Am
diesjährigen 4. November jährte sich nicht nur der Beginn der
Geiselnahme in der US-amerikanischen Repräsentanz in Teheran durch
die khomeinistischen Schergen 1979. Der 4. November 2018 war auch der
letzte Tag vor dem Inkrafttreten der jüngsten Sanktionen gegen die
Islamische Republik Iran. Und so ließ es sich die
deutsch-europäische Propagandakompanie nicht nehmen, mit den
Regimeloyalisten zu fraternisieren, die mit Judenkarikaturen und dem
ewig gleichen Gebrüll durch die Straßen Teherans trotteten. Vom
„Millionen Menschen“-Marsch gegen die Sanktionen, also gegen den
„Großen Satan“ und für deutsche Investitionen, sprach etwa die
Tagesschau ganz beeindruckt und täuschte über die Lächerlichkeit
dieser Inszenierung. Denn um die ausgedünnten Reihen aus Imamen,
frömmelnden Verhetzten, invaliden Veteranen, mit Teilnehmerprämien
Korrumpierten und Milizangehörigen zu schließen, wurden massenhaft
Schüler und Beamte mit ihren Familien zwangsverpflichtet, die nur
wenig Elan aufbrachten, das orchestrierte Gebrüll mitzutragen. Doch
das khomeinistische Regime konnte sich darin versichern, dass die
Europäer dem Spektakel Authentizität zugestehen. Nirgendwo – von
arte journal über den Spiegel – verlor man auch nur ein Wort über
die vielen Szenen der Blamage des Regimes. So erwiderten junge
Schülerinnen das durch das Chassis dröhnende „Nieder mit Amerika“
mit einem unerschrockenen „Höre auf, Bullshit zu erzählen“ und
sprangen Studierende an den Universitäten über die als Fußabtreter
niedergeworfenen US-amerikanischen und israelischen Flaggen.
Wenige Tage
nach dem letzten Aufgebot der Islamischen Republik brachen in der
südwestlichen Provinz Khuzestan, eines der Zentren der iranischen
Ökonomie, Massenproteste aus, die von den Stahlarbeitern in Ahvaz
und den Arbeitern der Zuckerrohrfabrik Haft Tappeh in Shush getragen
werden und weiterhin anhalten. Nahezu jeder ihrer Slogans ist vor
allem auch eine schallende Ohrfeige für das penetrante Geraune
deutscher „Iran-Expertise“: „Unser Feind ist hier, es ist eine
Lüge, wenn sie sagen, unser Feind ist Amerika“, „Palästina,
Syrien, das sind die Gründe unserer Misere“ (heißt also die
Finanzierung der Hamas und die militärische Stabilisierung des
Regimes Bashar al-Assads) und „(Rouhani-)Regierung, Mafia –
gratuliere zu eurer Ehe“. Wieder und wieder wird in Ahvaz auch vor
der Filiale der Nationalbank Melli protestiert, die als
Serviceinstitut der „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“
und ihrer ruchlosen al-Quds-Brigade fungiert. Der von den
Protestierenden gerufene Slogan „Mutter der Korruption in Ahvas,
hier bist du, hier bist du“ spiegelt die Einsicht in ein
islamo-mafiotisches Akkumulationsregime, in dem ein wesentlicher Teil
des Finanzwesens, des Exports und Imports längst unter Kontrolle der
militaristischen Revolutionsgarde geraten ist.
An einem der
vergangenen Protesttage stießen zu den streikenden Arbeitern in
Shush einige Mullahs, die die Protestierenden unverfroren
aufforderten, hinter ihnen zu beten. Sie wurden von den einen
ignoriert und von den anderen irritiert bestaunt und herzhaft
ausgelacht. Die klassenbewussten Proletarier in Shush verunmöglichten
auch die wöchentliche Khutba-Predigt, die in der Islamischen
Republik wesentliche Institution der Verhetzung. Sie wendeten sich
während des Gebets – unter dem Ruf „Wir kehren dem Feind den
Rücken zu“ – von der Predigtkanzel und dem Imam ab.
Hieß es bei
Staatsgründer Khomeini noch „Streik ist eine Sünde“, verweigern
sich inzwischen Streikende ganzer Schlüsselindustrien tagelang, die
Arbeit aufzunehmen. Doch dass Streik ihm eine Todsünde ist, daran
lässt das Regime weiterhin keinen Zweifel. Im nordwestlich von
Teheran gelegenen Qazvin beantragte ein Gericht der Islamischen
Republik die Todesstrafe für 17 inhaftierte Streikende aus der
Transportbranche. Ihr Ausstand betraf tagelang alle iranischen
Provinzen. Der Vorsitzende des Teheraner Revolutionsgerichts, Musa
Ghazanfarabadi, droht indessen auch den Inhaftierten der
Straßenproteste aus dem vergangenen Winter mit Hinrichtung. Die
Aufwiegler seien feindselig gegenüber Allah und irdischem Souverän,
so Ghazanfarabadi, denn sie schüren „Korruption auf Erden“.
Moharebeh, so der dazugehörige Rechtsbegriff in der islamischen
Jurisprudenz, ist in der Islamischen Republik ein Kapitalverbrechen,
das mit der Todesstrafe geahndet wird.
In der
Provinz Khuzestan beschränkt sich das Regime im Moment noch auf die
Inhaftnahme einzelner Streikender als inkriminierte „Rädelsführer“.
Es scheint zu ahnen, dass eine Eskalation die Bedrohung der eigenen
Existenz anreizen würde. Liegt die Provinz Khuzestan auch im
äußersten Südwesten, weiß man anderswo im Iran ganz genau von den
Streikenden. Zu Solidaritätsaktionen kommt es etwa an den Teheraner
Universitäten: „Wir sind die Kinder von Arbeitern, wir bleiben an
ihrer Seite“ und „Von Haft Tappeh bis nach Fulad (Stahlindustrie
von Ahvaz) – Arbeiter und Studenten sind vereint“. Darüber
hinaus werden auch Slogans gegen die in der Islamischen Republik
herrschende sexuelle Apartheid gerufen.
Währenddessen
beehrt eine der unerschütterlichsten Charaktermasken der deutschen
Sozialdemokratie das Regime und versichert diesem das fortwährende
Interesse der deutschen Industrie an dem Iran. Außer Amtes bemüht
Sigmar Gabriel auch nicht mehr die fassadenhafte Unterscheidung
zwischen „Reformern“ und „Erzkonservativen“ – einzig das
brachte ihm zuhause spärliche Kritik ein – und traf sich so auch
mit Ali Larijani, einen engen Vertrauten von Ali Khamenei und Bruder
des Vorsitzenden der khomeinistischen Henkerjustiz, Sadeq Larijani.
Dieselbe Justiz hat am 2. Oktober Zeinab Sekaanvand hingerichtet.
Zeinab wurde schuldig befunden, als siebzehnjähriges Mädchen ihren
Ehemann getötet zu haben. Mit 15 Jahre wurde sie zwangsverheiratet
und danach von ihrem Mann Tag für Tag terrorisiert. Sie bestritt vor
dem Gericht den Mord - für den sie ohne Zweifel gute Gründe gehabt
hätte – und klagte über Gewalt durch Beamte. An ihr - wie zuvor
an Fatemeh Salbehi, Reyhaneh Jabbar und vielen anderen Frauen - führt
die khomeinistische Despotie die tödlichen Konsequenzen vor, wenn
Frauen aus Zwangsheirat und ehelichem Martyrium ausbrechen.
Darüber wie
sich hier zugegen in die misogyne Verfolgung von Frauen im
khomeinistischen Iran eingefühlt wird, verrät etwa die nächtliche
Entführung einer schwangeren Iranerin durch deutsche Polizisten aus
der Universitätsklinik Mainz so einiges. Die junge Frau sollte nach
Kroatien abgeschoben werden, was einzig an ihrem beherzten Widerstand
scheiterte. An der kroatisch-bosnischen Grenze harren in diesen Tagen
indessen hunderte Geflüchtete aus dem Iran und Afghanistan aus. Ihre
Füße werden von Grenzpolizisten blau und grün geschlagen, um eine
Weiterflucht zu verunmöglichen. Die deutsch-europäische
Iran-Politik scheint genau das zu sein – zu „bedauern“, dass
das khomeinistische Regime von den Kapitalmärkten ausgegrenzt wird,
und im selben Atemzug Verfolgte dieses Regimes zu drangsalieren und
auszugrenzen.
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