Dass ihre
antiimperialistische Widerstandsrhetorik projizierte Aggression und
ihre ureigene Staatspolitik die imperialistische Entgrenzung ihres
terroristischen Apparates ist, daran lässt weder der faschistische
Agitator Recep Tayyip Erdoğan noch irgendein klerikaler Einpeitscher
der Islamischen Republik Iran den Hauch eines Zweifels: „Ihr sagt,
dass die Drohnen (die am 14. September in saudische Raffinerien
einschlugen) aus dem Norden und nicht aus dem Süden angeflogen
kamen. Süden oder Norden – welchen Unterschied macht das? Der Iran
ist in eurem Norden und er ist in eurem Süden“, drohte jüngst
Ahmad Alamolhoda, der die wöchentliche Khutba-Predigt in der
nordöstlichen Stadt Mashhad hält. „Der Iran ist nicht beschränkt
auf seine geografischen Grenzen“, so der ranghohe Kleriker aus dem
innersten Kreis der khomeinistischen Despotie. Die Islamische
Republik Iran sei „die Hezbollah im Südlibanon“ als auch „die
Hamas in Palästina“, sie sei die Houthi-Miliz im Jemen als auch
die Shiah-Milizen in Syrien und dem Irak.
Wenige Tage
später – die Gegenreaktion auf die Demonstration des
terroristischen Potenzials der khomeinistischen Despotie blieb aus –
massakrieren die Shiah-Milizen im Irak mehrere hundert vor allem
junge Männer, die gegen Verelendung, die systematische Korruption
und das Unwesen sektiererischer Rackets protestieren. Das Morden an
jenen, die auch gegen die Entgrenzung der khomeinistischen Despotie
auf der Straße ausharren, hält auch in diesen Stunden an – und
das Auswärtige Amt als auch das State Department sitzen es weiterhin
konsequent aus. Selbst die rituell vorgetragene Besorgtheit, die
gebrechliche Fassade europäischer Humanität, blieb bislang aus.
Im
südirakischen Nasiriyah etwa zerreißen Protestierende einen der
übergoßen Banner der al-Fadhila, der klerikal-islamischen „Partei
der Tugend“, mit dem Antlitz von Mohammad Yaqoobi, der als einer
der ranghöchsten Kleriker der irakischen Shiah als „absolute
Instanz der Nachahmung“ zu gelten hätte und in dessen
wahngeschwängerten Schriften sich „Juden und Freimaurer“ gegen
den Islam verschworen haben. In Karbala trifft es ein Banner mit dem
Antlitz von Ali Khamenei unter den Rufen der Anwesenden, der
khomeinistische Iran solle den Irak verlassen. In der Nacht werden
die Zentren der Islamischen Dawa Partei sowie der Badr Brigade, einer
militanten Agentur der khomeinistischen Despotie, niedergebrannt.
Worin diese Massenproteste, die in Baghdad wie auch im Südirak
ungebrochen andauern, enden, ist nach wie vor ungewiss. Dass an der
Emanzipation der irakischen Jugend vom Milizunwesen und der
Shiah-Variante des „Islamischen Staates“ niemand anderes
Interesse äußert, ist eine Katastrophe, die weitere Trümmer
anhäufen wird.
Indessen
brachen auch im Iran – wenn auch begrenzt auf das kleine Lordegan –
wütende Straßenproteste aus. In der dörflichen Peripherie von
Lordegan haben sich mindestens 300 Menschen mit HIV infiziert,
nachdem sie, so der Verdacht, mit kontaminierten Kanülen auf
Diabetes geprüft wurden. Der Gesundheitsminister beschuldigt dagegen
Heroinsüchtige und Menschen mit außerehelichem Sexualleben, ein
Kapitalverbrechen im Iran. Wie selbstverständlich attackierten die
Protestierenden das Büro des Imams der Khutba-Predigt und brannten
es nieder. Und wie selbstverständlich riefen sie Slogans, die die
aggressive Entgrenzung des khomeinistischen Regimes als ihr eigenes
Unglück ausmachen: „Verlasst Syrien, kümmert euch um den Iran“
und „Weder Gaza (Hamas) noch der Libanon (Hezbollah), unser Leben
dem Iran“.
Inzwischen
überschattet eine Katastrophe die andere. „Ich habe nichts zu
kritisieren“, konstatierte jüngst Horst Seehofer in Ankara neben
seinem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu, einem faschistischen
Bluthund, der an anderen Tagen Oppositionellen persönlich mit dem
Tod droht. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan machte die Tage
zuvor – etwa vor den „Vereinten Nationen“ – aus seinem Herzen
keine Mördergrube und versprach mit der Einverleibung Nordsyriens
auch ein Ende der Migrationskrise. Man erinnere sich: Auf den vor
Versöhnungskitsch triefenden Empfang von Mevlüt Çavuşoğlu im
niedersächsischen Goslar zu Beginn des Jahres 2018 folgte die
terroristische Okkupation von Afrin, wo heute Shariah-Gangs und
Devastation herrschen. „Zunächst werden wir die Wurzeln der
Terroristen abtöten, dann werden wir Afrin wieder lebenswert machen.
Für wen? Für die 3,5 Millionen Syrer, die wir in unserem Land
bewirten“, erklärte Recep Tayyip Erdoğan in den Vortagen des
Militäreinmarsches.
Dass Vladimir
Putin seine schützende Hand einzig über Afrin entfaltet hat, um
dieses dann später den Wölfen zum Fraß vorwerfen zu können, hätte
jeder wissen müssen, der sich nicht über diesen Großmeister der
Rackets täuscht. Bei Donald Trump dagegen war bis zuletzt noch zu
hoffen, dass er auf jene US-amerikanischen Politiker hört – etwa
auf einen der namhaften republikanischen Senatoren wie Lindsey Graham
–, die davon überzeugt sind, dass die US-amerikanische
Militärpräsenz in Nordsyrien eine relativ kostengünstige
Investition in die Absicherung eines säkularen Gemeinwesens ist, in
dem der Hass auf Amerika nicht zur nationalen Formierung beiträgt.
Die bloße physische Präsenz weniger US-amerikanischer Soldaten
schreckte das türkische Regime Grüner Wölfe davor ab, nach Afrin
sich auch weitere Teile Nordsyriens zu krallen. Drüber hinaus
grenzte die bislang erfolgreiche US-amerikanische Militärkooperation
mit dem föderalen Nordsyrien die iranische wie auch russische
Infiltration Syriens ein. Verhöhnend twitterte dagegen Trump von den
50 Soldaten, die er aus der Grenzregion zwischen Tell Abyad und Serê
Kaniyê abzog. Eine andauernde Präsenz dieser 50 Soldaten würde
weder Löcher in das US-amerikanische Militäretat reißen noch würde
sie das Leben dieser jungen US-Amerikaner riskieren. Alle
getwitterten Argumente von Trump sind vor allem eins: eine perfide
Lüge, hinter der sich die Kumpanei mit der Türkei Erdoğans tarnt.
Der
Armeeverband der syrischen Föderalisten, die Syrian Democratic
Forces (SDF), hat vor Wochen unter US-amerikanischer Aufsicht
strategische Verteidigungspositionen in der Grenzregion abgetragen,
um das „Security Mechanism Framework“ auszuführen und
koordinierte Grenzpatrouillen mit US-amerikanischem und türkischem
Militär zu ermöglichen. Sie vertrauten darauf, dass eine andauernde
US-amerikanische Präsenz die türkische Armee und ihr islamistisches
Frontvieh davon abhält einzumarschieren. Die Wahrheit ist, Trump ist
mit seinem pazifistischen Geraune ganz Europäer: Er bedient jene,
die am aggressivsten brüllen, und überlässt die Region den
Großmeistern der Rackets – ganz so wie im Irak. Während jedoch
unter deutschen Politikern das Geraune vor einer „weiteren
Destabilisierung und Verkomplizierung“ das Höchste an Gefühlen
ist, spricht sich eine Vielzahl an US-amerikanischen Senatoren für
die Verteidigung Nordsyriens aus moralischer Verpflichtung und
ureigenem strategischen Interesse aus.
„Marschiert
und sagt den Ungläubigen, dass die Armee Mohammeds zurück ist“,
skandiert die türkische Gazette Yeni Akit, während simultan die den
Islam skeptisch beäugende Vatan Partisi, die „Partei des
Vaterlandes“, hinter der Förderation Nordsyrien eine
US-amerikanisch-israelische Intrige wittert. In diesen Tagen
schließen sich die Reihen. Wird gegen die Abtrünnigen marschiert,
existieren in der Türkei keine Parteien mehr und so fraternisiert
auch die strenglaizistische Cumhuriyet Halk Partisi – mit wenigen
Ausnahmen – mit den Aggressoren. Das türkische Propagandaspektakel
– von CNN Türk über die Moscheen der Diyanet – lässt sich
höchstens noch in den Begriffen der Psychopathologie beschreiben.
Vergeblich wäre da die Hoffnung, dass hohe Verluste innerhalb der
türkischen Armee die Freude am Tod anderer dämpft.
Ihre
ökonomische Unterlegenheit gleichen die Türkei der Grünen Wölfe
und die khomeinistische Despotie durch die aggressive Verfolgung
ihrer strategischen Agenden aus. Und doch bleibt ihnen die Krise
eingebrannt. Die gnadenlose und zugleich panikartige Reaktion auf die
Massenproteste im Irak ist vielsagend. In diesem Sinne: Solidarität
mit den Protesten gegen Verelendung und Milizwesen im Irak! Kein
weiterer Meter der türkischen Armee, Solidarität mit den
Föderalisten Rojavas!
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