eine, die dem
fetischistischen Bewusstsein als künstliche erscheint, als
imperialistische und die nationale Souveränität bedrängende, und
in eine authentische, wo Iraner über Iraner oder Deutsche über
Deutsche herrschen. Wie sich nun diese Souveränität äußert, ist
ihnen gleich. Die Destabilisierung der Region, eine
nachträgliche Legitimierung der Drohung, die Straße von Hormuz zu
blockieren, das Ende einer Kooperationspolitik, das sind die
Momente,
die diesem ideologischen Kleinhirn des Auswärtigen Amtes umtreiben.
Kein Wort über die Steinigung von dem Sexualkodex Abtrünnigen, den
Mord an Homosexuellen, den Zwang unter dem Hijab, das Darben von so
vielen.
Die
Totalität des Kapitals, die Sozietät der Ware, die sich den
Subjekten doppelt reflektiert: konkreter Gebrauchswert und abstrakter
Wert, der im Geld wieder konkretisiert wird, beseelt fetischistisch
die Denkformen der Insassen dieser irrationalen Sozietät. Der
Ideologe entzweit, was nur als Totalität zu begreifen wäre, er muss
das Abstrakte konkretisieren und sodann personifizieren. Die
individuelle physische Reproduktion der Subjekte fällt auch in
Teheran oder Qom nach wie vor mit der Verwertung des Wertes in eins,
auch im Iran konfrontiert letztere die Subjekte mit ihrem genetischen
Defekt: der absoluten Fungibilität im Anblick des Konkurrenten. Doch
ist es hier der khomeinistische Souverän der die Aufspaltung des
Kapitalverhältnisses und die Projektion des bedrohlich Abstrakten
auf die Juden in eigener Regie übernimmt. Es ist ein Moment
revolutionärer Hoffnung, dass die khomeinistische
Variante des Occupy
Wall Street Movement die
trefflichste Karikatur auf sich selbst blieb, die für alles andere
als die 99 Prozent der Iraner spricht. Dass die Krise etwas
Äußerliches ist, ist im Iran kein Konsens.
Eine Kritik
der Gewalt des Souveräns, die des imperialen wie national
beschränkten, ist mit dem antiimperialistischen Kategorienapparat
nicht zu haben. Dass Staat Gewalt heißt, ist den
Antiimperialisten Rufmord; das Diktat über die Eigenen ist
ihnen legitim, das von Imperialisten über andere aber eine Eskapade
wider die Natur. Natürlich ist es nicht so, dass alles, was der
antiimperialistische Ideologe über die USA ausspricht, eine
Projektion ist. Als militantes Organ des Wertgesetzes – eine
Funktion, die sie mit der Zwangspazifisierung der Deutschen einnahmen
– kollidiert ihr Interesse immer wieder mit dem nationaler
Souveräne. Zu anderen Jahren versprach die Militanz des Viet
Minh und anderer noch, die ungleichzeitige Existenz der
kapitalisierten Gattung zu korrigieren, in der Logik des Kapitals und
dem Fetisch von der politischen Souveränität gehorchend, so dass
das Moment der Kontrarevolution in jedem dieser Projekte ausharrte.
Heute ist die antiimperialistische Ideologie nur noch das Ticket,
sich abseits von Krise und Kapital zu halluzinieren und mit
oder gegen den realen nationalen Souverän an der
nationalen Formierung teilzuhaben. In Istanbul etwa hausiert
die Türkiye Komünist Partisi mit Aufrufen wie: „Frömmelnder,
Geldbesessener, Amerikanist. Du bist nicht die Türkei!“ (Yobazsın,
paracısın, Amerikancısın. SEN TÜRKİYE DEĞİLSİN!).
Bebildert sind sie mit einer islamischen Gebetskette, die mit dem
Symbol des Dollars endet. Noch in der säkularen Konfrontation mit
dem Regime der türkischen Muslimbrüder rekurrieren sie auf die
nationale Projektion nach außen. Darin, dass die
antiimperialistische Ideologie jeden Konflikt nach außen verschiebt,
ist sie so malignen, mit ihr ist auf keine revolutionäre Erhebung zu
hoffen, nur auf die nationale Versöhnung des Unversöhnlichen.
In den USA
wird die abstrakte Totalität des Kapitals konkretisiert, nicht nur
weil sich ihre Blutspuren als militantes Organ des Wertgesetzes über
die eigenen Grenzen hinweg ziehen. Wäre es die Akkumulation von Tod
und menschlichem Leid durch die Gewalt des Souveräns, die die
rhetorische Militanz der Antiimperialisten provoziert, sie hätten
sich zu keinem Moment zu Komplizen der khomeinistischen Despotie im
Iran, des Al-Ba’ath-Regimes im Irak oder der Hezbollah, also
zu einigen der bestialischsten Blutsäufer gemacht. Der
nationalen Konstitution der USA vermisst es an Autochthonität, an
der Verwurzelung in Blut und Boden, an dem Schein, ein Staat des
ganzen Volkes und keine kapitalisierte Sozietät zu sein. Im
anti-US-amerikanischen Ressentiment modifiziert sich sodann der Hass
auf die Juden, deren erzwungene kosmopolitische Mobilität, als
Wurzellosigkeit denunziert, mit der „Magie des Geldes“ (Marx)
identifiziert wird. Dass das Geld das „reale Gemeinwesen“
(Marx) der kapitalisierten Gattung ist, wird abgespalten und allein
in den USA personifiziert. Dagegen sind in der äußersten
antisemitischen Konsequenz des antiimperialistischen Denkens die USA
nur ein weiteres Objekt jüdischer Konspiration. Etwa in dem Dialog
zwischen der khomeinistischen Despotie und dem White Civil
Rights-Veteranen David Ernest Duke. Dieser verdächtigt „die
jüdische Suprematie“, die Immigration von Nicht-Europäern zu
forcieren: “In summary, massive non-White immigration has been one
of the most effective weapons of organized Jewry in its cultural and
ethnic war against the European American.” Nah an diesem
Niveau laviert eine jede antiimperialistische Kumpanei mit der
Islamischen Republik: die Verständigung, wer die reale Anti-Nation
sei.
Wie
das Kapital scheidet zwischen phänomenalem und funktionalem
Menschen, indem es ihn als Rohmaterial der Verwertung identifiziert,
so auch zwischen wahrem und falschem Bedürfnis: das heißt, um ein
Bedürfnis zu befriedigen, muss dieses die Wertform annehmen, denn
eine andere Form, als die, durch die hindurch das Kapital sich
reproduziert, existiert nicht – auch nicht in Riyadh oder Teheran.
Nationale Souveränität heißt selbst zwischen
wahrem und falschem Bedürfnis zu scheiden, also auszusprechen, nach
welchen Kriterien das mit dem Souverän identifizierte
Menschenmaterial sich zu reproduzieren hat, ohne die Formen zu
verlassen, durch die das Kapital sich realisiert – noch ein Ali
Khamenei gebraucht das Geld, möge er sich danach auch die Hände
wundscheuern. Im Iran heißt der Souverän Velayat-e Faqih, das heißt
das durch den obersten religiösen Rechtsgelehrten Ali Khamenei
repräsentierte absolute Kommando in Absenz des okkulten Imams. Der
Souverän im Iran ist ein klerikalterroristischer und
militaristischer Zwangsapparat, der dann doch immer wieder in
miteinander konkurrierende Rackets, also Teilsouveräne, zerfällt,
die sich nur noch im Hass auf Israel und die individuelle und hier
vor allem sexuelle Differenz synthetisieren. Wo den
zwangsislamisierten Menschen sich das Moment auftut, sich der
khomeinistischen Erpressung zur Homogenität zu entziehen, im Exil
oder in den noch nicht ausgeräucherten Refugien beschädigter
Intimität, zögern sie nicht, es zu tun. Den Khomeinisten ist es
bewusst, dass auch unter klerikaler Souveränität die empirischen
Menschen alles andere sind als eine dem entschwundenen Imam würdige
al-Umma al-islamiya, sodann intensivieren sie die Repression gegen
jede Differenz und geißeln als enthemmte Aggression, was sich gegen
den Zwang zur Homogenität erhebt. So konstatiert Mehr News, dass
Kleriker mehr und mehr physisch bedroht werden, wie in Shahmirzad, in
der nördlichen Provinz Semnan liegend, wo eine Frau die
Repression zu
kontern wagte:
“I
politely [told] her to cover herself up,” said Hojatoleslam Ali
Beheshti, an Iranian cleric in the city of Shamirzad in Semnan
Province, describing a recent encounter with a woman he believed was
improperly veiled. “She responded to me by saying: 'You [should]
close your eyes.’ The cleric, who spoke to the semi-official Mehr
news agency, said he repeated his warning to the “bad hijab”
woman, which is a way of describing women who do not fully observe
the Islamic dress code that became compulsory following the 1979
revolution. “Not only didn’t she cover herself up, but she also
insulted me. I asked her not to insult me anymore, but she started
shouting and threatening me”, Beheshti said. “She pushed me and I
fell to the ground on my back. From that point on, I don’t know
what happened. I was just feeling the kicks of the woman who was
beating me up and insulting me.”
In diesem
Sinne: für die antiklerikale Revolution
(1) R. Göbel,
in: junge Welt (jW), 02.07.2009.
(2) K.
Mellenthin, in: jW, 27.09.2012.
(3) K.
Mellenthin, in: jW, 25.02.2012.
(4) W.
Pirker, in: jW, 20.06.2009.
(5) In
Protest gegen die ihnen drohende Zwangshijabisierung riefen am 8.
März 1979 tausende
von Frauen in Teheran „Weder westlich noch östlich – Freiheit
ist universal“. Der Versuch, die khomeinistische Regression zu
kontern, endete in Repression und dem Schweigen der anderen.
(6) H.
Brandscheidt, in: konkret texte, S. 219.
(7) Fars
News, 29.10.2007.
(8) Für
Bahman Nirumand, ein in das Islamische Erwachen sich
hineinfühlender säkularer Intellektueller, war der Coup gegen
Mosaddegh „eine nationale Demütigung, die ein ganzes Volk spürte“,
die aber mit dem 4. November 1979 gerächt worden sei. S. Taz,
08.12.2009.
(9) Die
Fedajin-e Islam terrorisierten und ermordeten seit den 1940er
„korrupte Individuen“ - wie am 11. März 1946 den Apostaten Ahmad
Kasravi, einem Kritiker der Obskurität im schiitischen Islam. An
ihnen hätte jedem vor dem Jahr 1979 gewahr werden können, was eine
Islamische Republik zu heißen hätte.
(10) Der
Klerus war es auch, der in seiner frommen Furcht vor einer Republik
das Ende der Monarchie aufschob und die Dynastie der Pahlavi erzwang.
Noch als Ministerpräsident brachte Reza Khan im Jahr 1924 die Idee
einer Iranischen Republik in das Majalis ein - inspiriert von der
Türkischen Republik eines Mustafa Kemals. Alsdann organisierte der
Kleriker Seyyed Hassan Modarres, dessen Antlitz später auf die
islamische 100 Rial-Banknote gepresst worden ist, im Majalis den
Boykott einer Abstimmung über eine Republik. Überdies agitierten
Kleriker ihr Betvieh, die Straße zu terrorisieren. Reza Khan
kapitulierte, verriet die Idee einer Republik und rekurrierte von nun
an auf die Autorität seiner Dynastie.
(11) Das
Kapital ist weder ein Prozent noch eine Konspiration, es ist eine
abstrakte wie totalitäre Form der Synthesis, ein Zwangsverhältnis,
das sich im Geld objektiviert, einer Realabstraktion, in der doch die
Sozialität eines jeden menschlichen Exemplars aus der
kapitalisierten Gattung liegt, es ist ein autistisches
Selbstverhältnis, in dem die Selbsterhaltung des Subjektes mit der
Selbstverwertung des Wertes identisch ist.
(12) So
in der Rezension von Israel Shamirs Blumen aus Galiäa,
jW, 27.06.2005.
(13) Die
Juden waren gezwungen, in Reaktion auf die antisemitische Aggression,
die wie die Krise der kapitalisierten Sozietät einhaust, Staat und
Nation sich anzueignen, um in diesem falschen Ganzen aus Staaten und
Nationen zu existieren – mit allen Konsequenzen. Da es die Formen
von Staat und Nation sind, die dieses Asyl der antisemitisch
Gehetzten garantieren, sind es die falschen, aber in einem Moment, in
dem die soziale Revolution gestundet ist, die einzigen Formen, der
antisemitischen Aggression militant zu entgegnen.
(14) W.
Pirker, in jW, 24.04.02.
(15) Gegen
die USA und Israel, diesem Staat gewordenen „Völkerhaß“, so der
Nationaldemokrat Jürgen Gansel, gebühre den Muslimen die
„Solidarität von Nationalisten“. Die Hamas garantiere folglich
den „palästinensischen Selbstbehauptungswillen“. Auch
die Deutsche Stimme (02.05.2011) prustet von einem
„arabischen nationalen Sozialismus“, einer Front der
Souveränisten gegen die Anti-Nation Israel.
(16) The
Palestinian resistance movement of the Islamic Jihad has
hailed Iran for its military and financial support
for the Palestinian people that helped them defeat the Israeli regime
during its eight-day war on the besieged Gaza Strip.
The movement said on Thursday that, with the help of Iranian
technology on producing Fajr (Dawn) 5 missiles, Israel’s
communication systems were targeted. In: Press TV,
22.11.2012. Oder: Commander of the Islamic Revolution Guards
Corps (IRGC) Major General Mohammad-Ali Jafari says Iran has provided
the Palestinian resistance movement, Hamas, with only the technology
to produce Fajr 5 (Dawn) missiles. In: Press TV, 21.11.2012.
(17) Der
AIK aus Wien zufolge sei die Hezbollah nicht revolutionär, aber
wenigstens „sozialdemokratisch“ (11.08.2006), ihr Interesse sei
die „Souveränität des Volkes“, ihre politische
Programmatik eine Schablone für jede weitere „Vereinigung des
Volkswiderstands“ (AIK, 16.12.2009). Zum heroischen
Widerstand in
Ghazzah lese man nur die jüngsten Aufrufe der Vierten
Internationalen oder
der RCIT.
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