Montag, 13. Januar 2020

Flugschrift zu den Protesten im Iran



Vor wenigen Tagen bestand das Gros deutscher Expertise darin, dass die Tötung des Bluthundes der khomeinistischen Despotie, Qasem Soleimani, zu einem massenhaften anti-US-amerikanischen Fraternisierungseffekt unter den Iranern führen wird. Keiner von denen, die jüngst noch behaupteten, dass der Tod des Generals „die iranische Öffentlichkeit eint“ (Michael Lüders – zweifelsohne nicht der einzige), muss angesichts der Proteste im Iran fürchten, demnächst nicht mehr als Experte geladen zu werden. Denn vom Auswärtigen Amt bis zu den notorischen Mahnern, die es beraten, wird weiterhin die Überzeugung geteilt, dass einzig kultursensible Einfühlung, „kluge Diplomatie“ (Wolfgang Ischinger) und Business eine Despotie wie die „Islamische Republik“ resozialisieren könne. Es ist keine Frage von Uninformiertheit, die ja keine Schande wäre. Wer synchron mit Javad Zarif, der grinsenden Fratze der khomeinistischen Despotie, von einem „Meer von Trauernden“ spricht, der täuscht nicht allein über die Mechanismen eines totalitären Staates, er reproduziert die Lüge von der Einheit, die der khomeinistische Souverän einzig noch simulieren vermag.

Es war bloß eine Frage der Zeit, dass die Lüge, aus der die europäische Politik der Beschwichtigung besteht, sich wieder gründlichst blamiert. Während die Auswärtigen Ämter der Deutschen und Briten die „Islamische Republik“ für ihre Ehrlichkeit loben, die „versehentliche“ Tötung von 176 Flugpassagieren eingestanden zu haben, trafen sich zunächst Studierende der Amirkabir Universität in Teheran, um den Getöteten zu gedenken. Aus dem Gedenken wurde ein Protest, der sich noch am selben Abend über weitere Teile Teherans sowie auf andere Städte ausgeweitet hat. Die Slogans der Protestierenden sind durchaus als Konter auf deutsche Expertise à la Michael Lüders, Volker Perthes und Rolf Mützenich zu verstehen. Die „Armee der Wächter der Islamischen Revolution“ (kurzum: die Sepah) wird als zentrales Staatsracket ausgemacht: „Wir wollen kein Regime der Sepah!“ und „Soleimani ist ein Mörder und sein Führer (Ali Khamenei) auch!“ Entgegen dem Gerücht, Qasem Soleimani habe den Iran vor dem „Islamischen Staat“ bewahrt, wird die „Islamische Republik“ selbst als Komplementär zum (Pseudo-)Kalifat erkannt: „Basij, Sepah, ihr seid unsere Variante von Daesh!“ (Die Basij sind das als Zivilmiliz organisierte Brüllvieh der Revolutionswächter und „Daesh“ das arabische Akronym vom „Islamischen Staat“). Die omnipräsenten Staatsbanner mit dem Antlitz des getöteten Generals werden unter dem Jubel der Umstehenden heruntergerissen oder verbrannt. Explizit wird ein Ende der Shia-Variante des „Islamischen Staates“ – so eine berüchtigte Schrift vom Staatsgründer Ruhollah Khomeini, die aus seinen Vorlesungen im irakischen Exil besteht – gefordert: „Islamische Republik – wir wollen keine, wir wollen keine!“, „Kanonen – Panzer – Feuercracker, das Regime der Akhunda (Mullahs) wird (dennoch) enden!“ und „Jahre an Verbrechen – Tod dem Velayat-e Faqih!“. Mit „Velayat-e Faqih“ beschrieb Khomeini das System der „Islamischen Republik“, in der die Kleriker als Statthalter des in Verborgenheit ausharrenden okkulten zwölften Imams fungieren.


An vielen Universitäten hat das Regime auf den Asphalt riesige US-amerikanische und israelische Flaggen gemalt, um den „großen und kleinen Satan“ tagtäglich mit Fußtritten symbolisch zu demütigen. An der Teheraner Shahid Beheshti Universität liefen die Protestierenden geschlossen an den Flaggen vorbei, um der Vermassung zum Trampelvieh des Regimes zu entsagen. Parteigänger der Basij, die über die Flaggen latschten, wurden energisch als bisharaf, als „unehrenhaft“ und „schändlich“, beschimpft. Ein weiterer Slogan dieser Tage ist folglich auch eine schallende Ohrfeige an Lüders und Co.: „Unser Feind ist hier (im Iran), es ist eine Lüge, wenn es (das Regime) behauptet, unser Feind ist Amerika!“.

Inzwischen haben die Proteste weitere Städte erfasst: neben Teheran wird unter denselben Rufen auch in Mashhad, Isfahan, Shiraz, Tabriz, Ahvaz, Kermanshah, Rasht, Hamadan, Yazd, Arak, Zanjan, Sanandaj, Qazvin, Gorgan, Sari, Babol, Amol und Semnan protestiert. Ein weiterer Slogan ruft in Erinnerung, was im khomeinistischen Iran allen droht, die die Lüge von der Einheit entblößen: „1.500 Menschen wurden während unserer Novemberproteste getötet!“. Interessant auch der Slogan „Weder Shah noch Führer, wir wollen nicht schlecht oder schlechter!“, der sich gegen eine Vereinnahmung der Proteste durch Exilroyalisten ausspricht. Die vorgeschobene Besorgtheit der Deutschen – „Wir wissen ja nicht, wer kommen würde“, wenn das Regime fällt (Ischinger und ganz so ähnlich Heiko Maas) – ist eine Verhöhnung jener Mutigen, die unmissverständlich darin sind, was sie nicht wollen: ein Regime, das seine imperiale Aggressivität nach außen projiziert, die Ökonomie zur Beute militaristischer Rackets gemacht und den Hass auf die emanzipierte Frau zum Staatsideal erhoben hat.

Tage zuvor wurde in Baghdad und nahezu in allen südirakischen Städten, die die khomeinistischen Shia-Milizen für sich beanspruchen, unter dem Motto demonstriert, dass das gegenwärtige Nationalparlament nicht repräsentativ sei – zuvor hat sich dieses in Teilen als Brüllkulisse für Qasem Soleimani hervorgetan. Gefordert wird ein Ende der Infiltration des Iraks durch den khomeinistischen Iran: „Iran komme und nehme deine Agenten. Diese Nation hat keine Angst vor euch!“ In Kerbela, der heiligen Kapitale der Shia, wird die dortige Zentrale des khomeinistischen Badr Korps niedergebrannt. Die Zentren der Proteste sind vor allem schiitische Städte. In Europa wollte man bislang von der Emanzipation der Jugend vom Milizunwesen und der Shia-Variante eines „Islamischen Staates“ kaum etwas wissen.

Solidarität mit den Protesten im Iran und Irak: Tod der khomeinistischen Despotie!

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