In der selbstverliebten „Hauptstadt des interreligiösen Dialogs“, wie es im Hamburger Koalitionsvertrag heißt, residiert an der repräsentativen Adresse „Schöne Aussicht“ die nach Eigenaussage kontinentaleuropäische Vertretung der höchsten theologischen Autoritäten des imamitischen Islams. Das entspricht natürlich nicht der ganzen Wahrheit: So repräsentiert das Islamische Zentrum Hamburg nicht etwa das theologische Seminar im irakischen Najaf, neben Qom die ehrwürdigste Hawza der Zwölfer-Schia. Nein, die Residenz an der Schönen Aussicht ist vielmehr die Exklusiv-Vertretung des Staatsislams der khomeinistischen Despotie Irans. Von deren machiavellistischer Personifizierung des Staatsprinzips, dem Wächteramt der islamischen Rechtsgelehrten, im „Obersten Führer der Islamischen Revolution“ distanziert sich die ranghöchste Autorität in der Hierarchie des Najaf-Seminars Ali al-Sistani.
Anders als die konservative Hawza von Najaf, die als „quietistisch“ gilt, forderte der Staatsgründer Ruhollah Khomeini eine totale Geltung des Wächteramts in allen Sphären des Staates. In seiner Hauptschrift, der „Islamische Staat“, sprach Khomeini davon, die theologischen Seminare von den Quietisten zu reinigen und die Moscheen zu Kasernen, die wöchentliche Khutbah-Predigt zum Schlachtruf und die Betenden zu Bataillonen zu machen. Er bekräftigte, dass die Etablierung eines solchen „Islamischen Staates“ Massen an Toten erfordern würde. „Der Islam hat viele Stämme ausgerottet“, so Khomeini, da sie Verderben über die Muslime gebracht und „die Interessen des Islamischen Staates“ beschädigt hätten. Als ewigen Konspirator gegen die islamische Souveränität identifizierte Khomeini die Juden, die „den Koran verfälscht“ hätten und die perfide Intrige eines „jüdischen Weltstaates“ verfolgen würden. Die Schwäche der Muslime gegenüber einer „Handvoll armseliger Juden“ gründe darin, dass Allahs Gesetz nicht in Gänze verwirklicht wurde.
Khomeini polemisierte gegen die zivilisierte Abscheu vieler Iraner gegenüber Körperstrafen wie der Steinigung. Dabei sei es Sinn und Zweck des islamischen Strafrechts, „zu verhindern, dass in einer großen Nation verderbte Sitten um sich greifen“. Es ist alles andere als zufällig, dass die Hauptschrift von Khomeini den Namen einer späteren terroristischen Organisation, wenn auch rivalisierender Konfession, vorgibt.
Die Militarisierung des Klerus und der zentralen Institutionen, für die sich Khomeini ausgesprochen hat, wurde mit der revolutionären Umwälzung des Irans im Jahr 1979 verwirklicht. Seither herrscht im Iran die Despotie einer militaristisch-okkulten Synthese aus revolutionärem Klerus und der „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“. Die Gräber der Menschenopfer, die Khomeini beschworen hatte, wurden zum Fundament des „Islamischen Staates“ im Iran. Am 17. August 1979 unterzog sich Khomeini einer eigenartigen Selbstkritik: Weder die Armee der Wächter noch er persönlich hätten die Revolution konsequent zu ihrem Ende geführt. Wenn sie dies getan hätten, so Khomeini, wäre noch jedes widersprechende Wort zum Verstummen gebracht, über jeden Widerspenstigen gerichtet und jede andere Partei als die ihrige, die „Partei Allahs“ (Hezbollah), zerschlagen worden. Von jetzt an, so Khomeini weiter, folgen sie konsequent dem ersten Imam: „Imam Ali zog sein Schwert gegen die Verschwörer. (...) Die Verschwörer sind Ungläubige. Auch die Verschwörer in Kurdistan sind Ungläubige.“ Wenige Tagen später begannen die Khomeinisten mit ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die „heidnischen“ Kurden.
Es ist Khomeini, dieser unerbittliche Propagandist des Todes, den das Islamische Zentrum Hamburg zum absoluten Idol macht. Nicht nur, dass das Porträts des Staatsgründers die Innenfassade schmückt, wird an jedem seiner Todestage in den rührseligsten Worte an ihn gedacht: jener Khomeini, der am 14. Februar 1989 eine nach wie vor geltende Todesfatwa gegen Salman Rushdie (und jeden, der an der Publikation der „Satanischen Verse“ beteiligt ist) ausgesprochen hat, sei eine „großartige Quelle der Nachahmung“. „Sein Denken und Wirken“, so das IZH, hätten „einen göttlichen Duft, und die Kraft und Beständigkeit seines Weges und seiner Gedanken entsprangen den gnostischen und spirituellen Dimensionen seines Charakters“. Dieser „göttliche Duft“ liegt vor allem über den Folterhöllen der khomeinistischen Staatsbestie, er liegt über den Gräbern der in Massen verscharrten Hingerichteten. Im Jahr 1988 erließ Khomeini eine Fatwa, in der er befahl, Massen an Inhaftierten, die „auf ihrer zwieträchtigen Meinung beharren“, hinzurichten. „Mitleid mit den Feinden des Islam ist Naivität“, so Khomeini. „Zögern“ hieße, „das reine, unbefleckte Blut der Märtyrer zu ignorieren.“
Der Schlächter Khomeini, so das IZH, sei ein „göttlicher Denker“, ein „großer Exeget des edlen Koran und Wiederbeleber des reinen Islams“. In einer aus Irans Folterhölle Gohardasht durchgedrungenen Solidaritätsadresse an die Ermordeten und Hinterbliebenen des Charlie Hebdo-Massakers im Januar 2015 sprachen Inhaftierte davon, dass der Befehl von Khomeini zur „Ermordung von Salman Rushdie im Herzen von Europa“ das entscheidende Fanal für die totale Entgrenzung der islamistischen Konterrevolution war.
Nach 1979 gingen die Khomeinisten auch in Europa gegen „konterrevolutionäre“ Kritiker rabiat vor. Am 24. April 1982 prügelten in Mainz mehr als hundert Khomeinisten mit Kabelsträngen, Holzlatten und Metallrohren auf iranische Studierende ein, die sich zuvor verdächtig gemacht hätten, Feinde der Revolution zu sein. Augenzeugen sichteten Hadi Ghaffari als Organisator der Prügelrotte. Im Iran gefürchtet als „Machinegun Mullah“ soll Ghaffari den früheren Ministerpräsidenten Amir Abbas Hoveyda persönlich hingerichtet haben. Ganz anders als bei vielen Geflüchteten aus dem Iran erhielt der Kommandeur der iranischen Hezbollah schwerelos ein Einreisevisum. Ghaffari habe, so der DER SPIEGEL, mit deutschen Industriellen die Wiederaufnahme des Iran-Geschäfts besprochen.
Unten den Prügelnden des 24. April 1982 war auch ein Hezbollahi namens Kazem Darabi. Durch Vorsprachen des iranischen Generalkonsuls bei den deutschen Behörden erhielt Darabi auch in der Folge eine Duldung seines Aufenthalts. Selbst das Auswärtige Amt habe sich, auf konsularische Bitte, für ihn verwandt. Nach der Ermordung kurdischer Exil-Oppositioneller der Demokratischen Partei Kurdistans-Iran, die Khomeini als „Partei des Teufels“ denunzierte, im Berliner Restaurant Mykonos am 17. September 1992, wurde Darabi als Organisator der extralegalen Hinrichtung enttarnt. Jahrelang hatte er zuvor als Berliner Repräsentant der Hezbollah fungiert.
Die deutsche Exekutive war peinlichst bemüht, den Khomeini-Staat ganz aus dem Gerichtsprozess gegen Darabi und seine libanesischen Mordkomplizen herauszuhalten. Die immensen Verpflichtungen Irans gegenüber der deutschen Industrie waren großteils mit einer Hermes-Exportkreditversicherung gedeckt. Mit dem Gerichtsprozess wurde eine weitere Demoralisierung des Schuldners befürchtet. Zugleich war der Khomeini-Staat mit über 20 Prozent an der Friedrich Krupp AG beteiligt und spekulierte auf Beteiligungen an maroden ostdeutschen Fabriken.
Nach den Hinrichtungen in Berlin, so sickerte es aus deutschen Polizeibehörden durch, habe das khomeinistische Regime zugesichert, nicht mehr innerhalb deutscher Grenzen zu morden. Generalkonsulate und Moscheen, von denen aus jahrelang die Verfolgung von Regimekritikern bis ins europäische Exil ermöglicht wurde, blieben indes bestehen. Die Residenz an der Schönen Aussicht in Hamburg ist dabei die kulturalistische Fassade einer Despotie, die für ihre Kritiker auch weit außerhalb des Irans lebensbedrohlich ist.
Der Vorsitzende des Islamischen Zentrums in Hamburg, Mohammad Hadi Mofatteh, wurde vom Teheraner „Haus der Führung“ als offizieller Stellvertreter des „Führers der Islamischen Revolution“, Ali Khamenei, nach Hamburg entsandt. Es ist Khamenei höchstpersönlich, der über das Studium an der Hawza an der Schönen Aussicht als „kollektive Pflicht“ spricht. Ayatollah Naser Makarem Shirazi spricht von „einer individuellen Pflicht“. Mit beiden Fatwas wirbt die Hamburger Hawza für sich. Shirazi hat im Jahr 2012 eine Todesfatwa gegen einen „ketzerischen“ iranischen Musiker ausgesprochen.
Das Theologiestudium an der Hamburger Hawza, so wirbt diese für sich, ist durch die al-Mustafa-Universität im iranischen Qom akkreditiert. Die al-Mustafa-Universität expandiert vor allem in Afrika und Südasien, um die Absolventen – in Konkurrenz zu ähnlichen türkischen und saudischen Instituten – zu Kadern und Parteigängern des Khomeini-Staates zu machen. Unter den pakistanischen und afghanischen Absolventen der al-Mustafa-Universität wurde in jüngerer Vergangenheit auch Frontvieh für die syrischen Schlachtgräben geworben. Ali Reza Tavassoli, der in Syrien getötete Kommandant der afghanischen Fatemiyoun Brigade, war Absolvent der Universität, genauso wie viele der Angehörigen der pakistanischen Zainabiyoun Brigade.
Kaum ein Fürsprecher des Hamburger Staatsvertrags mit den Khomeinisten von der Schönen Aussicht, mit dem diese seit 2012 etwa an der Bildungspolitik beteiligt werden, leugnet deren Satellitenfunktion für das Regime im Iran. Das zentrale Argument der Fürsprecher ist, wie etwa jüngst Reiner Scholz von der Heinrich-Böll-Stiftung, dass der Dialog den Gegenüber darin bestärkt, seine Rhetorik abzuschwächen. Sie folgen zwanglos einer Erpressung und verstehen es selbst als interkulturelle Pädagogik: Schenkungen, wie etwa der Staatsvertrag, gegen Kostümpflicht für Khomeinisten.
Dass das Business des „kritischen Dialogs“ für exilierte Regimekritiker keinen Gewinn vorsieht, ist sowieso nicht von Interesse. Als im Januar das IZH den gefallenen „Märtyrer“ Qasem Soleimani, Irans Schattenkommandeur an der syrischen und irakischen Front, gedachte, widersprachen bis zu hundert Exiliraner der Glorifizierung des Warlords. Viele der Protestierenden sind erst vor wenigen Jahren aus dem Iran geflüchtet. Manche von ihnen sind mit ihrem Asylantrag gescheitert und harren jahrelang in Ungewissheit aus, bis ihnen das Verwaltungsgericht doch Recht zuspricht.
In den Folgetagen des Protestes an der Schönen Aussicht brach eine Drohkampagne, vor allem über Telegram, über die Regimekritiker herein. Ihre Namen und Adressen wären bekannt, so die Drohgebärde der Khomeinisten. Man werde die „Huren“ und „Glücksspielsüchtigen“ solange vor deutsche Gerichte bringen, bis der deutsche Staat sie zur Ausreise in den Iran zwingt. In den Drohungen wurde den Regimekritikern auch ein Verbot ausgesprochen, sich in die Nähe der Imam-Ali-Moschee zu begeben. Bei Verstoß gegen den Bann würde man sie mit einem langen Holz vergewaltigen – eine Bestialität, die in Irans Folterhöllen nicht unbekannt ist.
Die 2015 aus dem Iran geflüchtete Jasmin war an dem Protest vor der Moschee an der Schönen Aussicht beteiligt. Im Iran traf sie sich an der Universität mit Kommilitonen zu Lesezirkel verbannter Literatur. Die Schergen des Herasat, Auge und Ohr des Ministeriums für Nachrichtenwesen an den Universitäten, wollten sie zu Anschuldigungen über „konterrevolutionäre“ Familienangehörige im Exil nötigen. Auf ihre Weigerung und einer späteren Zwangsexmatrikulation folgte ein Gerichtsprozess. Vor der drohenden Haftstrafe flüchtete Jasmin mit ihrem Sohn aus dem Iran. Nach dem Protest gegen die Ehrung des Bluthundes Soleimani stieß sie auf einem Instagramkanal namens „Sarbaz“ (Soldat) auf eine Fotografie von sich mit der Beschriftung „Verräterin an der Heimat“. Wenige Tage später erhielt sie die ersten persönlichen Nachrichten, in denen ihr mit einem Abschiebebescheid gedroht wurde.
Während des diesjährigen Ashura, dem rituellen Märtyrergedenken an den Imam Hossein, trafen sich die Regimekritiker erneut zum Protest an der Schönen Aussicht. Auf einem Instagramkanal namens „Shahriar Shariat“ kursierten in der Folge Fotografien der „Feinde der Islamischen Revolution“ mit der Drohung, dass der deutsche Blasphemieparagraf nicht genüge und dass die Protestierenden nach ihrer Abschiebung in den Iran die Todesstrafe erwarten würde. Bei Jasmin häuften sich Benachrichtigungen, in denen auch ihrem Sohn der Tod und ihr gröbste sexuelle Gewalt geschworen wurden. In einer der Drohungen wurde ihr die eigene Adresse mitgeteilt. Ihr wurde seither gehäuft auf der Straße nachgestellt. Imam Mofatteh, der kostümierte Khomeinist für den „interreligiösen Dialog“, spricht indessen von der „Entweihung des Heiligsten, nämlich der Persönlichkeit des Propheten Mohammad und seiner geheiligten Nachkommen“ durch die Regimekritiker. Er habe der Polizei und den Behörden mitgeteilt, dass bei den nächsten Provokationen eine Deeskalation ihrerseits nicht garantiert werden kann.
Während Imam Mofatteh sich und seinesgleichen als verfolgte Unschuld geriert, mordet sich anderswo die khomeinistische Bestie durch die Reihen der Regimekritiker. Am 10. Dezember wurde Arsalan Rezaei, ein junger Atheist, in der Türkei ermordet. Sein Tod wurde zuvor auf dem offiziellen Telegramkanal der Armee der Wächter angedroht: „Abtrünnige werden erhalten, was ihnen würdig ist“. Am 12. Dezember hat die khomeinistische Despotie Ruhollah Zam hingerichtet. Der Mitbegründer des Telegramkanals Amad News, Ende 2017 Massenmedium der tagelangen Straßenproteste im Iran, wurde von seinem Vater, ein staatsloyaler Mullah, nach Ruhollah Khomeini benannt. Ruhollah Zam nannte sich später selbst Nima und lebte nach seiner ersten Inhaftierung im französischen Exil – wie die anderen exilierten Begründer von Amad News unter ständigem Polizeischutz. Er wurde bei einer Reise in den Irak von Regimeschergen überrumpelt und in den Iran zwangsverbracht. Von der Kommandohöhe der Revolutionswächter hieß es, dass sie Ruhollah Zam im französischen Exil überwacht hätten.
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