Samstag, 4. August 2018

Aufruf zur sofortigen Solidarität mit den Straßenprotesten im Iran: „Reformisten, Konservative, eure Zeit ist vorbei!“



Im „Deutschlandfunk“ gilt es als Expertise, wenn Michael Lüders orakelt, dass es Massenaufstände im Iran „wahrscheinlich nicht geben“ wird, just in dem Moment, wo die größten städtischen Konglomerate im Iran von schweren Straßenprotesten erschüttert werden. Lüders, der behauptet, dass die Iraner „sich eher“ hinter das Regime scheren, verschweigt konsequent, dass seit Monaten  – während der wilden Streiks in der Stahlindustrie von Ahvaz, bei den Wasserrevolten in Abadan und Khorramshahr und den Protesten gegen die grassierende Korruption in Kazerun und die schwindenden Pensionen in Teheran – der häufigst gerufene Slogan ein Frontalangriff auf die organisierte Krisenprojektion und zudem eine schallende Ohrfeige für sein Geraune ist: „Unser Feind ist hier, es ist eine Lüge, wenn sie sagen, unser Feind ist Amerika“. Lüders aber meint zu wissen, dass die Krise – die ökonomische wie politische – eine perfide Intrige der US-Amerikaner sei. Notorisch beschwört Lüders seine vorgebliche Äquidistanz – „egal, was man nun von dem Regime in Teheran hält oder nicht“ – und verrät damit den Kern der deutsch-europäischen Kollaboration mit der khomeinistischen Despotie: die absolute Gleichgültigkeit gegenüber den Verfolgten und Gehetzten in der Islamischen Republik. In Wahrheit ist das mafiotisch-klerikalfaschistische Akkumulationsregime, das sich als Islamische Republik tarnt, die Krise selbst. Fabriken sowie Export und Import sind längst unter Kontrolle der militaristischen Revolutionsgarde, dem wesentlichen Akteur im Iran. Die Rechtsform dieses militärisch-industriellen Komplexes ist die der Miliz. Es ist das islamofschistische Akkumulationsregime der Khomeinisten selbst, das vielen Iranern das Gröbste verweigert, sie von den Wasserressourcen abschneidet, die rurale und städtische Peripherie dem Elend überlässt, die Lohntüte durchfrisst, die nationale Währung gänzlich entwertet, mit Unsummen an Petro-Euro (oder Petro-Rial) Warlords in Syrien, dem Irak und Jemen finanziert.

Die notorische Phrase „egal, was man nun von dem Regime in Teheran hält oder nicht“ heißt nichts anderes als organisierte Beschwichtigung gegenüber dem islamofaschistischen Souverän, dessen zentraler Staatszweck – mit Anbeginn der Islamischen Republik 1979 – die Vernichtung Israels und die totalitäre Uniformierung der Iraner zu einer einzigen „Partei Allahs“ ist. Dass die Islamische Republik darin gescheitert ist, liegt zweifellos nicht an dem „kritischen Dialog“, den die Deutschen so stur propagieren und der nie anderes war als der unbändige Narzissmus des „ehrlichen Maklers“ und das Aasgeiern auf ein gesteigertes Auftragsvolumen für die heimische Industrie.

Als im vergangenen Winter im Iran die Protestierenden eine ganze Woche der Repression widerstanden, Tag für Tag, über nahezu alle Provinzen mit unterschiedlicher Intensität verteilt, beäugte man hier zugegen die Proteste mit Argwohn. Man raunte, dass keiner so genau wisse, wer die Protestierenden seien und streute das Gerücht, dass die Proteste eine camouflierte Rache der Erzkonservativen am Staatspräsidenten Hassan Rouhani seien, an der mild lächelnden Charaktermaske der europäischen Kollaboration. Als dann die US-Amerikaner der auf Vertragspapier zur Geltung gebrachten iranischen Erpressung – Reduzierung der Urananreicherung gegen Business – ein Ende androhten, beschwor man hier zugegen einen „historischen Fehler“, der unweigerlich die Erzkonservativen gegenüber den Reformern stärke. Im Iran dagegen dröhnt es auf der Straße: „Unser Feind ist hier, es ist eine Lüge, wenn sie sagen, unser Feind ist Amerika“.

Am 31. Juli begannen die nächsten überregional koordinierten Proteste, die in diesen Stunden noch andauern. Anders als noch im Winter gehen die Straßenproteste nun von den größten Städten aus: Teheran, Isfahan, Shiraz, Mashhad und vor allem Karaj, wo in den Abendstunden des 31. Juli ausgerufen wurde: „Reformisten, Konservative, eure Zeit ist vorbei“. Hinzugekommen sind inzwischen Arak, Rasht, Kermanshah, Yazd sowie Andimeshk in der Krisenprovinz Khuzestan. Einer der häufigst gerufenen Slogan ist „Kanonen – Panzer – Feuercracker, das Regime der Akhunda wird (dennoch) verschwinden“ oder – variiert – „Tod der Republik der Akhunda“. Akhunda ist der persische Name für den schiitischen Klerus, die Mullahs. Weitere Slogans sind „Die Frauen sind auf der Straße, die Mutlosen sind zuhause geblieben“, „Nicht Gaza (Hamas), nicht der Libanon (Hezbollah), unser Leben für den Iran“, „Rouhani, schäme dich, verlasse den Iran“ und „Nieder mit Ali Khamenei (der Oberste Revolutionsführer)“. Die Protestierenden – so unterschiedlich sie auch sind: es sind unter den Slogans auch Lobpreisungen von Reza Shah (gestorben 1944), der von Briten und schiitischem Klerus verhinderte Mustafa Kemals des Irans zu hören – eint die Einsicht in den Charakter der Islamischen Republik als einem mörderischen Verelendungsregime und folglich, wie es in einem weiteren Slogan heißt, in die „Islamische Revolution“ als verheerendsten Fehler der jüngeren Vergangenheit.

Lasst die Revolutionäre auf den Straßen von Teheran und Karaj, Isfahan und Shiraz, Kermanshah und Ahwaz nicht allein.
Freiheit und Säkularität für die Menschen im Iran.
Marg bar jomhuriye eslami!


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