Sonntag, 10. Dezember 2023

Flugschrift: Notizen zum antijüdischen Furor in der Türkei

 

Wenn der faschistische Agitator von den Juden spricht, äußert er sich zuallererst über sich selbst. In der Dämonisierung Israels, dem Staat der Juden, spiegelt sich sein eigenes Wesen. Seine Empörung ist projizierte Aggression. Als Antizionist ist in ihm kein Staatskritiker verloren gegangen. Vielmehr leugnet er beharrlich, dass Israel überhaupt ein Staat ist. Israel ist dem Antizionisten eine illegitime Entität, ein Retortenprodukt oder ein bösartiges Geschwür. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan etwa raunte unlängst davon, dass Israel sich „wie eine Organisation und nicht wie ein Staat“ geriere. „Örgüt“, Organisation, ist in der türkischen Propaganda die Chiffre für die ewige Intrige gegen den erhabenen Staat unter blutroter Flagge. Ihre gnadenlose Ausrottung in Nordsyrien oder Bergkarabach etwa wird tagtäglich als nationale Existenzfrage beschworen.


Mit der Benennung „örgüt“ werden in der Propaganda gemeinhin die kurdischen Abtrünnigen am türkischen Staat denunziert, doch der Vorsitzende der Büyük Birlik Partisi, Mustafa Destici, kläfft in diesen Tagen, dass Israel die „unbarmherzigste“ und „mörderischste“ unter allen „terroristischen Organisationen“ sei. Für den faschistischen Idealisten, dessen „Partei der Großen Einheit“ Kleinkoalitionär in der türkischen Staatsfront ist, sind auch die Anrainer-Republiken der Griechen und Armenier keine wahren Staaten, vielmehr existieren sie als „Barriere- und Puppenstaaten“ einzig in dem imperialistischen Interesse, einen wahrhaften Staat, nämlich den türkischen, von allen Seiten einzuengen. „Die türkische Nation“, so der heulende Wolf, habe „den Willen und die Entschlossenheit – bei weiteren gefühlten Provokationen – die beiden Staatsattrappen „aus der Geografie zu eliminieren“.


Auch der Vorsitzende der Partei Hüda Par, Zekeriya Yapıcıoğlu, spricht davon, dass Israel „kein Staat“, vielmehr eine „terroristische Organisation“ sei. Seine Partei ist ebenso Kleinkoalitionär in der türkischen Staatsfront und das offiziöse Antlitz der kurdischen Hizbullah, die in den 1990er als Todesschwadrone berüchtigt war und angesichts ihrer Bestialität von vielen nur Hizbul Vahşet, „Partei der Gräuel“, gerufen wurde. In den vergangenen Jahren traten ihre Kader den Marsch in die Institutionen an. Nach Süleyman Soylu folge die Koalition der AKP mit der Hüda Par der „Staatsräson“, sie sei ein „strategischer Schritt“ zur „Wiederbelebung des Konservatismus“ in den kurdischen Provinzen. Wie diese Wiederbelebung aussieht, ist auf den tagtäglichen Parteiparaden zu beobachten, wo die Hüda Par Kinder als Abu Ubayda kostümiert, dem berüchtigten, mit der Kufiya vermummten Kader der al-Qassam-Brigaden. Die AKP-nahen Gazetten schwören indessen auf die Dringlichkeit der Judenfrage ein: „Die Juden“, so der namhafte Kolumnist Yusuf Kaplan in der Yeni Şafak, „haben keine Heimat. Sie haben nur einen Gott: Kapital/Geld.“ Mit ihrer „gierigen Mentalität“ hätten sie auch die Europäer korrumpiert. Der „perverse Glauben“ der Juden, titelt die Yeni Şafak am 8. Dezember, sei „ein Virus“, der ausgerottet werden müsse. In der Yeni Akit indessen ersieht Şevki Yılmaz ein baldiges Ende der „tyrannischen Juden und ihrer Kollaborateure“. Israel werde, so der Veteran der Millî Görüş in Vorfreude, „Staub sein“.


Die türkische Staatsfront der AKP ist ein Pakt rivalisierender Banden: Von der Hizbullah mit ihrer Vergangenheit als Todesschwadrone und ihrer Nähe zum khomeinistischen Iran, über die laizistische Vatan Partisi von Doğu Perinçek, der als geistiger Bruder von Aleksandr Dugin eine eurasische Achse mit der khomeinistischen Despotie und dem großrussischen Regime fordert, um das Ende der „atlantischen Ära“ zu erzwingen, bis hin zu den Parteien völkischer Idealisten, den Grauen Wölfen, zu denen sich die Granden der organisierten Kriminalität, wie Kürşat Yılmaz und Alaattin Çakıcı, bekennen. Sie verbrüdern sich einzig im Hass auf die Abtrünnigen.


Örgüt“ – das ist auch eine Chiffre dafür, dass in der Republik der Türken nahezu zwanghaft die Paranoia gekitzelt wird, existenziell bedroht zu sein. Eine Paranoia, die in der Schuld gründet, dass das Fundament des eigenen Staates der Genozid an den anatolischen Christen ist. Ein weiterer Kolumnist des AKP-nahen Boulevards, İbrahim Karagül, mahnt, dass es „dringend eilt“, die Konföderalisten in Syrien und Irak „auszurotten“. Ihre „Organisationen“ seien „der größte Trumpf“ von Israelis und US-Amerikanern. Mit ihnen drohe eine noch „viel größere Front in unserem Süden“. Im kurdischen Kobani, rumort es in der Mördergrube, existiere ein „Rekrutierungsbüro der israelischen Armee“. In der sich in der laizistischen Tradition Mustafa Kemals wähnenden Gazette Aydınlık erblickt Tevfik Kadan einen mysteriösen „David Korridor“, über den „das sogenannte ‚Kurdistan‘“ mit Israel vereinigt werden soll. Das Zentralorgan der Vatan Partei spekuliert, dass Israels Militärkampagne gegen Syrien ausgeweitet werde, um vom Golan in das syrische Deir ez-Zor vorzustoßen. Tevfik Kadan schlussfolgert, dass die türkische Militärstrategie einer Pufferzone in Nordsyrien sinnlos sei. Vielmehr müssen die konföderalistischen Organisationen „vernichtet“ werden. „Das wäre der größte Dienst“, so der laizistische Ultranationalist, „den wir Palästina ... und uns selbst tun könnten“.


Es ist ein Mitgliedstaat des Nordatlantikpakts, dessen Staatspräsident als Agitator eines globalisierten Milieus auftritt, aus dem heraus die islamofaschistische Konterrevolution in Afrin, Conflans-Sainte-Honorine oder Re'im zur Tat schreitet. Die Zuneigung der türkischen Staatsfront gilt seit einigen Jahren den Protagonisten jener dunklen Heilsideologie der „Todesindustrie“, für die sich die Hamas in Berufung auf eine gleichnamige Schrift des Muslimbruders Hassan al-Banna aus dem Jahre 1938 rühmt. Mit Ismail Haniyeh und Saleh al-Arouri reiste in den vergangenen Jahren die erste Garde der Organisation ein und aus und traf sich zu vertrauten Gesprächen mit dem Staatspräsidenten. Vor allem die berüchtigte İHH İnsani Yardım Vakfı, die unter der AKP auch die zuvor streng laizistischen Bildungsinstitutionen infiltrieren konnte, fungiert als Fundraiser für die Hamas.


Am 3. November begann die staatsnahe İHH unter Schlachtrufen wie „Ey, Qassam (Brigade) – wir sind mit euch bis zum Tod“ mit einem mehrtägigen Konvoi von İstanbul zur südtürkischen Garnison İncirlik, auf der neben der türkischen auch die 39. Einheit der US-amerikanischen Air Force stationiert ist. Für Bülent Yıldırım, Vorsitzender der İHH, und seine Freunde ist İncirlik ein „kleines Israel“. Sie beschwören eine drohende Invasion der US-Amerikaner. Während am späten Abend Antony Blinken in Ankara erwartet wurde, eskalierte in İncirlik die orchestrierte Raserei. Hunderte türkische Freunde der Qassam Brigaden durchbrachen die polizeilichen Absperrungen mit der Absicht, die Garnison einzunehmen. Die türkische Polizei hielt sie mit Kanistern an Reizgas davon ab. Mit den beschwichtigten Worten, dass „die Zeit für den Gihad noch kommen wird“, erklärte Bülent Yıldırım den Aufmarsch für beendet und versicherte allen Zweifelnden, dass „unser Präsident“ Erdoğan mit ihnen sei.


Islamistische Agitatoren außerhalb der Staatsfront, wie etwa Mahmut Kar von der Hizb ut-Tahrir, fordern den Marsch der türkischen Armee nach Jerusalem und beschuldigen Erdoğan der Heuchelei. Die Hizb ut-Tahrir, die Mustafa Kemals Erbe verachtet und das Kalifat herbeiruft, genießt in der türkischen Republik dennoch alle Freiheiten. Sie ermahnt und schmäht Erdoğan persönlich, wie es kein anderer Oppositioneller tun könnte, ohne Vergeltung fürchten zu müssen. „Die Ummah des Islams“, so die Hizb ut-Tahrir auf ihrer jüngsten Istanbuler Konferenz zur Judenfrage, könne auf militärische Technologie und „Millionen gläubiger Soldaten und junger Menschen, die sich nach dem Märtyrertod sehnen“, vertrauen. Es fehle ihr einzig an einer legitimen Führung, die den Befehlt zum Marsch erteile. Unverhohlen ruft die Hizb ut-Tahrir zur Auferstehung des Kalifats auf, denn einzig ein Kalif, so die Organisation, könne die Armeen nach Jerusalem führen, „um die jüdische Existenz auszurotten“.


Die türkische Republik war im Jahr 1948 der erste muslimische Staat, der Israel als souveränen Staat anerkannt hat. Über Dekaden war ihr Israel der nahezu einzige kontinuierlich seriöse Partner in der Region. Das erweckungsislamische Milieu der 1970er Jahre, dem Erdoğan entkrochen ist, indessen stand von ihren ersten Tagen an in der antizionistischen Tradition der Muslimbrüder. Die Juden personifizierten für sie, was sie als existenzielle Bedrohung verstanden: die Aufklärung, das Hereinbrechen einer krisenhaften Moderne, kommunistische Perversion und feministische Demolierung der Familie. Bei der Jugendorganisation der Akıncılar, wo der juvenile Erdoğan als karrierebewusster Agitator auftrat, war das Gerücht über „die Schändung“ der al-Aqsa-Moschee durch die „im Koran verfluchte jüdische Nation“ zentrales Moment ihrer Propaganda. Die islamische Jugend las Necip Fazıl Kısakürek, Idol Erdoğans und Vordenker eines „Islamischen Großen Osten“, der in seinen Schriften die liberalen und kommunistischen Gespenster der türkischen Modernisierungsdiktatur mit den wahnhaftesten antijüdischen Gerüchten exorzierte. Nicht viel anders als heute waren die sozialistischen Parteien auch in den 1970er Jahren Komplizen - und an manchen Tagen auch Avantgarde - des konterrevolutionären Hasses auf Israel. Der bis heute verehrte Mahir Çayan und dessen Volksbefreiungspartei-Front der Türkei (THKP-C) ermordeten am 17. Mai 1971 in Istanbul den israelischen Generalkonsul Ephraim Elrom.


In diesen Tagen erneuert Erdoğan seine Anschuldigung, dass sich Israel wie „eine Organisation“ verhalte, die Hamas dagegen sei „keine terroristische Organisation“. Vielmehr sei sie, so der türkische Staatspräsident, eine nationale Befreiungsbewegung. Wirkte Erdoğan in den ersten Tagen nach dem Massaker am 7. Oktober angesichts der Vielzahl an rivalisierenden antizionistischen Einpeitschern noch wie ein Getriebener, inszeniert er sich wieder als „der Reis“ unter den faschistischen Agitatoren. Auf der Istanbuler Massenchoreografie am 28. Oktober, zu der die türkische Staatsfront aufrief, drohte er Israel, dass „wir eines Nachts unerwartet kommen können“. Die Masse brüllte: „Hier ist die Armee, hier ist der Kommandeur“. Das antizionistische Geschrei verrät vor allem das eigene revanchistische Gelüste der nationalen Entgrenzung. So sprach Erdoğan am 28. Oktober unverhohlen davon, dass Gaza, Skopje, Thessaloniki, Mossul und Aleppo ihnen ebenso gehöre „wie unser Blut und unsere Seele“. Und natürlich raunte Erdoğan auch von den Dunkelmännern hinter den „erbärmlichen Terroristen“ in Nordsyrien. Sein antiimperialistischer Opfermythos ist projizierter Geltungsdrang, in Unschuld sich verhüllende imperiale Aggression.


Es war vor allem auch die europäische Gleichgültigkeit gegenüber der türkischen Vernichtungskampagne in Nordsyrien, die dem türkischen Regime die Gewissheit brachte, keinerlei Konsequenzen erwarten zu müssen. Als am 12. Oktober 2019 die syrische Kurdin Hevrîn Xelef auf dem Weg nach Rakka von einer Straßensperre einer islamistischen, mit der türkischen Staatsfront kollaborierenden Miliz überrascht wurde, diese Barbaren sie an den Haaren durch den Staub zerrten, auf sie einschlugen und sie schlussendlich hinrichteten, ganz so wie am 7. Oktober die Hamas Jüdinnen und Juden, besang die türkische Propaganda den bestialischen Mord als Triumph über den Feind. Hevrîn Xelef war bis zu ihrem Tode Generalsekretärin einer syrischen Partei, die im befreiten Rakka gegründet wurde, um die Idee eines säkularen und nicht-ethnizistischen Syrien zu verwirklichen. Die türkische Militärstrategie der systematischen Devastierung Nordsyriens, infolgedessen viele Menschen tagelang ohne Elektrizität und Wasser auszuharren gezwungen sind, verunmöglicht mehr und mehr das Leben in jener anti-islamistischen Bastion, an der zuvor noch der Islamische Staat gescheitert war. Ohne die pathische Indolenz Europas, dem völligen Desinteresse gegenüber der Katastrophe, dass etwa aus dem säkularen Afrin nach der türkischen Okkupation ein Territorium rivalisierender islamistischer Gangs wurde, unter der die syrische al-Qaida die berüchtigste ist, wäre die türkische Staatsbestie wahrscheinlich weniger ungezähmt. Indessen trottet in diesen Tagen Robert Habeck lustlos durch Ankara und mahnt „Reformbedarf“ im türkischen Justizwesen an, um europäischen Investoren mehr Sicherheit zu garantieren. Und Annalena Baerbock empfängt ihren türkischen Amtskollegen Hakan Fidan in Berlin zur ästhetisch inszenierten „Krisendiplomatie“.


Dass die blutrote Republik zur islamistischen Mördergrube wurde, ist für die türkische Staatsfront auch eine Investition in ihre internationale Geltung. Die Tagesschau etwa spricht von ihr als eventuellen „Gastgeber für Gespräche“ mit der Hamas. Doch auch wenn bei Bloomberg Opinion jüngst glauben gemacht wurde, dass Joseph Biden nur persönlich mit Erdoğan sprechen müsse, um zu einem Ende der „Gaza Krise“ zu kommen, sind es bislang einzig Katar und Ägypten die ihr Prestige als „Mediatoren“ erhöhen konnten.


So wahnhaft das Geraune der türkischen Staatsparanoia und so komplizenhaft die europäische und nordamerikanische Beschwichtigungspolitik auch ist, verrät beides doch vieles über die regionalen Konstellationen. Die laizistische Vatan Partei, deren Übervater Doğu Perinçek jüngst mit Kadern der Hamas vor dem Porträt Mustafa Kemals konferierte, spricht sich für eine eurasische Achse mit der Islamischen Republik Iran, dem großrussischen Regime und ihren Satelliten aus. Im syrischen Deir ez-Zor, dessen Territorien östlich des Euphrats mit der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien assoziiert sind, investiert das khomeinistische Regime seit längerem ausgiebig in Infiltrierung und Destabilisierung. In den vergangenen Tagen eskalierten in der Region die militanten Anfeindungen durch seine Proxy-Milizen.


Nur wenige Stunden nach dem Beginn der „al-Aqsa Flut“ wartete Ali Khamenei auf seiner mehrsprachigen X-Präsenz mit einer Sequenz vom Massaker von Re'im auf. Die vor den Todesschwadronen flüchtenden Festivalgäste bedachte der faschistische Jubelgreis mit dem freudigen Ausruf, dass das „Geschwür des zionistischen Usurpatorenregimes“ alsbald ausgerottet werde. Nur wenige Tage vor dem Massaker hatte Khamenei die muslimischen Staaten vor einer Annäherung an Israel eindringlich gewarnt. Der „Widerstand“ werde baldigst über Israel triumphieren. Es ist augenfällig, dass das Massaker vom 7. Oktober auch dem perfiden Kalkül folgte, die Annäherung zwischen Israel und den arabischen Staaten im Geiste der Abraham Accords zum Scheitern zu bringen.


Anders als in der türkischen Republik, wo in diesen Tagen die Lust am Gerücht über die Juden kollektiv ausagiert wird, ist das khomeinistische Regime im Iran selbst an der Etablierung einer solchen Front der antizionistischen Raserei gnadenlos gescheitert. Während die khomeinistische Cyberarmee sich mit dem Massenandrang bei den antiisraelischen Aufmärschen in London, Paris, San Francisco oder Sydney rühmt, ähneln die vom Regime agitierten Anrottungen in Teheran oder anderswo im Iran einer trostlosen Geselligkeit von den noch verbliebenen Greisen der Islamischen Revolution. Als etwa mit Fars das Propagandaorgan der Wächterarmee der Islamischen Revolution vom antiisraelischen Massenaufmarsch am 11. November in London begeistert als der beeindruckendsten antiisraelischen Demonstration „mit mehr als einer Million Menschen“ sprach, spöttelten Iraner, dass in Teheran, der Kapitale der „Achse des Widerstandes“, nicht mehr als einige wenige Tausend Regimebüttel zu solchen Aufmärschen hinkämen.


Während im Iran also das Brüllvieh mehr und mehr dahinschwindet, sprechen sich viele prominente als auch weniger prominente Oppositionelle der iranischen Diaspora, wie etwa Masih Alinejad und Reza Pahlavi, explizit für Solidarität mit Israel aus. Einig sind sie sich darin, dass das khomeinistische Regime, wie es etwa Abdullah Mohtadi als Generalsekretär der kurdischen Partei Komala ausdrückt, das „Haupt der Schlange“ ist, die jeden Frieden verunmöglicht, und dass jede Beschwichtigung dem Regime gegenüber, nur die nächste Anhäufung von Trümmern heraufbeschwört. Denn ganz wie bei der fatalen Übernahme Afghanistans durch die Taliban im Jahr 2021 ist es nicht seine Popularität, worin die regionale Geltung des khomeinistischen Regimes gründet, es ist vielmehr seine ausdauernde Investition in Destabilisierung und Milizwesen. Ganz ähnlich wie der withdrawal aus Nordsyrien einer Absolution für jene türkische Staatsbestie gleich kam, die in diesen Tagen am hysterischsten heult, ist die Beschwichtigung gegenüber dem Regime, etwa die europäische Absage gegenüber der verzweifelten Forderung iranischer Revolutionäre, die Wächterarmee als terroristische Organisation zu kriminalisieren, eine Carte blanche für den Islamischen Staat im Geiste Ruhollah Khomeinis.


Während in diesen Tagen Osama Bin Laden post mortem zum TikTok-Influencer wurde und die Parteinahme für das antijüdische Pogrom an US-amerikanischen und europäischen Universitäten als fashionable gilt, assoziieren sich Iraner im Exil zu den entschlossensten Gegnern des sich demonstrierenden Vernichtungswillens. Und so sind es in London, Paris und anderswo vor allem auch Exil-Iraner, die sich mit Israel solidarisieren und der islamofaschistischen Rotte entgegentreten, im Wissen, dass der antiisraelische Wahn und die tugendterroristische Despotie, die im Iran jüngst die sechsjährige Armita Geravand ermordet hat, eins sind.


Der Antisemit verfällt nicht einem Trugschluss, er entscheidet sich in voller Überzeugung für eine Ideologie, die die Wahrheit verachtet und verächtlich macht. In der israelischen Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1948 werden „die in Israel lebenden Araber“ aufgerufen, „den Frieden zu wahren“ und bei „voller bürgerlicher Gleichberechtigung und entsprechender Vertretung in allen provisorischen und permanenten Organen des Staates“ an der Staatsgründung teilzuhaben. Den arabischen Staaten wird in der von David Ben-Gurion verlesenen Unabhängigkeitserklärung „die Hand zum Frieden“ gereicht. Die Antizionisten hassen Israel nicht für etwaige Staatsverbrechen, sie hassen es, weil es den Zionisten gelungen ist, einen Staat zu gründen, der freier und prosperierender ist als die finsteren Republiken arabischer Auferstehung von Nassers Ägypten bis hin zu den Staatsruinen der Baʿth-Regime. Anders als zuvor noch die osmanische Staatsbestie raubten die ersten Generationen jüdischer Pioniere keinen Boden. Sie kauften es über kollektive Fonds den arabischen Efendis ab, von denen viele zuvor auf Wertsteigerung brachliegenden Bodens spekuliert hatten. Diese jüdischen Pioniere, viele von ihnen Parteigänger sozialistischer Ideen, gründeten Musterdörfer, forsteten kahle Hügel auf, entsalzten Böden und trockneten Sümpfe aus, um die mörderische Malaria auszurotten. Sie unternahmen das, wozu der osmanische Staat zuvor nicht gewillt war: die Modernisierung der palästinensischen Urproduktion.


Das einzige feierliche Versprechen dagegen, welches die Parteien der arabischen Auferstehung machten, war die baldige Vernichtung Israels. Man erinnere sich nur daran, als wenige Stunden nach der israelischen Ungültigkeitserklärung am 14. Mai 1948 eine Allianz arabischer Armeen in den jüdischen Staat einmarschiert ist. Die arabischen Wortführer fabulierten von einem raschen Durchmarsch, der die Juden in das Meer und somit in den Tod drängen wird, während die Geistlichkeit der ehrwürdigen al-Azhar in Kairo und mit ihnen die Muslimbrüder die Vernichtung Israels zur heiligen Pflicht ernannten. Oder man erinnere sich an die Jubelmärsche in Kairo 1967 in den Vortagen des militärischen Debakels der ägyptischen Armee, als der Schlachtruf „Töte“ durch die Straßen dröhnte und siegesgewiss Judenpuppen stranguliert wurden. Von diesem Vernichtungswahn, der den eigenen Tod einkalkuliert, zeugt auch ein abgehörtes Telefongespräch vom 7. Oktober aus dem südisraelischen Kibbuz Mefalsim. Von dort rief einer der palästinensischen Pogromisten mit dem Telefon einer von ihm zuvor ermordeten Frau seine Familie in Gaza an, um ihr freudig mitzuteilen, Juden eigenhändig abgeschlachtet zu haben: „Papa, schaue auf mein WhatsApp und du siehst alle Getöteten. Schaue, wie viele ich mit meinen eigenen Händen getötet habe. Dein Sohn hat Juden getötet.“ Als sein Bruder ihn bittet, nach Gaza heimzukommen, erwidert der Pogromist irritiert: „Was meinst du mit ‚Heimkommen?‘ … Es ist entweder Tod oder Sieg. Schaue WhatsApp. Schaue dir die Toten an."


In Gaza wurden die Pogromisten frenetisch empfangen, junge Männer, manche noch Kinder, bespuckten die menschliche Beute, schlugen unter dem triumphalen Gebrüll „Allahu Akbar“ auf sie ein und bezeugten ihre Freude am Pogrom mit TikToks. Sie alle, die Mörder, das Brüllvieh, ihre stolzen Mütter als auch jene, die mit triumphaler Geste Lokum auf den Straßen von Gaza darboten, wussten, dass die Reaktion der israelischen Armee auf das Pogrom gewaltig sein wird. Berauscht durch die Sequenzen der Bodycams, mit denen die Hamas die Bestialität ihrer Mordbrennerei bezeugt, und ermutigt durch die Propaganda eines notorischen Größenwahns, ist dieses suizidale Mordkollektiv gleichgültig gegenüber dem eigenen Leben, solange es Freude dafür empfindet, den Tod über jene zu bringen, die das Leben nicht verachten. Wenn also der ranghohe Hamas-Kader Ghazi Hamad vom Libanon aus seinen „Stolz“ äußert, „Märtyrer zu opfern“ und weitere Pogrome prophezeit, bis Israel vernichtet sei, kann die antimilitaristische Forderung zur Stunde nur der Ruf nach einem Aufstand gegen diese Todesindustrie sein. Es wäre ein Aufstand aus purem Eigeninteresse am Leben. Während die sogenannte „pro-palästinensische Solidarität“ mit Slogans wie „From the River to the Sea“ den Wahn von Erlösung durch Judenmord reproduziert, werden jene Palästinenser totgeschwiegen, die in diesen Tagen die Hamas und ihre Finanziers dafür verfluchen, dass sie Trümmer und Tod über Gaza gebracht haben.


Allein gelassen sind seit jeher die Abtrünnigen der Todesindustrie. Am 24. November, dem ersten Tag der durch Ägypten und Qatar meditierten ceasefire, lynchte in Tulkarm eine Rotte aus hunderten Freunden der Qassam Brigaden zwei junge Männer, die der Kollaboration mit Israel beschuldigt wurden. Unter dem penetranten Gebrüll „Allahu Akbar“ wurden die Leichen, wie im Ritus, geschändet, durch den Staub geschleift und, als Drohung an alle anderen, an einem Stahlmast gefesselt. Am selben Tag wurden vor der Istanbuler Beyazıt-Moschee angesichts des Todes türkischer Volontäre bei den Qassam Brigaden im Südlibanon die „Gratulationswünsche“ der Hamas-Eminenz Ismail Haniyya an die Familien der Toten verlesen und frohmütig verkündet, dass „Israel im Blut der Märtyrer ertrinken“ werde. Der Name einer der beiden Märtyrer, Yakup E., wurde im Jahr 2011 aktenkundig, als die türkische Justiz noch nicht vollends ein Repressionsorgan der AKP war. Der in diesen Tagen als Vorkämpfer gepriesene Yakup E. galt der Justiz als ein ausgewiesener Kader der türkischen Filiale der khomeinistischen al-Quds Brigade.


Montag, 2. Januar 2023

Flugschrift zum aktuellen Stand der revolutionären Erhebung im Iran Teil II

 

Das Ideal der islamischen Familie umriss Ruhollah Khomeini als er im Jahr 1981 forderte, dass bei „konterrevolutionären Umtrieben“ Eltern ihre Kinder und Kinder ihre Eltern und Geschwister zu denunzieren hätten. Das Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) – mit dem ZDF und ARD jahrelang kooperiert haben – führte im selben Jahr den Idealtypus der islamischen Mutter vor: Im schwarzen Chador gehüllt sitzt die Frau ihrem Sohn gegenüber. Der junge Mann, dem als „gottloser Marxist“ die Hinrichtung droht, hält weinend ihre Hände, während sie in das Mikrofon spricht, dass er nicht länger ihr Sohn sei, wenn er sich der „Feindseligkeit gegenüber Allah“ schuldig gemacht habe. Die Khomeinisten hatten der Mutter zuvor zugesichert, dass ihr Sohn nicht hingerichtet werde, wenn sie an der Propagandainszenierung teilhabe. Entgegen dem Versprechen richtete das Regime Mahmud Tariqoleslami wenig später im Kashefi Garten von Isfahan doch hin – derselben Kulisse, vor der er verzweifelt die Hände seiner Mutter hielt. Ruhollah Khomeini pries den propagandistisch inszenierten Bund zwischen Mutter und Henker: „Ich will mehr solche Mütter sehen, die ihre Kinder aushändigen, ohne eine Träne zu verlieren. Das ist wahrer Islam“. Ali Khamenei erblickte darin eines der schönsten Epen des Islams.


In Wahrheit fürchtet das Regime die toten Körper der Ermordeten ebenso wie ihre Familien. Als am 12. Dezember in Mashhad Majidreza Rahnavard als „Feind Allahs“ gehängt wird, schreit eine Rotte an Angehörigen der Repressionsmaschinerie ein stumpfes Allahu Akbar in den Nachthimmel. In der Morgendämmerung verscharrt das Regime den Ermordeten schleunigst unter Staub, noch bevor die Familie von Majidreza über die Ausführung der Hinrichtung benachrichtigt wird. Um Trauerversammlungen zu verhindern, versperrt das Regime die Wege, die zum Haus der Familie führen. Um das Stillschweigen der Familie zu erzwingen, nimmt das Regime den Bruder von Majidreza und einen Onkel in Geiselhaft. Das ist die tagtägliche Routine eines Regimes, das die von ihm Ermordeten aus Leichenhäusern raubt, sie hastig verscharrt und die Trauernden mit mafiotischen Taktiken bedrängt.


Aus den frühen Tagen dieser islamofaschistischen Despotie mit der Fassade einer „Islamischen Republik“ ist bekannt, dass mit Mohammed Beheshti der höchste Richter Irans den Familien inhaftierter „Konterrevolutionäre“ hohe Geldsummen abpresste, die diese in der trügerischen Erwartung aufbrachten, die Hinrichtung ihrer Liebsten abzuwenden. Nach erbrachter Zahlung wurden die Regimefeinde dann doch hingerichtet. Dem „Spiegel“ (28/1981) zufolge verkauften die Emissäre von Beheshti in Hamburg zudem Teppiche, die zuvor geraubt wurden. In der Tageszeitung „Die Welt“ erschien in jenen Tagen ein Inserat, in dem kaiserliche Seidenteppiche mit einer Knotendichte von 1,2 Millionen pro Quadratmeter angeboten wurden. Inserent war Mohammed Beheshti höchstpersönlich.


Für sein Raub-Business, so der „Spiegel“, habe Beheshti mehrere Geldsummen in Millionenhöhe vom Finanzinstitut Melli auf dessen Filiale an der Hamburger Holzbrücke transferiert. Über das berüchtigte Islamische Zentrum an der Hamburger Schönen Aussicht sei die Beute auf das Konto eines deutschen Finanzinstituts eingezahlt wurden. Mohammed Beheshti war ausgesprochen vertraut mit der norddeutschen Stadt. Zwischen 1965 und 1970, als im Iran noch die Monarchie herrschte, stand Beheshti dem IZH vor, um von dort aus die revolutionären Ideen von Ruhollah Khomeini „unter den Muslimen Europas“ populär zu machen (so die Islamic Republic News Agency-IRNA). Als Hans-Dietrich Genscher im Jahr 1984 mit einem Tross aus deutschen Industriellen in den Iran reiste, suchte er das Grab des inzwischen verstorbenen Mohammad Beheshti mit einem Gedenkkranz auf.


Angesichts der traditionellen deutschen Kumpanei mit der islamofaschistischen Despotie Irans droht so manche Solidaritätsduselei in diesen Tagen mehr zu verschleiern als aufzuklären. Als da wäre etwa der Vorsitzende der SPD-Bundestagsclique, Rolf Mützenich, der noch vor einem halben Jahr für Flüssiggas aus dem Iran warb. In den Jahren zuvor vermochte Mützenich „einige Nuancen“ bei der khomeinistischen Katastrophenpolitik in Syrien zu erkennen und empörte sich über die Tötung des Schattengenerals Qasem Soleimani als Bruch des Völkerrechts. Mützenich reproduzierte dabei die Regimelüge und sprach von der „Einigkeit“ der Iraner im Verlangen nach Rache. Wenige Tage später – und geflissentlich ignoriert von Herrn Mützenich – hallten bei den PS752-Protesten die Slogans „Soleimani ist ein Mörder und sein Führer (Ali Khamenei) auch“ und „Das Regime sagt, Amerika ist unser Feind, aber es lügt, das Regime selbst ist unser Feind“ durch den Iran. In diesen Tagen indessen lugt auch Mützenich hervor, wenn seine Partei mit der Vereinnahmung des revolutionären Slogans „Frau, Leben, Freiheit“ reines Gewissen demonstriert.


Während etwa Omid Nouripour wie ein Motivationscoach aus seinen Parteifreunden den moralischen Größenwahn herauskitzelt, „keine Frau im Iran, keine Frau in der Ukraine, keine Frau in Afghanistan oder in Saudi-Arabien darf daran zweifeln, dass wir an ihrer Seite stehen“, sind die Frauen in Afghanistan, die in diesen Tagen von den Taliban aus den Universitäten geprügelt werden, genauso allein wie die kurdischen Feministinnen in Nordsyrien mit der türkischen Armee und ihrem islamistischen Frontvieh, denen das Auswärtige Amt in einer orwellschen Sprachverdrehung ein „Recht auf Selbstverteidigung“ zuspricht. Die Deutschen stehen den Frauen in ihrer zugleich aufdringlichen wie eitlen Selbstbespiegelung vielmehr auf den Füßen.


Es scheint ganz so, als haben die politisch-staatlichen Repräsentanten weder im Auswärtigen Amt noch im Kanzleramt die Absicht, dem Regime nachhaltig zu schaden. Das viel beschworene Signal an die islamofaschistische Despotie ist dementsprechend auch nicht die Sanktionierung einiger weniger Repräsentanten des Regimes, es ist vielmehr das jüngste Gespräch einer Delegation um den Beauftragten der Europäischen Union für Auswärtiges, Josep Borrell, mit seinem iranischen Amtskollegen, Hossein Amir-Abdollahian, in Amman. Dass in der Europäischen Union die „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“, mit der das Regime steht und fällt, weiterhin nicht als terroristisch sanktioniert ist, gründet nicht, wie ständig behauptet, in juristischen Schwierigkeiten. In Wahrheit wird in Berlin wie in Brüssel die Wette noch auf das Regime gemacht.



Revolutionsaufrufe aus dem November


Mehr als hundert Tage nach der Ermordung von Mahsa Amini ist es dem Regime mit Massakern, erzwungenem Verschwinden und Hinrichtungen nach wie vor nicht gelungen, die revolutionäre Erhebung niederzudrücken. Fehlt in diesen Tagen auch die Wucht, mit der noch am 17. November selbst unzählige Provinzstädtchen von den Revolutionsaufrufen erfasst wurden, vergeht doch kein Tag, an dem keine Molotowcocktails in Mullah-Seminare oder Repressionszentren der Basij-Miliz einschlagen, und in Teheran und anderswo aus Menschenansammlungen Slogans gerufen werden. Zum Jahresende erschallen über mehrere Tage in dem zentraliranischen Provinzstädtchen Semirom Slogans wie „Wir hassen deine Religion, verflucht sei deine Moral“, während die Revolutionäre in Najafabad in der Provinz Isfahan „Unser Geld ist im Libanon (bei der Hezbollah), unsere Jugend ist in Haft“ rufen. Im kleinen Semirom hatten zuvor zwischen den eingeschneiten Berghängen Tausende an der Trauerversammlung für den ermordeten Revolutionär Ali Abbasi teilgenommen. Auch auf dem Großen Bazar Teherans werden am Jahresende Slogans gerufen wie „Armut, Korruption, Inflation – wir schreiten voran zur Revolution“, während 40 Tage nach dem Massaker im kurdischen Javanrud die Revolutionäre die Straße der Kleinstadt verbarrikadieren und den Regimeschergen entgegenrufen „Kurden, Belutschen sind Geschwister – sie verfluchen den Führer (Ali Khamenei)“.


Montag, 28. November 2022

Flugschrift zum aktuellen Stand der revolutionären Erhebung im Iran

 

Im Europa der penetranten Selbstinszenierung guter Gesinnung kümmert es augenscheinlich nur wenig, wenn jene, deren Widerstand gegen die Barbarei mehr als narzisstische Selbstbespiegelung ist, massakriert werden. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es in diesen Tagen angesichts der neuerlichen türkischen Aggression gegen das vor allem kurdische Nordsyrien ein wenig lustlos: „Es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung“. Die Charakterfratzen aus dem Auswärtigen Amt meinen natürlich den Aggressor; nur nicht jene, die von türkischer Artillerie und Bayraktar-Drohnen tagtäglich terrorisiert werden. Während der territoriale Eroberungsdrang nach außen und der nationalchauvinistisch-repressive Kitt der Fraktionierung der blutroten Republik nach innen weiterhin unter das „Recht auf Selbstverteidigung“ gefasst werden, hat die syrische al-Qaida die Rivalität unter den islamistischen Rackets vorerst für sich entschieden und ist unter Aufsicht der türkischen Armee in das okkupierte Afrin einmarschiert. Ach so – das Auswärtige Amt mache sich auch „sehr große Sorgen“ um Kollateralschäden.


Es ist nicht ganz zufällig, dass die permanente türkische Aggression gegen Nordsyrien sich nunmehr wieder rasant steigert, wo auch die islamofaschistische Despotie Irans übergegangen ist, durch Militarisierung und „Allahu Akbar“ brüllende Todesschwadronen in Kurdistan die revolutionäre Erhebung niederzuschmettern. Parallel zur türkischen Aggression terrorisiert das Khamenei-Regime mit Fateh-110-Missiles und den berüchtigten Kamikazedrohnen das irakische Kurdistan, wo sich die „Demokratische Partei Kurdistan-Iran“ (PDKI) und andere regimefeindliche Parteien reorganisiert haben sowie viele Geflüchtete aus dem Iran ausharren.


Dass diese Achse des Todes ihre ganz eigene Krise an den Kurden exorziert, ist ebenso wenig zufällig. Ruhollah Khomeini denunzierte die Kurden als „Verräter“ und „Ungläubige“. Die PDKI wurde von Khomeini als „Partei des Teufels geschmäht; ihre Parteivorsitzenden wurden von Regimeschergen in Wien und Berlin ermordet. In der khomeinistischen wie auch türkischen Propaganda ist das Gerücht über die Kurden als Verräter am Staat und Ungläubige des ideologischen Heilsversprechens unverhüllt antisemitisch: so ist das Bild eines sezessionistischen Kurdistans als Intrige eines projizierten „Großisraels“ virulent.


Am 17. September eskalierten im kurdischen Saqqez, der Heimat der von den Tugendwächtern ermordeten Mahsa Amini, die Proteste gegen das misogyne Regime zur revolutionären Erhebung. Noch während der Beerdigung der jungen Frau, die von ihrer Familie mit ihrem kurdischen Namen Jina gerufen wurde, rissen sich anwesende Frauen den Zwangsschleier vom Haar und riefen die Slogans „Frau, Leben, Freiheit“ und „Ich werde denjenigen töten, wer meine Schwester getötet hat“. In Sanandaj, wo sich die Jugend noch am selben Tag erhoben hatte, wurden unzählige Schleier verbrannt und – ganz nebenbei – auch die Beschilderung der „Palästina Straße“ aus dem Asphalt gerissen. Am 19. September wurde dann zum Generalstreik in Kurdistan gerufen. In Kurdistan-Iran kam es bereits in den Vorjahren zu Protesten unter dem Ruf „Frau, Leben, Freiheit“, wie etwa nach dem Mord an Farinaz Khosravani in Mahabad, doch anders als zuvor kam nun auch die Jugend in allen anderen Teilen Irans auf die Straße.


Die militärische Reaktion des Regimes gründet vor allem auch darin, dass in Kurdistan-Iran seit nunmehr über 70 Tage die Grundzüge der Revolution vorgeführt werden: 1. ein ausdauernder Generalstreik, 2. die Beteiligung der ruralen Peripherie, um die Beweglichkeit der Repressionsmaschinerie zwischen den urbanen Zentren zu erlahmen, 3. die militante Organisierung der Jugend sowie die Identifizierung der Kollaborateure des Regimes. Schwere Konfrontationen erschüttern ganz Kurdistan-Iran, nahezu Tag für Tag, in Oshnavieh, Piranshahr, Sardasht, Saqqez, Divandarreh, Marivan, Sanandaj, Dehgolan, Oorveh, Kamyaran, Ravansar und so weiter. Dass das Regime zunächst am relativ kleinen Javanrud sein konterrevolutionäres Potenzial veranschaulicht hat, spricht dafür, dass es angesichts der revolutionären Entschlossenheit in Kurdistan durchaus geschwächt ist. Die Peripherie von Javanrud ist hügelig, mit Sperrung der wenigen Straßen, die aus dem Provinzstädtchen herausführen, hat das Regime Javanrud in eine totale Isolation gezwungen. Inzwischen ist die Wächterarmee mit ihren Toyota-Pickups, auf deren Pritschen schwere MGs aufgebracht sind, in nahezu ganz Iranisch-Kurdistan präsent. In Sanandaj und Saqqez dagegen herrscht trotz dieser bleiernen Repression nach wie vor keine Grabesruhe.


Das islamofaschistische Regime spekuliert, dass mit dem militärischen Szenario der Konterrevolution auch das europäische Interesse rapide schwinden wird. Angesichts der sich ausweitenden Militarisierung werden sich jene selbsternannten „Iran-Analysten“ bestätigt fühlen, die der Meinung sind, dass eine Revolution sowieso nur mit noch trümmerreicheren Katastrophen drohe. Und auch das zunächst überraschend große Interesse der Kulturindustrie wird dahinschwinden, sobald die Sequenzen aus dem Iran mehr und mehr der Straßenschlachtung etwa im syrischen Homs ähneln werden.


Unlängst hatte etwa Charlotte Wiedemann in der Taz ein Szenario von Anarchie und Regierungslosigkeit beschworen, wenn das „jetzige System implodiert“. In ihr steige die Beklemmung auf, dass der Iran angesichts der Unruhen „entweder einer Militärdiktatur oder einem Staatszerfall entgegen“ schreitet. Das Geraune von einer drohenden Militärdiktatur täuscht darüber, dass die „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“, kurzum die Sepah, längst das zentrale Racket in dieser islamofaschistischen Attrappe einer Republik ist. In den durstigen Provinzen des Irans, in Khuzestan und Lorestan etwa, ist sie als „Wassermafia“ bekannt, anderswo ruft man sie verächtlich, wie in einem populären Revolutionsslogan, als „unseren Islamischen Staat (Daesh)“. Die pseudo-republikanische Institution der „Islamischen beratenden Versammlung“ indessen ist nicht viel mehr als die Brüllkulisse des Regimes. Unlängst haben 227 von 290 Mitgliedern der Versammlung gefordert, dass gegen die inhaftierten Revolutionäre als „Feinde Allahs“ ein „göttlicher Schuldspruch“ gesprochen werden müsse. Auf den Schuldspruch „Feindseligkeit gegen Allah“, Moharebeh, folgt in der Islamischen Republik zuallermeist die Hinrichtung.


Mit einer ähnlichen militärischen Wucht wie in diesen Tagen in Kurdistan und Belutschistan schlug das Regime auch während des blutigen Novembers im Jahr 2019 in der Provinz Khuzestan ein. Die Massenproteste in der südwestlichen Provinz Irans, aus der das Regime seine fossile Potenz erhält, konterte die Wächterarmee innerhalb wenige Tage mit einem Massaker in der Hafenstadt Mahshahr. Zwischen dem 15. und 17. November hat sich der Bloody Aban von 2019 gejährt. Über klandestine, aber weit verzweigte Strukturen wurde in den Vortagen zu einem revolutionären Gedenken an die Morde aufgerufen. Schülerinnen etwa beschrieben unzählige Papierzettelchen mit der Hand, um sie an ihre Mitschülerinnen zu verteilen. An den Universitäten und in nahezu ganz Kurdistan-Iran wurde erneut erfolgreich zum Ausstand aufgerufen, aber auch der Große Bazar in Teheran und das Gewerbe in Mashhad, Isfahan, Tabriz und anderswo wurden bestreikt. Wer hier keine organisierte Front gegen das Regime erkennen vermag, will sie nicht erkennen.


Die Wucht, mit der die Aufrufe selbst Kleinstädte erfasst hat, blamiert jene deutsche Pseudo-Expertise, die weiterhin keine „kritische Masse“ zu erkennen vermag. Vor allem in den südiranischen Provinzen Hormozgan und Fars, der zentraliranischen Provinz Isfahan und den nordiranischen Provinzen Gilan und Mazandaran konfrontierte auch die Bevölkerung vieler Provinzstädtchen massenhaft die islamofaschistische Staatsbestie. In Dashti (Hormozgan) etwa, wo weniger als 5.000 Menschen leben, beteiligte sich nahezu das ganze Städtchen an der Beerdigung des am Vortag ermordeten Revolutionäres Hamed Melai. Im zentraliranischen Khomein in der Provinz Markazi schlugen Flammen aus dem musealen Geburtshaus von Ruhollah Khomeini, während antiklerikale Slogans durch die Dunkelheit hallten. In Qom wurden Molotowcocktails gegen das Islamische Seminar geschleudert, jene ranghöchste Institution frömmelnder Gelehrigkeit im Iran. In Izeh (Provinz Khuzestan) und anderswo wurden die Islamischen Seminare niedergebrannt. Bei der Beerdigung von Kian Pirfalak, der am 16. November in Izeh ermordet wurde, riefen die Anwesenden dem Imam entgegen: „Die Bakhtiari haben kein Gebetsritual“.


Nachdem am 19. November das Regime aus weiten Teilen von Mahabad hinausgedrängt wurde, unterbrach dieses die Elektrizitätsversorgung und begann mit seiner militärischen Kampagne in Kurdistan. Es folgten die Massaker in Javanrud und Piranshahr an jenen, die sich zuvor in Massen an den Trauerversammlungen für die am Vortag Ermordeten beteiligt hatten. Es ist eine bösartige Tradition der islamofaschistischen Despotie, die toten Körper der Ermordeten zu rauben und sie hastig zu verscharren. Oder die Familien mit mafiotischen Taktiken wie der Geiselhaft von Angehörigen dazu zu drängen, ihre Toten im Stillen zu beerdigen.



Das revolutionäre Mahabad, 19. November


In diesen Tagen bemüht sich das Regime angesichts des World Cup in Katar den nationalchauvinistischen Furor herauszukitzeln – bislang mit wenig Erfolg. Das Regime kann nicht mehr auf die Getrenntheit der Iranerinnen und Iraner vertrauen. So werden seit Tagen bei Solidaritätsprotesten in Teheran, Mashhad oder Karaj Slogans gerufen wie „Kurdistan, Zahedan (Belutschistan) – Auge und Licht des Irans“. Und während der schweren Konfrontationen in Belutschistan mit ähnlich vielen Ermordeten wie in Kurdistan heißt es: „Kurdistan, Kurdistan, wir unterstützen dich“.


In diesem Sinne:

Solidarität mit den Revolutionären in Kurdistan und anderswo im Iran,

Tod der islamofaschistischen Despotie!

Azadi!


Samstag, 1. Oktober 2022

Flugschrift zum Aufstand gegen den Islamischen Staat im Iran

 

Man erinnere sich an die Novembertage 2019 als der Zorn über das tagtägliche Verelendungsregime zur revolutionären Erhebung im Iran eskalierte, die das Regime allein noch mit gegossenem Blei und hunderten Toten kontern konnte. In jenen Tagen empfahl in der Tagesschau eine Karin Senz, die Regimegegner mit ihren Mördern allein zu lassen; an sie zu denken und Anteil zu nehmen, aber schweigend auszuharren. Europa, so die ARD-Korrespondentin, müsse sich vorrangig darauf konzentrieren, die als Vertragswerk niedergeschriebene Erpressung der Khomeinisten, also die Reduzierung der Urananreicherung gegen Business, zur Geltung zu bringen. Dafür bedürfe es „große (europäische) Diplomaten“.


Nachdem im November 2019 das Regime den blutigen „Sieg“ über die „Verschwörung der Feinde“ ausgerufen und die Unruhen im Iran für beendet erklärt hat, indem es „die Rädelsführer“ identifiziert und verhaftet habe, brach das deutsche Auswärtige Amt sein tagelanges Schweigen und mahnte an – ohne den Schlächtern nahezutreten: „Das Recht auf friedlichen Protest muss gewahrt sein.“ Auch die Europäische Union schwieg sich bis dahin eisern aus.


Es scheint nach wie vor eine Herzenssache mancher Deutscher zu sein, die Iranerinnen und Iraner mit dem „Islamischen Staat“ (so der Titel einer Vorlesungssammlung des Staatsgründers Ruhollah Khomeini) zu versöhnen. So raunt in diesen Tagen Jörg Brase, ZDF-Korrespondent, dass es im Iran „Potenzial geben“ könnte, „Reformen im Parlament zu diskutieren“. Wo in allen Provinzen des Irans über Tage Slogans wie „Tod der Islamischen Republik“ gerufen werden, meint Brase eines zu wissen: „Viele wollen Reformen“.


Im Unterschied zu den Vorjahren demonstrativer Kaltblütigkeit trumpfen in diesen Tagen das Auswärtige Amt und die deutschen Parteien mit einem Wortschwall moralischer Parteinahme für die Frauen im Iran auf. Doch anders als behauptet, fordern die Frauen im Iran nicht die Anerkennung ihrer „unumstößlichen Menschenrechte“ durch das misogyne Regime ein, auch wird nicht, wie in der deutschen Berichterstattung unbeirrt behauptet, gefordert, dass der Staat, also der Mörder selbst, den Tod von Mahsa Amini aufzuklären habe. In keinem einzigen der Slogans, die gerufen werden, dient der Islamische Staat, seine Institutionen und Repräsentanten, weder Reformer noch Erzkonservative, als Appellationsinstanz. Es wird der Tod dieser Staatsbestie herbei geschrien.


Das Wesentliche der neuen deutschen „Regimekritik“ hat Annalena Baerbock in der „Aktuellen Stunde“ des Bundestags ganz nebenbei gesagt: dass „wir weiter über das JCPoA verhandeln“, was offensichtlich nichts anderes heißt, dass sie personenbezogene Sanktionen, die den Interessen des Regimes als Ganzes und der deutschen Industrie kaum schaden, gegen die jetzigen Sanktionen, welche dem Regime wie der Industrie viel mehr schädigen, einzutauschen gedenkt.


Die redselige Demonstration moralischer Parteinahme täuscht darüber, dass absolut nichts Konkretes gemacht wird, was den eigenen Möglichkeiten gerecht werden könnte. Als da wären etwa Wege aufzufinden, wie die bleierne Kommunikationssperre durchbrochen werden kann. Doch selbst das längst fällige Ende der Kollaboration mit den Agenturen des Regimes in Europa, wie die „Imam-Khomeini-Moschee“ in Hamburg, von denen aus Exiliraner bedroht und mit Gerichtsklagen zermürbt werden, bleibt weiterhin aus. Wie folgenlos die „Regimekritik“ durch das Auswärtige Amt ist, verrät sich etwa in der von allen zu verantwortenden Straflosigkeit angesichts des Vorgehens des Khamenei-Regimes im Irak. Europa blieb ebenso desinteressiert wie teilnahmslos als die revolutionäre Erhebung der irakischen Jugend gegen die grassierende Korruption und das Unwesen der Milizen von den Todesschwadronen des Pasdarangenerals Qasem Soleimani gnadenlos niederkartätscht wurde. Die ranghöchste Funktionärin der Vereinten Nationen im Irak, Jeanine Antoinette Hennis-Plasschaer, gab in jenen Tagen den europäischen Weg vor. So äußerte sie ihre Sorge, die irakische Ökonomie könnte bei den andauernden Protesten Schaden nehmen.


Wie das türkische Regime terrorisiert auch das Khamenei-Regime weiterhin ungestraft Kurdistan-Irak, wo etwa die Demokratische Partei Kurdistans-Iran (DPK-I) ihre Parteienstrukturen hat. Im Jahr 1989 wurde mit Abdul Rahman Ghassemlou der Vorsitzende der DPK-I, von Khomeini als „Partei des Teufels“ denunziert, in Wien ermordet; 1992 in Berlin sein Nachfolger Sadegh Sharafkandi sowie die Repräsentanten der Partei im französischen und deutschen Exil, Fattah Abdoli und Homayoun Ardalan. Dem Organisator der Ausführung des Mordbefehls aus Teheran, Kazem Darabi, war jahrelang zuvor eine einschlägige Moschee in Berlin anvertraut; unter den Augen der deutschen Behörden konnte er ungestraft exilierte Feinde des khomeinistischen Regimes bedrohen. Es wäre zumindest das Gröbste an Büße, dass man es nicht duldet, dass in Kurdistan-Irak die Genossinnen und Genossen der DPK-I von Kamikazedrohnen massakriert werden.


In 43 Jahren, in denen Tugendwächter Frauen mit Glasscherben und Säure terrorisierten und inhaftierte Frauen gezwungen wurden, sich selbst als „Huren“ zu denunzieren, warteten die Deutschen von Hans-Dietrich Genscher bis Frank-Walter Steinmeier mit einem „kritischen Dialog“ mit den khomeinistischen Schlächtern nach dem anderen auf. Eine konkrete Solidarität indessen müsste als Erstes die Forderung nach einem Ende des Islamischen Staates im Iran anerkennen und zur eigenen machen. Die notorische Lüge der Deutschen – „Wir wissen ja nicht, was kommen würde“, wenn die islamofaschistische Attrappe einer „Islamischen Republik“ fällt – ist eine Verhöhnung jener Mutigen, die unmissverständlich darin sind, was sie nicht wollen: Sie wollen kein Regime aggressiv antiisraelischer und projektiver Krisenexorzierung. Sie wollen kein militaristisch-okkultes Regime aus Klerus und einer militant-mafiotischen „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“, das sich die nationale Ökonomie zur Beute gemacht hat. Und sie wollen kein Regime, in dem die Unterwerfung der Frauen eine heilige Säule des Gemeinwesens ist.


Das ist alles nichts Neues. In den vergangenen Jahren, als das Auswärtige Amt der khomeinistischen Despotie zutrug, „Stabilisierungsfaktor in der Region“ (S. Gabriel) zu werden, der „Erhalt der Zahlungskanäle“ zur europäischen „Priorität“ (H. Maas) und der Widerstand gegen US-amerikanische Iran-Sanktionen als ein „Akt europäischer Souveränität“ (die französischen, britischen und deutschen Amtskollegen) erklärt wurden, wurde der Iran wieder und wieder von Aufständen erschüttert. Unzählige Einrichtungen der Mullahs wurden in den vergangenen Jahren niedergebrannt, ganz genauso wie die überdimensionale Straßendekoration aus frommen Versen, Märtyrerverehrung, antiisraelischen Vernichtungsdrohungen und den Fratzen von Ali Khamenei, Ruhollah Khomeini und Qasem Soleimani. Die Slogans sind bis heute dieselben: „Das Regime sagt, Amerika ist unser Feind, aber es lügt, das Regime selbst ist unser Feind“, „Reformer, Prinzipalisten – eure Rochade ist vorbei“ oder „Tod dem Velayat-e Faqih“.*


Einzig von Protesten zu sprechen, verfehlt längst die Wirklichkeit im Iran. Wir sind vielmehr Zeuge einer revolutionären Erhebung. In allen 31 Provinzen Irans kam es seit dem Tod von Mahsa Amini am 16. September zu schweren Konfrontationen mit der Repressionsmaschinerie. Sie dauern unter Todesdrohung bis heute von Kurdistan bis Khuzestan, von Teheran nach Mashhad, an. Das Regime sprach in jüngerer Vergangenheit offen aus, dass ihre im Irak und anderswo etablierten Milizen die Verteidigung der „Islamischen Revolution“ übernehmen, sobald die „inneren Kräfte“ darin zu scheitern drohen. Auch werden weder die russische Despotie, die in diesen Tagen mit Kamikazedrohnen aus dem Iran die Ukraine terrorisiert, noch China passiv zu sehen, wie ihr Partner in Crime fällt. Gholam-Hossein Mohseni-Ejei, höchster Richter im Islamischen Staat, sagte jüngst und wahrlich nicht als einziger, dass die Revolutionäre „Agenten unserer Feinde“ sind – damit ist der Todesspruch über sie gesprochen.


Und doch ist der Aufstand gegen den Islamischen Staat im Iran, der seit 1979 eine dunkle Inspiration für die islamischen Konterrevolutionäre von Afghanistan bis nach Ägypten ist, ein Freiheitsversprechen weit über die Grenzen des Irans hinaus. Die Revolutionäre im Iran, Frauen wie Männer, haben unter den Slogans „Frau, Leben, Freiheit“** und „Ich werde denjenigen töten, der meine Schwester getötet hat“ dem regressiven Wesen der „Islamischen Republik“ als ebenso antijüdischen wie frauenfeindlichen Männerbund entschieden widersprochen. Es ist zugleich die erste revolutionäre Erhebung überhaupt, die ihren Beginn als feministischen Protest nahm. Sollte der Aufstand niedergerungen werden, was von Jörg Brase bis zum Regime-Lobbyisten im Auswärtigen Amt Adnan Tabatabai als ausgemacht gilt, besteht die weitere Aussicht nicht aus Reformen, sondern Grabesruhe.



In diesem Sinne: Frau, Leben, Freiheit – Tod dem Islamischen Staat!




* Mit „Velayat-e Faqih“ beschrieb Khomeini die totale Geltung des Wächteramts in allen Sphären des Staates. In seiner Hauptschrift, der „Islamische Staat“, sprach Khomeini davon, die theologischen Seminare von den Quietisten zu reinigen und die Moscheen zu Kasernen, die wöchentliche Khutbah-Predigt zum Schlachtruf und die Betenden zu Bataillonen zu machen. Er bekräftigte, dass die Etablierung eines solchen „Islamischen Staates“ Massen an Toten erfordern würde. „Der Islam hat viele Stämme ausgerottet“, so Khomeini, da sie Verderben über die Muslime gebracht und „die Interessen des Islamischen Staates“ beschädigt hätten.

** Der Slogan wurde geprägt durch kurdische Feministinnen, populär gemacht durch jene Militanten aus Kurdistan-Syrien, die auch in diesen Tagen von der türkischen Artillerie mit dem Tod bedroht werden. Bereits 2015, während der Proteste in Kurdistan-Iran als Reaktion auf den Tod einer jungen Frau namens Farinaz Khosravani in Mahabad, riefen Protestierende „Jin, Jiyan, Azadi“ („Frau, Leben, Freiheit).

Samstag, 4. September 2021

Flugschrift zu Afghanistan: Tod den Taliban

 

A British soldier was cut into pieces [in] broad daylight in London or near London. Will [the] British government ever, instead of putting that guy to justice, put him in a five-star hotel and say, 'Brother, what made you do this? Can we accommodate your grievances?' That is what the West is expecting [of] us – to bring the killers of our brothers, to bring those who cut the noses of the Afghan women, to bring those who do suicide bombings in our wedding parties, to put them on the other side of the table and say, 'Brother, you represent our religion and I have lost my direction. Let us talk.' That is because there is not much respect for the dignity of the nation called Afghanistan when it comes to geopolitics.“ Amrullah Saleh, 9. Juni 2013


Als Werbebeauftrager der Taliban tritt in diesen Tagen der höchste russische Repräsentant in Afghanistan auf. Nachdem in Kabul noch hektisch weibliche Antlitze auf Reklame unkenntlich gemacht wurden, um nicht den Groll der Tugendterroristen zu provozieren, und nunmehr viele Afghanen verängstigt zuhause ausharren, schwärmt der russische Emissär Dmitrij Zhirnov davon, dass die Tage nach dem Einmarsch der Taliban „die friedlichsten“ gewesen wären, die er „in Kabul erlebt habe“. Während am Kabuler Flughafen panisch Flüchtende zu Tode getrampelt werden und Russia Today gegen die den Taliban Entkommenen hetzt, schwadroniert der Propagandist von „Touristen“, die alsbald nach Afghanistan kommen könnten: „Afghanistan erinnert mich an die Krim, nur das Meer fehlt.“


Das russische Regime ist dabei nicht das einzige, welches den Durchmarsch der Taliban zum Präsidentenpalast in Kabul begrüßt. „Wir respektieren die Entscheidung des afghanischen Volkes“, heißt es dreist aus China – ganz so als wären Taliban und Volkswille eins. Noch vor kurzem wurde im chinesischen Tianjin eine hochrangige Delegation der Taliban empfangen. Die Taliban hätten mit Blick auf die muslimische Krisenregion Xinjiang versprochen, die Interna Chinas zu respektieren. Das also muss die pragmatische Wendung der Taliban sein, über die von allen Seiten spekuliert wird.


Auch die Islamische Republik Iran empfing dieses Jahr noch eine offizielle Abordnung der Taliban. Während in Afghanistan die schiitischen Hazara die Taliban mehr als alle anderen fürchten müssen, hat der khomeinistische Iran in der jüngeren Vergangenheit das perfide Interesse verfolgt, ganz ähnlich wie im Irak, die Befriedigung eines stabilen pro-US-amerikanischen Anrainerstaats zu verunmöglichen und zu diesem Zweck, seine Grenzprovinzen zu Afghanistan zu einer logistischen Flanke für die Taliban gemacht. Während manch namhafter Geistliche im Iran zu Vorsicht angesichts der feindseligen Gesinnung der Taliban mahnt, werben die Propagandaorgane der Armee der Wächter der Islamischen Revolution, dem mächtigsten Racket in der Islamischen Republik Iran, sowie des Großen Führers, Ali Khamenei, für das neue Antlitz der Taliban. Tasnim News Agency, die die Ansichten der Wächterarmee zur Sprache bringt, denunziert etwaigen Widerstand der Hazara gegen die Taliban als in Einheit mit US-amerikanischen Interessen“.*


Was das russische und chinesische Regime mit der khomeinistische Despotie eint, ist die Schadensfreunde darüber, dass die US-Amerikaner in der Befriedigung Afghanistans gescheitert sind. Pakistans Parteinahme in Afghanistan ist darüber hinaus seit den 1970er Jahren eine für die gnadenlosesten unter den islamistischen Reaktionären. Die Taliban selbst sind den Madrassen der revivalistischen und ultra-puritanischen Deobandi entkrochen. Als in den frühen 1990er Jahren die Milizen der islamistischen Warlords unter Pakistans Protektion, Gulbuddin Hekmatyar und Abdul Rasul Sayyaf, verschleißt waren, traten von Kandahar aus die Taliban als Gamechanger an. Von Beginn an wurden sie gefördert durch den paramilitärischen Inter-Services Intelligence (ISI) des tiefen Staats in Pakistan – ohne mit diesem identisch zu sein. Ein Emirat in Afghanistan ist Pakistan weiterhin vor allem ein Prellbock gegen Indien, das in jüngerer Vergangenheit ausgiebig in Afghanistan investiert hat und dessen Kulturindustrie in der afghanischen Jugend höchst populär ist, sowie gegen die eigene säkulare Opposition unter den Paschtunen, die auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze leben. Pakistans Premierminister Imran Khan agitierte einen Tag nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul gegen die Universalität und für die kulturalistische Konterrevolution: „Wenn man die Kultur eines anderen übernimmt, glaubt man, dass diese der eigenen überlegen ist, und wird am Ende ein Sklave davon sein.“ Die Taliban, so Imran Khan ohne diese namentlich zu nennen, „haben die Fesseln der Sklaverei in Afghanistan gebrochen“.


Pakistans Militärstrategen haben von Beginn an einkalkuliert, dass den US-Amerikanern die Geduld fehlen wird, in Afghanistan solange auszuharren, bis der junge afghanische Staat die Stabilität hat, allein die terroristische Zermürbungstaktik der Taliban und anderer islamistischer Rackets zu brechen. Über verschiedene Fraktionen der Taliban, vor allem über das militante Haqqani Network, verfolgte Pakistan systematisch eine Destabilisierung Afghanistans.


Zum Präsidentenpalast eskortiert, wurden die Taliban schlussendlich aber von Donald Trump, Joseph Biden und vor allem einer ihrer engsten Partner: Katar. Als sich im Februar 2020 die US-amerikanische Regierung unter Donald Trump in Katar mit den Taliban über den militärischen withdrawal aus Afghanistan geeinigt hat, wurde der so genannte Friedensvertrag in einer Sprache gehalten, als wäre die Ermächtigung Afghanistans durch die Taliban allein noch eine Frage der Zeit gewesen. Die Einigung versprach den Taliban die Beendigung ihrer ökonomischen Sanktionierung sowie, gegen den Willen des amtierenden Kabinetts in Kabul, ein Haftende für 5.000 Militante der Taliban. Wenige Tage nach der Vertragsunterschrift forcierten die Taliban ihre militärischen Aktionen gegen die afghanische Nationalarmee. Der Friedensvertrag forderte von den Taliban einzig ein Ende ihrer Aggression gegen das US-amerikanische Militär und das seiner in Afghanistan anwesenden Partnerstaaten des Nordatlantikpakts. Im März 2020, die Aggression hielt ungeschmälert an, sprach Donald Trump persönlich mit dem Taliban-Veteran Abdul Ghani Baradar und beschwor eine gute Unterredung.


Mullah Abdul Ghani Baradar ist einer der Mitbegründer der Taliban, er war früher der Vertraute des berüchtigten Mullah Omar und ist heute das bärtige Angesicht der „pragmatisch“ gewendeten Taliban. Auf Drängen der US-Amerikaner händigte Pakistan ihn nach Katar aus, wo er das Politbüro der Taliban übernahm. Nach dem Durchmarsch der Taliban nach Kabul wurde er nicht in Katar in Hausarrest gezwungen, vielmehr flog ihn die katarische Airforce nach Kandahar, der spirituellen Geburtsstadt der Taliban. Das Emirat Katar, die Makleragentur von Hamas, ägyptischen Muslimbrüdern und Taliban, wird in diesen Tagen von Joseph Biden bis Angela Merkel ausgiebig gelobt für seinen Beitrag „zur Förderung der regionalen Sicherheit“.


Ganz augenfällig hat sich für die Taliban ihre ausdauernde Destruktivität längst amortisiert. Denn es nicht ihre etwaige Popularität in Afghanistan, die die Taliban als Staatsracket empfiehlt, vielmehr ist es die Drohung mit endloser Zermürbung, die die Kapitulation erzwungen hat. Ganz ähnlich wie in diesen Tagen in Afghanistan war der withdrawal aus Nordsyrien die Generalabsolution für jene türkische Staatsbestie, die am hysterischsten heult. Die Spekulationen über ein Einsickern der al-Qaida nach Afghanistan ist mit der türkischen Katastrophenpolitik in Nordsyrien längst hinfällig. Anders als die Gründergeneration in Afghanistan – die noch gezwungen war, sich in Höhlen zu tarnen – herrschen die Derivate von al-Qaida in Nordsyrien mit Namen und Adresse über ein Territorium entlang eines Teils der südöstlichsten Grenze des Nordatlantikpakts.


Auf die deutsche SchicksalsgläubigkeitDie Taliban sind jetzt Realität in Afghanistan“ (A. Merkel) – wird der Ruf nach kritischem Dialog und Anerkennung der Wirklichkeit folgen. Am Flughafen in Kabul wurden die Taliban ohne langes Zögern zum Kooperationspartner gemacht, vielmehr noch wurden die Evakuierungen von der Gnade dieser Barbaren abhängig gemacht – im vollen Wissen darüber, dass alle, die in Afghanistan verbleiben, unter ihre puritanische Despotie gezwungen werden. Für Ordnung in Kabul garantiert inzwischen das Haqqani Network, ein berüchtigtes Racket innerhalb der Taliban. Auf Anfrage der Taliban hin wird demnächst ein türkisch-katarisches Konsortium das Management über den Flughafen in Kabul übernehmen.


Natürlich hat die afghanische Katastrophe vor allem auch nationale Gründe: ein ausgeprägter Stammesdünkel und paschtunischer Chauvinismus; die rurale Idiotie mit ihrer ungebrochenen Autorität eines puritanischen Islams, der mit dem der Taliban kaum fremdelt; und vor allem das materielle Elend und die grassierende Korruption. Dennoch existieren in Afghanistan auch Reminiszenzen an Modernisierungsprozesse, die an der organisierten Reaktion und eben nicht an dem vermeintlichen Volkscharakter der Afghanen scheiterten. Noch unter dem ersten souveränen Staatsmann Afghanistans, Amanullah Khan, wurde zwischen 1919 und 1929 die koedukative Bildung gefördert. Das junge Staatswesen kriminalisierte die Zwangs- und Kinderheirat, bannte die Purdah, die völlige Verschleierung der Frau unter der Burqa, sowie die Mehrehe und andere misogyne Traditionen. Es waren die Mullahs und Altherren paschtunischer Stämme, die für „Gold - Frau - Bodendie Bemühungen um Modernisierung konterten. In den 1970er Jahren rivalisierten Monarchisten, autoritäre Modernisierer und prosowjetische Nationaldemokraten um den Staatsapparat; die bis dahin schwächeren islamistischen Parteien gründeten sich inspiriert durch die Schriften der ägyptischen Muslimbrüder, vor allem von Sayyid Qutb, an der Universität Kabul als Konter auf die „marxistische“ Übermacht. Die „Muslimische Jugend“ des späteren Warlord Gulbuddin Hekmatyar warb vor allem Theologie- und Ingenieurstudenten. Von Beginn an förderte Pakistan die islamistischen Kontras.


Während Europa vor allem darüber zu grübeln scheint, wie glaubhaft „moderat“ oder „pragmatisch“ die „neuen Taliban“ sind, also wie viel Moralin ausgeschwitzt werden muss, um eine Kumpanei mit ihnen zu legitimieren, bleibt die Frage nach Beistand für die Resistance in der Provinz Panjshir völlig aus. In den Gebirgstälern der Provinz organisiert der aus Kabul geflüchtete Vizepräsident Afghanistans, Amrullah Saleh, den Widerstand gegen die Taliban. Seit Jahren insistiert Amrullah Saleh, dass die Entmilitarisierung der Taliban die Vorbedingung für einen Aussöhnungsprozess sein muss: Jedes Übereinkommen mit den Taliban, ohne diese zu desarmieren, werde „die Hoffnung auf einen starken und pluralistischen afghanischen Staat zunichte machen“. Das Scheitern des US-amerikanischen Engagements zur Befriedigung Afghanistans gründet, so Amrullah Saleh, in der Ignoranz gegenüber den fatalen Anstrengungen ihres Partners Pakistan, mit den Taliban über Afghanistan zu herrschen. Das Gröbste wäre nun, die Hungerblockade des Panjshir-Tals durch die Taliban zu durchbrechen. Doch wie es scheint, haben sich US-Amerikaner und Europäer die Meinung vom russischen Emissär in Kabul, Dmitrij Zhirnov, zu eigen gemacht, der das baldige Scheitern des Widerstands prophezeit – ganz so wie er florierenden Tourismus unter den Taliban vorhersagte.


Militärische Rüstung im Wert von bis zu 85 Milliarden Dollar, so schätzt die „Times“, ist als Beute an die Taliban gefallen – das, was sie selbst nicht handhaben können, verscherbeln sie in den Iran und nach Pakistan. Dem Widerstand im Panjshir-Tal droht indessen, die Munition auszugehen. Zugleich hat allein das deutsche Auswärtige Amt den Taliban die Geiselhaft über etwa 10.000 Ausflugsberechtigte sowie ihre engsten Familienangehörigen gewährt, die nicht ausgeflogen wurden. Auch ihre Evakuierung werden die Taliban berechnen – ganz so wie das türkische Regime, Katar und Pakistan den Preis für ihre Mediation im „kritischen Dialog“ genau kennen. Die deutsche Charakterfratze aus dem Auswärtigen Amt bereist in diesen Tagen jene Staaten, die den Taliban den Weg bereitet haben, um seinen „herzlichen Dank“ auszusprechen.


Die Taliban herrschen über Afghanistan allein durch Einschüchterung und Angst. Es ist die Glaubwürdigkeit ihrer Drohung, jeden Frieden niederzuringen, der nicht mit der eigenen Grabesruhe identisch ist, die das Fundament ihres Erfolges ist. Allein die Massen an Flüchtenden, die an die Grenzen drängen, widersprechen jeder Spekulation darüber, dass die Taliban auf viel Bruderliebe unter den Afghanen stoßen – außer vermutlich in den islamisch konservativsten Provinzen.


Proteste in Kabul gegen die Talibanisierung, 19. August 2021


Das Ancien Régime Afghanistans scheiterte nicht am Desinteresse der Afghanen gegenüber einem republikanischen Staatswesen und auch nicht am Unwillen zum Widerstand gegen die Talibanisierung. Dieser Demagogie widersprach etwa der US-amerikanische General a. D. David Petraeus entschieden. Die Gründe des Scheiterns sind augenfällig andere: Mehr als 90 Prozent des afghanischen BIP wurden bislang direkt oder indirekt von außen erbracht. Staatsapparat und Armee standen in totaler Abhängigkeit durch die Finanzierungsfonds der Geberstaaten. Nachdem mit dem US-amerikanischen withdrawal das militärische Gerüst dieser ihrem Wesen nach korrupten Staatsattrappe einzubrechen drohte, handelten die Staatscliquen innerhalb von Apparat und Armee den Preis für ihre Kapitulation aus. Wie bei jeder Armee, in der die Befehlskette gilt, sind die Soldaten zunächst paralysiert, wenn es die eigenen Kommandeure sind, die desertieren. Ein Teil von ihnen reorganisiert sich nun im Panjshir-Tal als antifaschistische Resistance.


Es scheint so als hätten sich außerhalb Afghanistans nahezu alle nach wenigen Tagen mit einem Regime der Taliban arrangiert, wenn sie es denn nicht begrüßt haben: die Europäische Union, die hinter ihrer humanitären Fassade raunt: wenn die Europäer nicht mit den Taliban sprechen, dann tun es andere; das globale Business der Karitas, die mit „Kulturkompetenz“ überzeugen will; das türkische Regime Erdoğans, das noch vor dem Durchmarsch der Taliban nach Kabul äußerte, dass sie sich als Glaubensbrüder verstehen werden; das Biden-Kabinett; das chinesische und russische Regime sowieso; die Hamas, die Hezbollah und natürlich Pakistan und die Islamische Republik Iran. Dagegen wäre zu sagen, dass es keinen Frieden mit der barbarisch-puritanischen Despotie der Taliban geben kann, deren Durchmarsch den islamistischen Warlords von Baghdad nach Idlib bis Gaza eine bösartige Inspiration ist. Erinnert sei dabei an dem im Iran populären Protestslogan: „Tod den Taliban in Teheran und Kabul!“



* Unter den afghanischen Geflüchteten im Iran hat die khomeinistische Despotie ihre Frontmasse für ihre eigenen militärischen Vorstöße in Syrien und dem Jemen angeworben. Den Geflüchteten wurde ein Ende von Elend und Repression versprochen, mit der sie im Iran tagtäglich konfrontiert sind. Bis zu 50.000 Afghanen wurden als Rekruten der Fatemiyoun Brigade an die Front in Syrien abkommandiert. Während die Hazara in Afghanistan mit dem Tode bedroht wurden, starben ihre jungen Männer als Frontvieh der khomeinistischen Despotie weit entfernt in Syrien. Bei jüngsten Protesten afghanischer Frauen im iranischen Qom gegen die Taliban, riefen diese – neben „Wir wollen kein Islamisches Emirat!“ – spöttisch: „Wo bist du Fatemiyoun Brigade? Die Ehre ging in Haft!“ Nachdem jüngst abtrünnige Angehörige der Fatemiyoun Brigade sich für militanten Widerstand gegen die Taliban ausgesprochen hatten, kommentierte die Brigade die Äußerungen als „US-amerikanisch-zionistische Propaganda“ und beteuerte, allein „den Befehlen von Imam Khamenei zu gehorchen“.