Vor
wenigen Tagen bestand das Gros deutscher Expertise darin, dass die
Tötung des Bluthundes der khomeinistischen Despotie, Qasem
Soleimani, zu einem massenhaften anti-US-amerikanischen
Fraternisierungseffekt unter den Iranern führen wird. Keiner von
denen, die jüngst noch behaupteten, dass der Tod des Generals „die
iranische Öffentlichkeit eint“ (Michael Lüders – zweifelsohne
nicht der einzige), muss angesichts der Proteste im Iran fürchten,
demnächst nicht mehr als Experte geladen zu werden. Denn vom
Auswärtigen Amt bis zu den notorischen Mahnern, die es beraten, wird
weiterhin die Überzeugung geteilt, dass einzig kultursensible
Einfühlung, „kluge Diplomatie“ (Wolfgang Ischinger) und Business
eine Despotie wie die „Islamische Republik“ resozialisieren
könne. Es ist keine Frage von Uninformiertheit, die ja keine Schande
wäre. Wer synchron mit Javad Zarif, der grinsenden Fratze der
khomeinistischen Despotie, von einem „Meer von Trauernden“
spricht, der täuscht nicht allein über die Mechanismen eines
totalitären Staates, er reproduziert die Lüge von der Einheit, die
der khomeinistische Souverän einzig noch simulieren vermag.
Es
war bloß eine Frage der Zeit, dass die Lüge, aus der die
europäische Politik der Beschwichtigung besteht, sich wieder
gründlichst blamiert. Während die Auswärtigen Ämter der Deutschen
und Briten die „Islamische Republik“ für ihre Ehrlichkeit loben,
die „versehentliche“ Tötung von 176 Flugpassagieren eingestanden
zu haben, trafen sich zunächst Studierende der Amirkabir Universität
in Teheran, um den Getöteten zu gedenken. Aus dem Gedenken wurde ein
Protest, der sich noch am selben Abend über weitere Teile Teherans
sowie auf andere Städte ausgeweitet hat. Die Slogans der
Protestierenden sind durchaus als Konter auf deutsche Expertise à la
Michael Lüders, Volker Perthes und Rolf Mützenich zu verstehen. Die
„Armee der Wächter der Islamischen Revolution“ (kurzum: die
Sepah) wird als zentrales Staatsracket ausgemacht: „Wir wollen kein Regime der Sepah!“ und „Soleimani ist ein Mörder und sein Führer
(Ali Khamenei) auch!“ Entgegen dem Gerücht, Qasem Soleimani habe
den Iran vor dem „Islamischen Staat“ bewahrt, wird die
„Islamische Republik“ selbst als Komplementär zum
(Pseudo-)Kalifat erkannt: „Basij, Sepah, ihr seid unsere Variante
von Daesh!“ (Die Basij sind das als Zivilmiliz organisierte
Brüllvieh der Revolutionswächter und „Daesh“ das arabische
Akronym vom „Islamischen Staat“). Die omnipräsenten Staatsbanner
mit dem Antlitz des getöteten Generals werden unter dem Jubel der
Umstehenden heruntergerissen oder verbrannt. Explizit wird ein Ende
der Shia-Variante des „Islamischen Staates“ – so eine
berüchtigte Schrift vom Staatsgründer Ruhollah Khomeini, die aus
seinen Vorlesungen im irakischen Exil besteht – gefordert:
„Islamische Republik – wir wollen keine, wir wollen keine!“,
„Kanonen – Panzer – Feuercracker, das Regime der Akhunda
(Mullahs) wird (dennoch) enden!“ und „Jahre an Verbrechen – Tod
dem Velayat-e Faqih!“. Mit „Velayat-e Faqih“ beschrieb Khomeini
das System der „Islamischen Republik“, in der die Kleriker als
Statthalter des in Verborgenheit ausharrenden okkulten zwölften
Imams fungieren.
An
vielen Universitäten hat das Regime auf den Asphalt riesige
US-amerikanische und israelische Flaggen gemalt, um den „großen
und kleinen Satan“ tagtäglich mit Fußtritten symbolisch zu
demütigen. An der Teheraner Shahid Beheshti Universität liefen die
Protestierenden geschlossen an den Flaggen vorbei, um der Vermassung
zum Trampelvieh des Regimes zu entsagen. Parteigänger der Basij, die
über die Flaggen latschten, wurden energisch als bisharaf, als
„unehrenhaft“ und „schändlich“, beschimpft. Ein weiterer
Slogan dieser Tage ist folglich auch eine schallende Ohrfeige an
Lüders und Co.: „Unser Feind ist hier (im Iran), es ist eine Lüge,
wenn es (das Regime) behauptet, unser Feind ist Amerika!“.
Inzwischen
haben die Proteste weitere Städte erfasst: neben Teheran wird unter
denselben Rufen auch in Mashhad, Isfahan, Shiraz, Tabriz,
Ahvaz, Kermanshah, Rasht, Hamadan, Yazd, Arak, Zanjan, Sanandaj,
Qazvin, Gorgan, Sari, Babol, Amol und Semnan protestiert. Ein
weiterer Slogan ruft in Erinnerung, was im khomeinistischen Iran
allen droht, die die Lüge von der Einheit entblößen: „1.500
Menschen wurden während unserer Novemberproteste getötet!“.
Interessant auch der Slogan „Weder Shah noch Führer, wir wollen
nicht schlecht oder schlechter!“, der sich gegen eine Vereinnahmung
der Proteste durch Exilroyalisten ausspricht. Die vorgeschobene
Besorgtheit der Deutschen – „Wir wissen ja nicht, wer kommen
würde“, wenn das Regime fällt (Ischinger und ganz so ähnlich
Heiko Maas) – ist eine Verhöhnung jener Mutigen, die
unmissverständlich darin sind, was sie nicht wollen: ein Regime, das
seine imperiale Aggressivität nach außen projiziert, die Ökonomie
zur Beute militaristischer Rackets gemacht und den Hass auf die
emanzipierte Frau zum Staatsideal erhoben hat.
Tage
zuvor wurde in Baghdad und nahezu in allen südirakischen Städten,
die die khomeinistischen Shia-Milizen für sich beanspruchen, unter
dem Motto demonstriert, dass das gegenwärtige Nationalparlament
nicht repräsentativ sei – zuvor hat sich dieses in Teilen als
Brüllkulisse für Qasem Soleimani hervorgetan. Gefordert wird ein
Ende der Infiltration des Iraks durch den khomeinistischen Iran:
„Iran komme und nehme deine Agenten. Diese Nation hat keine Angst
vor euch!“ In Kerbela, der heiligen Kapitale der Shia, wird die
dortige Zentrale des khomeinistischen Badr Korps niedergebrannt. Die
Zentren der Proteste sind vor allem schiitische Städte. In Europa
wollte man bislang von der Emanzipation der Jugend vom Milizunwesen
und der Shia-Variante eines „Islamischen Staates“ kaum etwas
wissen.
Solidarität
mit den Protesten im Iran und Irak: Tod der khomeinistischen
Despotie!
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